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01.03.2005 | Besonderheiten erläutert anhand von Beispielen

Innergemeinschaftlicher Erwerb

von StB Dipl.-Bw. (FH) Udo Cremer, Aldenhoven

Die internationalen Beziehungen deutscher Unternehmen zum Ausland werden nicht nur immer intensiver, sondern es spielt sich zwischen den Landesgrenzen auch immer mehr Warenverkehr ab. Gerade im Hinblick auf die Osterweiterung in der europäischen Gemeinschaft (EG) können wir nur raten, umsatzsteuerlich immer auf dem Laufenden zu bleiben. 

Innergemeinschaftlicher Erwerb als „Auffangtatbestand“

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG zufolge ist ein Umsatz steuerbar und wird vom Umsatzsteuergesetz erfasst, wenn ein Unternehmer (§ 2 UStG) im Rahmen seines Unternehmens (Abschn. 20 Abs. 2 UStR) im Inland (§ 1 Abs. 2 S. 1 UStG) eine Lieferung (§ 3 Abs. 1 UStG) oder sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG) gegen Entgelt (d.h. im Rahmen eines Leistungsaustausches) ausführt. Im Fall einer Lieferung liegt der Ort der Lieferung in der Regel dort, wo die Lieferung beginnt. Wird z.B. eine Lieferung von Dänemark nach Düsseldorf ausgeführt, ist keine Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegeben, weil der Ort der Lieferung mit Beginn in Dänemark liegt und damit nicht im Inland. Um ungerechtfertigten Steuervor- oder -nachteilen gegenüber normalen „Inlandskäufen“ zuvorzukommen, ist der „Auffangtatbestand“ des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Inland gegen Entgelt geschaffen worden. 

 

Innerhalb der EG ist für den Bereich der Umsatzsteuer das Bestimmungslandsprinzip maßgebend, d.h., der Liefergegenstand wird in dem Land der EG der USt unterworfen, für den er bestimmt ist. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, ist im Falle einer Besteuerung im Ankunftsstaat die Lieferung im Abgangsstaat umsatzsteuerfrei. 

 

 

Wann liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor?

Ein steuerbarer innergemeinschaftlicher Erwerb liegt vor, wenn er im Inland gegen Entgelt ausgeführt wird. Für das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs gegen Entgelt müssen § 1a Abs. 1 UStG zufolge die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: 

 

  • ein Gegenstand gelangt bei einer Lieferung an den Abnehmer (Erwerber) aus dem Gebiet eines Mitgliedsstaates (z.B. Dänemark) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates (z.B. BRD) oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete, auch wenn der Lieferer den Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt hat,

 

  • der Erwerber ist Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt oder eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist (z.B. Stadtverwaltung Mannheim) oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt,

 

  • die Lieferung an den Erwerber wird durch einen Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt und ist nach dem Recht des Mitgliedstaates, der für die Besteuerung des Lieferers zuständig ist, nicht auf Grund der Sonderregelung für Kleinunternehmer steuerfrei.

 

Um dem Lieferanten kenntlich zu machen, dass der Erwerber den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erwirbt, verwendet der Erwerber seine USt-ID-Nr. Eine Zuordnung zum Unternehmen scheidet in den Fällen aus, in denen die Lieferung nach den gesamten Umständen allein für die nichtunternehmerische Verwendung bestimmt ist. 

Negierung des innergemeinschaftlichen Erwerbs

In folgenden Fällen scheidet ein innergemeinschaftlicher Erwerb aus: 

  • der Erwerber führt nur steuerfreie Umsätze aus, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen. Damit sind die Ausgangsumsätze i.S.d. § 4 Nr. 8 - 28 UStG gemeint.
  • der Erwerber ist Land- und Forstwirt, der nach Durchschnittssätzen i.S.d. § 24 UStG versteuert oder
  • der Erwerber ist eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist (z.B. Stadtverwaltung) oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt und
  • der Gesamtbetrag der Entgelte für Erwerbe i.S.d. § 1a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UStG hat die Erwerbsschwelle von 12.500 EUR im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überstiegen und wird diese im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht übersteigen und
  • der Erwerber hat auf die Anwendung der Erwerbsschwellenregelung nicht verzichtet (§ 1a Abs. 4 UStG).

 

Beispiel

Der Hals-Nasen-Ohren Arzt, der ausschließlich steuerfreie Ausgangsumsätze i.S.d. § 4 Nr. 11 UStG ausführt, erwirbt am 10.5.04 einen Praxisstuhl für seine Arztpraxis aus den Niederlanden für netto 5.000 EUR. 

 

Beim Erwerb eines neuen Fahrzeugs oder verbrauchsteuerpflichtiger Waren (z.B. alkoholische Getränke) ist keine Erwerbsschwellenregelung zu beachten.  

 

Beispiel

Ein Aachener Zahnarzt erwirbt Schnapsflaschen von einem belgischen Unternehmer für seinen Privatbereich. Obwohl die Erwerbsschwellenregelung keine Anwendung findet, liegt dennoch kein i.g. Erwerb vor, weil der Zahnarzt die Flaschen nicht für sein Unternehmen erwirbt. 

 

Liegt auf der Erwerberseite kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor, darf der Lieferer die Lieferung nicht steuerfrei ausführen.  

Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs muss im Inland liegen

Der i.g. Erwerb wird in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet (§ 3d S. 1 UStG). Der Ort des i.g. Erwerbs ist somit der „Ankunftsort“.  

 

Beispiel

Der Unternehmer U aus Aachen holt bei dem belgischen Maschinenbauunternehmen M eine betrieblich genutzte Maschine ab, um sie in seinem Unternehmen in Aachen zu verwenden. Aus der Sicht des M beginnt die Beförderung in Belgien (§ 3 Abs. 5ai.V.m. § 3 Abs. 6 S. 1 UStG), sodass der Ort der Lieferung in Belgien liegt und aus deutscher Sicht nicht steuerbar ist. Der Gegenstand der Lieferung (= Maschine) befindet sich am Ende der Beförderung in Aachen und damit im umsatzsteuerlichen Inland (§ 1 Abs. 2 S. 1 UStG i.V.m. § 3d S. 1 UStG), sodass für U der innergemeinschaftliche Erwerb steuerbar ist. 

 

Verwendet der Abnehmer eine USt-Id-Nr. eines anderen Landes, das nicht mit dem Land identisch ist, in dem die Lieferung endet, gilt nach § 3d S. 2 UStG der Erwerb zusätzlich in dem Gebiet dieses anderen Mitgliedstaates als bewirkt. Die „zusätzliche“ Erwerbsbesteuerung ist allerdings nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG rückgängig zu machen, sobald der Erwerber nachweist, dass der Erwerb in dem Bestimmungsmitgliedstaat nach § 3d S. 1 UStG besteuert worden ist. 

 

Beispiel

Der im Inland ansässige Unternehmer U bestellt bei einem dänischen Großhändler G Ware, die G den Weisungen des U entsprechend sofort in die spanische Betriebsstätte des U nach Madrid befördert. Bei der Bestellung gibt U dem G seine deutsche USt-ID-Nr. an. Der Ort des i.g. Erwerbs liegt dort, wo die Beförderung endet und damit in Spanien (§ 3d S. 1 UStG). U tätigt in Spanien einen i.g. Erwerb. Einen „zweiten“ i.g. Erwerb tätigt U in Deutschland, weil er gegenüber seinem dänischen Lieferanten eine USt-ID-Nr. von einem anderen Land (= Deutschland) verwendet hat, als das, in dem die Versendung endet (= Spanien).  

 

Nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG besteht für U die Möglichkeit, die Besteuerung in Deutschland rückgängig zu machen, wenn U gegenüber den deutschen Finanzbehörden nachweist, dass er den Erwerb in Spanien erwerbsbesteuert hat. In der Praxis wird von der Rückgängigmachung des i.g. Erwerbs in Deutschland nur selten Gebrauch gemacht, weil bei regelbesteuerten Unternehmern derjenige, der die Erwerbsteuer schuldet, gleichzeitig vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG Gebrauch macht und die Erwerbsbesteuerung für den regelbesteuerten Unternehmer damit ein „Nullsummenspiel“ darstellt.  

 

Steuerbar heißt nicht immer auch steuerpflichtig

Ein steuerbarer Erwerb führt nur dann zur Steuerpflicht, wenn keine Umsatzsteuerbefreiung eingreift. So ist ein innergemeinschaftlicher Erwerb z.B. dann steuerbefreit, wenn er zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, für die der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 3 UStG nicht eintritt. Das ist immer dann der Fall, wenn der Unternehmer den Gegenstand des innergemeinschaftlichen Erwerbs u.a. für Ausgangsumsätze im Zusammenhang mit steuerfreien Ausfuhrlieferungen oder steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen weiterverwendet.  

 

Beispiel

Der Unternehmer K in Köln erwirbt vom Unternehmer D aus Dänemark Maschinenteile, die an einen Kunden des K in Spanien weitergeliefert werden. K tätigt mit der Lieferung nach Spanien eine steuerbare und steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Der innergemeinschaftliche Erwerb aus Dänemark ist für K ebenfalls steuerbar, jedoch steuerfrei.  

 

Auf Seiten der Finanzverwaltung wird es nicht beanstandet, wenn in diesen Fällen der innergemeinschaftliche Erwerb als steuerpflichtig behandelt wird. Die Steuer entsteht in diesem Fall mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Rechnung ausgestellt wird, spätestens jedoch mit Ablauf des Vor-anmeldungszeitraums, der auf die Ausführung des Erwerbs folgt (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG). Steuerschuldner ist der Erwerber (§ 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). 

 

Beispiel

Unternehmer K in Köln (monatliche USt-Voranmeldungen) erwirbt vom Unternehmer D aus Dänemark am 18.3.04 Maschinenteile, die er an Kunden in Spanien weiterverkauft. K erhält von D eine am 19.3.04 ausgestellte Rechnung. K tätigt in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb, den er als steuerpflichtig behandelt. Die Steuer entsteht mit Ablauf des Monats März 2004, weil die Rechnung am 19.3.04 ausgestellt wurde. 

 

Vorsteuer

Unternehmer, die zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, können die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für ihr Unternehmen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG als Vorsteuer abziehen. Der Vorsteuerabzug wird im gleichen Voranmeldungszeitraum geltend gemacht, in dem die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb entsteht. 

Aufzeichnungen in der Buchführung

Neben der Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sind vom Unternehmer auch die hierauf entfallenden Steuerbeträge (nach Steuersätzen getrennt) aufzuzeichnen. In der USt-Voranmeldung sind die Summen der Bemessungsgrundlagen für den i.g. Erwerb (ebenfalls nach Steuersätzen getrennt) und die Vorsteuerbeträge für diese Erwerbe gesondert anzugeben.  

Quelle: Seite 44 | ID 88228