· Fachbeitrag · Einkommensteuer
Betriebskosten- und Praxisausfallversicherung: Details zur steuerlichen Behandlung kennen!
von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de
| Nicht nur die Corona-Pandemie, auch andere Ereignisse können dazu führen, dass ein Geschäftsbetrieb ungewollt unterbrochen werden muss. Wer eine Betriebskosten- oder Praxisausfallversicherung abgeschlossen hat, bekommt wenigstens die laufenden betrieblichen Kosten (z. B. für Personal, Miete) ersetzt. Versicherungsprämien und -leistungen sind auch steuerlich relevant. Die Erfahrung lehrt, dass einen „das Bauchgefühl“ steuerlich oft fehlleitet. Lernen Sie die deshalb die offiziellen Spielregeln kennen. |
Betriebskosten- bzw. Praxisausfallversicherungen
Die Betriebskostenversicherung erstattet nach Beendigung der Karenzzeit bei Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit (z. B. Bandscheibenvorfall) oder Unfall (z. B. Skiunfall) die laufenden Betriebskosten. Auch behördlich angeordnete Quarantänemaßnahmen können eingeschlossen sein.
Eine Praxisausfallversicherung richtet sich vorwiegend an niedergelassene Ärzte und verkammerte Berufe (z. B. Heilpraktiker, Apotheker, Rechtsanwälte, Steuerberater). Auch diese Versicherung springt bei vorübergehender Betriebsunterbrechung infolge von Unfall, Krankheit oder behördlich angeordneter Quarantäne ein. Im Versicherungsfall werden die fortlaufend betrieblich veranlassten Kosten erstattet.
Die steuerliche Einordnung der Versicherungen
Ohne weiteres Hintergrundwissen ist man schnell geneigt, die Versicherungsprämien als unbeschränkt abzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln. Schließlich ist unterm Strich die Betriebsunterbrechung und damit ein „offensichtlich“ betriebsbezogener Sachverhalt versichert. Entsprechend müssten die erhaltenen Leistungen im Versicherungsfall Betriebseinnahmen darstellen und damit der vollständigen Ertragsbesteuerung unterliegen. Die Rechtsprechung sieht das differenzierter. Es gelten folgende Prinzipien:
- 1. Die Versicherung umfasst betriebliche Risiken (z. B. Schutz vor bestimmten berufs- oder betriebsspezifischen Gefahren wie Berufskrankheiten, Arbeitsunfällen oder behördlich verfügten Schließungen):
- Versicherungsprämie ist Betriebsausgabe
- Versicherungsleistung ist Betriebseinnahme
- 2. Die Versicherung umfasst private Risiken (z. B. Tod, Unfall, Krankheit und die damit verbundenen Vermögenseinbußen):
- Versicherungsprämie ist allenfalls Sonderausgabe
- Versicherungsleistung ist nicht steuerbar, keine Berücksichtigung im Progressionsvorbehalt
Nach diesen Grundsätzen entschied der BFH bei einer Ärztin, dass die Versicherung von Krankheit ein privates Risiko darstellt. Folglich seien die Prämien den Kosten der privaten Lebensführung zuzuordnen und nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Im Gegenzug unterliegen Versicherungsleistungen keiner Besteuerung. Als Beispiel für eine betriebliche Veranlassung verwies der BFH in dem Urteil auf die versicherte Gefahr von behördlich verfügten Schließungen einer Arztpraxis. Dafür gezahlte Prämien stellen Betriebsausgaben dar, Leistungen sind Betriebseinnahmen (BFH, Urteil vom 19.05.2009, Az. VIII R 6/07, Abruf-Nr. 092616, WVV 9/2009, Seite 14).
Wichtig | Für die Einordnung des Risikos (betrieblich oder privat) ist nicht entscheidend, welche Aufwendungen im Versicherungsfall zu erstatten sind (z. B. Betriebsausgaben). Es kommt allein darauf an, ob die versicherte Gefahr durch den Betrieb veranlasst wird. Realisiert sich ein betriebliches Risiko, sind auch die finanziellen Folgen mittelbar durch den Betrieb veranlasst.
Konsequenzen für Versicherungen
Sind in einer Police sowohl betriebliche als auch private Risiken versichert und ist ein Schadensfall eingetreten, ist die Lösung einfach: Erfolgt die Zahlung aufgrund einer betrieblichen Verursachung, liegen Betriebseinnahmen vor. Andernfalls handelt es sich um einen nicht steuerbaren Zufluss.
Etwas komplizierter wird es bei der zutreffenden Behandlung der Versicherungsprämien. Glücklicherweise hat der BFH im Urteil vom 19.05.2009 (Az. VIII R 6/07) angemerkt, dass bei sowohl betrieblich als auch privat versicherten Risiken § 12 Nr. 1 EStG dem Abzug anteiliger Versicherungsprämien nicht entgegensteht. Da Versicherer Versicherungen mit unterschiedlichem Schutzumfang anbieten und die Prämienhöhen entsprechend differieren, ist es möglich, die betriebliche von der privaten Sphäre abzugrenzen (ähnlich wie bei einer gemischten Unfallversicherung).
Maßstab für den anteiligen Betriebsausgabenabzug ist das Verhältnis der Prämien mit und ohne betrieblichem Versicherungsteil. Diese Auffassung zur Aufteilung gemischt veranlasster Aufwendungen hat die Finanzverwaltung übernommen (BMF, Schreiben vom 06.07.2010, Az. IV C 3 ‒ S 2227/07/10003, Abruf-Nr. 102236).
Kürzung der Betriebsausgaben um nicht steuerbare Leistung?
Da im privat veranlassten Versicherungsfall laufende betriebliche Kosten nicht steuerbar erstattet werden, stellt sich die Frage, ob diese Kosten trotzdem weiterhin als Betriebsausgabe abziehbar sind. Die Antwort lautet „Ja“. Weder greift hier § 3c EStG noch verlieren laufende Betriebsausgaben wie Miete etc. ihren Abzugscharakter dadurch, dass für sie eine nicht steuerbare Erstattung gezahlt wird. Entsprechend hat auch der BFH im Urteil vom 19.05.2009 keinen Anlass gesehen, Betriebsausgaben zu kürzen.
Corona-Virus: So sind Versicherungsleistungen einzustufen
Der BFH ist übrigens auch auf Quarantänefälle eingegangen. So sei Quarantäne nach den im Urteilsfall zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen definiert als Maßnahme oder Verfügung der Behörde, die anlässlich einer Seuche gegen die den Betrieb verantwortlich leitende Person oder die Betriebsstätte ergehe. Ein derartig versichertes Risiko sei deshalb betrieblich veranlasst, weil in Folge einer behördlichen Maßnahme zum Schutz der Patienten der Betrieb als solcher nicht mehr aufrechterhalten werden könne.
PRAXISTIPP | Um diesem Grundsatz und dem Grundsatz, dass eine Erkrankung des Betriebsinhabers im Regelfall als privat zu klassifizieren ist, gerecht zu werden, muss bei Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus Folgendes gelten:
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Auch bei einer Betriebsschließungsversicherung dürfte die steuerliche Behandlung nach den dargestellten Grundsätzen zu beurteilen sein. Soweit Zahlungen aufgrund einer behördlich angeordneten Schließung infolge der Corona-Krise erfolgen, wird es sich um Betriebseinnahmen handeln.
Steuerliche Fehleinschätzung und ihre Folgen
Welche gravierenden steuerlichen Folgen aus einer Fehleinschätzung resultieren können, zeigt das folgende Beispiel.
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Der selbstständige Fahrschullehrer U zahlt für eine Betriebskostenversicherung jährlich 800 Euro. Versichert sind Ausfälle durch Krankheit und Unfall. Auf die Versicherung von behördlichen Schließungen hat er verzichtet. U hat im Jahr 2019 einen Radunfall erlitten, sein Betrieb musste vorübergehend für fünf Monate unterbrochen werden. Die Versicherung hat die Lohnkosten der zwei angestellten Fahrlehrer (jeweils mtl. 3.000 Euro), die Miete fürs Büro (mtl. 1.000 Euro) sowie weitere laufenden Kosten (mtl. 1.000 Euro) ersetzt. U hat so insgesamt 40.000 Euro erhalten. Der ohne Versicherungsprämie und -leistung ermittelte Gewinn für 2019 hat sich auf 60.000 Euro belaufen, das z. v. E. auf 50.000 Euro. U ist alleinstehend und gehört keiner Konfession an.
Folge: Bereits bei einem kleinen Betrieb ergibt sich ein beachtlicher Differenzbetrag von hier 17.466 Euro. |