· Fachbeitrag · Elektronischer Rechtsverkehr
(K)ein Buch mit ...: Der sichere Übermittlungsweg beim Elektronischen Rechtsverkehr
| Das BAG stellte kürzlich klar, dass ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht ist, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt. Grund genug, sich diese Entscheidung und die Übermittlungswege im elektronischen Rechtsverkehr näher anzusehen. |
1. Der Beschluss des BAG vom 5.6.20, 10 AZN 53/20
Die Parteien streiten über eine Versetzung und darüber, ob der ArbN auf seinem bisherigen oder einem gleichwertigen Arbeitsplatz zu beschäftigen ist. Das LAG änderte das teilweise stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts ab und wies die Klage insgesamt ab.
Das Berufungsurteil ist der Prozessbevollmächtigten des ArbN am 2.1.20 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 21.1.20, der als elektronisches Dokument am 22.1.20 beim BAG eingegangen ist, hat die Prozessbevollmächtigte des ArbN Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Schriftsatz ist nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen gewesen. Nach dem Transfervermerk ist der Schriftsatz aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a BRAO (beA) eingereicht worden. Ein vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (VHN) ist nicht festzustellen gewesen. Die als Anlage übersandte Abschrift des anzufechtenden Urteils genügte nicht den Anforderungen des § 130a Abs. 2 ZPO i. V. m. § 2 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24.11.17. Die ArbN-Vertreterin ist mit Schreiben des BAG vom 29.1.20 darauf hingewiesen worden, dass das eingereichte elektronische Dokument die Formvoraussetzungen nicht erfülle. Am Montag, 3.2.20, ist der Beschwerdeschriftsatz mit formgerechter Anlage erneut aus einem beA ohne VHN eingereicht worden.
Mit Schriftsatz vom 2.3.20 begründete die ArbN-Vertreterin die Nichtzulassungsbeschwerde. Der Schriftsatz, der nicht mit einer qeS versehen worden ist, ist am 2.3.20 zunächst als elektronisches Dokument aus einem beA ohne VHN beim BAG eingereicht worden. Am selben Tag ist die vollständige, von der Klägervertreterin eigenhändig unterschriebene Beschwerdebegründung erneut ‒ nun mit Telefax ‒ beim BAG eingereicht worden. Die Klägervertreterin hat in einem am 5.3.20 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag erklärt, dass die am 2.3.20 um 15:21 Uhr per beA eingegangene Beschwerdebegründung mit Anlagen maßgeblich sei. Die weiteren Versionen seien nur vorsorglich eingereicht worden und könnten als gegenstandslos betrachtet werden. Dieser Schriftsatz ist erneut nicht mit einer qeS versehen und aus einem beA ohne VHN eingereicht worden.
Mit der auf die Zulassungsgründe einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, der Divergenz und der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gestützten Beschwerde hat sich der ArbN gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LAG gewandt.
Die Entscheidung des BAG vom 5.6.20, 10 AZN 53/20, Abruf-Nr. 216477, führt aus, aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck ergebe sich, dass § 130a Abs. 3 S. 1 Alt. 2, Abs. 4 Nr. 2 ZPO einschränkend auszulegen sei. Ein elektronisches Dokument, das aus einem beA versandt werde und nicht mit einer qeS versehen sei, sei nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimme.
In systematischer Hinsicht stehe der sichere Übermittlungsweg bei einer Signatur durch die verantwortende Person gleichrangig neben der qeS. Die qualifizierte elektronische Signatur trete ihrerseits an die Stelle der eigenhändigen Unterschrift i. S. d. § 130 Nr. 6 ZPO. Neben den sonstigen Funktionen der Unterschrift solle sie auch gewährleisten, dass das elektronische Dokument nicht spurenlos manipuliert werden kann (BGH 14.5.13, VI ZB 7/13). Diese Funktionen sollten auch bei einer einfachen Signatur und einem sicheren Übermittlungsweg garantiert werden. Zum Ausdruck komme dieser Aspekt in den sonstigen bundeseinheitlichen Übermittlungswegen nach § 130a Abs. 4 Nr. 4 ZPO. Sie seien nur dann als sichere Übermittlungswege anzusehen, wenn die Authentizität und Integrität der Daten gewährleistet sei. Der Gleichrang von qeS und sicherem Übermittlungsweg bei einfacher Signatur ergebe sich auch aus der Entwurfsbegründung. Auf S. 25 heißt es dort, dass die das Dokument verantwortende Person das elektronische Dokument mit einer qeS nach dem Signaturgesetz versehen oder einen sicheren Übermittlungsweg nutzen müsse (BT-Drs. 17/12634 S. 25).
Insofern kommt das BAG zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Fehlens des VHN innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist nach § 72a Abs. 2 S. 1 ArbGG keine formwirksame Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden sei. Es sei gerade nicht von einer Übermittlung durch die Prozessbevollmächtigten des ArbN selbst auszugehen.
2. Hinweispflicht des Gerichts?
Dieses Ergebnis scheint der 10. Senat des BAG am Ende der großzügigen Bejahung der gerichtlichen Hinweispflicht bei Übermittlung der Nichtzulassungsbeschwerde in der vorgesehenen Form und der nach seiner Auffassung daraus resultierenden Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist nach § 233, § 236 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZPO wieder infrage stellen zu wollen. Insofern führt das BAG aus:
„Der hier gebotene Hinweis auf die nicht ordnungsgemäße Form wurde nicht erteilt. Erteilt wurde lediglich ein Hinweis nach § 130a Abs. 6 S. 1 ZPO an den Kläger, dass der Schriftsatz bzw. die eingereichten Anlagen nicht den technischen Anforderungen an das zulässige Dateiformat entsprechen. Dieser Hinweis war auf einen Formatfehler gerichtet. Er war etwas anderes als der gebotene Hinweis auf die nach § 72a Abs. 2 S. 1 ArbGG nicht gewahrte Schriftform. Entsprechend geht das BAG davon aus, dass die in § 130a Abs. 6 S. 2 ZPO enthaltene Eingangsfiktion nur auf Formatfehler anzuwenden ist, jedoch nicht auf die Wahrung der prozessualen Form (BAG 15.8.18, 2 AZN 269/18, Rn. 10, BAGE 163, 234). Der gebotene Hinweis unterblieb. Ein mögliches Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers war daher nicht mehr ursächlich dafür, dass er die Frist des § 72a Abs. 2 S. 1 ArbGG nicht einhielt. Der Kläger kann nach § 233, § 236 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZPO in die Beschwerdefrist wieder eingesetzt werden.“
Diese Wiedereinsetzung wirkte sich im Ergebnis aber nicht entscheidend für den ArbN und dessen Prozessbevollmächtigten aus, da ‒ wie das BAG knapp ausführte ‒ die Begründung der nachträglich wieder eingesetzten Nichtzulassungsbeschwerde ohnehin nicht den in § 72a Abs. 3 S. 2 ArbGG bestimmten Anforderungen genügte und diese damit, unabhängig von der gewählten Übermittlung, unzulässig war. Dennoch werfen die Ausführungen des BAG einige Fragen zur elektronischen Übermittlung von Klagen und sonstigen bestimmenden Schriftsätzen auf.
3. Die wichtigsten Fragen der Kanzleien an die Gerichte
Checkliste / Elektronische Übermittlung und qualifizierte elektronische Signatur |
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Weiterführender Hinweis
- Einen ausführlichen Beitrag hierzu finden Sie auch in AK 19, 78