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· Fachbeitrag · DRG-Abrechnung

Intensivmedizinische Komplexbehandlung: Gericht präzisiert Auslegung des OPS 8-980

von RA, FA MedR Dr. Kyrill Makoski, LL.M. (Boston University), Möller und Partner, Düsseldorf, m-u-p.info

| Damit eine intensivmedizinische Komplexbehandlung (OPS 8-980) abgerechnet werden kann, ist kein bestimmter Arzt-Patienten-Schlüssel einzuhalten (anders als beim Pflegepersonal). Denn aus dem Wortlaut des OPS lässt sich ein solches Erfordernis nicht ableiten (Sozialgericht [SG] Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2021, Az. S 30 KR 2131/19 u. a.). Das Urteil ist für Chefärzte relevant, weil es ihnen in einem Dauerthema ‒ Abrechnungsstreitigkeiten im Rahmen des DRG-Systems ‒ neue Argumente liefert. |

Hintergrund und Sachverhalt

In den letzten Jahren ist die Zahl der Abrechnungsstreitigkeiten im Rahmen des DRG-Systems gestiegen. Dabei geht es u. a. darum, ob ein Krankenhaus berechtigt ist, einen bestimmten Komplexcode mit zu verschlüsseln. Bisher war diese Frage Gegenstand gerichtlicher Einzelfallentscheidungen. Der Gesetzgeber hat nunmehr durch § 275d SGB V ein Verfahren eingeführt, nach dem die entsprechende Berechtigung allgemein und für alle Kassen gleichmäßig geklärt werden kann (CB 12/2019, Seite 2 und CB 01/2020, Seite 15).

 

Krankenkassen argumentieren gegen die Berechtigung des Krankenhauses, die Intensiv-Komplexpauschale (OPS 8-980) abzurechnen, häufig mit der personellen Ausstattung des ärztlichen Dienstes. Der OPS selbst fordert eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation. Eine weitere Vorgabe, insbesondere bzgl. der Größe der Intensivstation, enthält der OPS in seinem Wortlaut nicht. Dennoch vertreten einige Krankenkassen und auch einige Medizinische Dienste (MDs) die Auffassung, dass ein Arzt auf einer Intensivstation maximal 12 bis 14 Patienten betreuen könne. Sei die Intensivstation größer, müsse der ärztliche Dienst entsprechend aufgestockt werden.

 

Mit dieser Begründung hat eine Krankenkasse in einer Vielzahl von Fällen die Rechnungen eines Krankenhauses gekürzt. Gegen diese Kürzungen hat der Krankenhausträger vor dem SG Düsseldorf erfolgreich geklagt. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Rechtsauffassung des Gerichts zu den streitigen Abrechnungskriterien.

Auffassung des Gerichts zur ständigen ärztlichen Anwesenheit

Im Krankenhaus des Klägers war der ärztliche Dienst so organisiert, dass immer mindestens ein Arzt auf der Intensivstation anwesend war. Für die sonstigen anästhesiologischen Aufgaben war ein zweiter Arzt ständig im Haus. Dies reiche ‒ so die Richter ‒ aus, um die entsprechenden Merkmale zu erfüllen (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.07.2019, Az. L 10 KR 538/15, Beitrag im CB 03/2020, Seite 4).

 

Das Krankenhaus verfügte zusätzlich zur Intensivstation über eine sog. Intermediate-Care-Einheit (IMC). Diese war jedoch personell, organisatorisch und räumlich voll mit der Intensivstation verbunden. Den Einwand der Krankenkasse, dass die IMC eine andere Station sei, die der Arzt regelhaft mitbetreuen müsse, wies das SG zurück. Aus den vorgelegten Grundrissen und den Personalplänen ergebe sich, dass es sich um einen einheitlichen Bereich handle und es weder eine räumliche noch eine organisatorische Trennung gebe.

Auffassung des Gerichts zur Mindestzahl an Ärzten

Die Krankenkasse hatte sich des Weiteren auf die Empfehlung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI; Empfehlung online unter iww.de/s4952) berufen. Danach könne mit Blick auf die Aufgaben einer Intensivstation ein diensthabender Arzt maximal 8 bis 12 Intensivbetten betreuen. Im vorliegenden Fall umfasse jedoch die IMC bereits 14 Betten, sodass der ärztliche Personalschlüssel insoweit unzureichend sei.

 

Auch diese Argumentation hielt das SG für ungerechtfertigt. Der OPS 8-980 enthalte gerade keine konkreten Regelungen zum ärztlichen Stellenschlüssel. Da Vergütungsregelungen streng nach Wortlaut auszulegen seien, könnten sie nicht anderweitig ergänzt werden (Anm. d. Red.: z. B. durch DIVI-Empfehlungen). Die Vertragsparteien hätten eine Personaluntergrenze im ärztlichen Bereich vereinbaren können. Dies sei jedoch gerade nicht geschehen. Zudem stamme die von der Krankenkasse angeführte DIVI-Empfehlung aus dem Jahr 2010. Sie sehe auch keinen festen Schlüssel von Arzt zu Patienten vor, sondern empfehle 7,0 Arztstellen (Vollzeit) für 8 bis 12 Betten. Ein fester Schlüssel ergebe sich daraus gerade nicht. Eine entsprechende Stellenbesetzung könne auch dazu führen, dass tagsüber mehr Ärzte anwesend seien als im Nachtdienst. Dies entspreche auch den praktischen Bedürfnissen, da nachts auch die meisten Intensivpatienten ‒ zum Glück ‒ schliefen.

Auffassung des Gerichts zur ärztlichen Leitung

Die Krankenkasse hatte auch bemängelt, dass die ärztliche Leitung unzureichend sei. Neben dem (anästhesiologischen) Leiter der Intensivstation war auch der Chefarzt der Pneumologie benannt worden ‒ aber nur subsidiär für die internistischen Patienten. Ein qualifizierter Vertreter war nicht benannt.

 

Auch diesen Einwand ließ das Gericht nicht gelten. Es sei schon nicht gefordert, dass es neben dem Leiter auch einen Stellvertreter geben müsse. Ebenso wenig sei ausgeschlossen, dass der „Leiter“ neben der Intensivstation auch andere Einheiten betreue. Denn er könne einzelne Tätigkeiten auch delegieren. Wichtig sei nur, dass der „Leiter“ mindestens durchgängig verfügbar sei (CB 01/2021, Seite 11 und CB 02/2021, Seite 6).

 

FAZIT | Bei Streitigkeiten über die Abrechenbarkeit von Komplexcodes sind deren Vorgaben wörtlich auszulegen. Zu prüfen ist, ob die Vorgaben eingehalten werden. Mehr kann von den Krankenhäusern nicht verlangt werden. Im Übrigen ist Vorsicht geboten, was die Ergänzung der Vorgaben des OPS durch systematische Erwägungen betrifft. Denn diese fallen oft nach den Interessen der Kostenträger aus.

 
Quelle: Seite 12 | ID 47390091