· Fachbeitrag · Erweiterte Gewerbesteuerkürzung
Betriebsvorrichtungen: Zeitlich begrenzte Überlassung des Eigentums als schädliches Nebengeschäft
von Dipl.-Finw. (FH) StB Julian Vortkamp, LL. M., Gronau und Dipl.-Finw. (FH) Gerrit Uphues, LL. M., Köln
| Die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG hat sich zu einem ständigen Brennpunkt in der steuerlichen Gestaltungspraxis entwickelt. Der folgende praktische Fall stellt die jüngsten Rechtsentwicklungen im Rahmen dieser Vorschrift hinsichtlich der Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen dar. |
1. Sachverhalt
Die A-GmbH vermietet ab dem Jahr 01 als ihre ausschließliche Geschäftstätigkeit eine Hotelimmobilie an die B-GmbH. Das Mietobjekt ist unter Ziff. 1.3 des Vertrags wie folgt beschrieben: „Das vom Vermieter erstellte Mietobjekt Hotel wird ca. 240 Zimmer, Restaurant, Bar, Parkplätze und ca. 750 qm für Tagungs- und Konferenzräume einschließlich Foyer sowie einen Fitness-Bereich mit Sauna etc. sowie allen sonstigen Büros und Nebenräumen haben. Es wird schlüsselfertig und komplett eingerichtet ‒ wie es sich aus der Planung und Baubeschreibung gem. Ziff. 1.1 (Anlage 1 zu diesem Vertrag) ergibt ‒ an den Mieter übergeben. Ebenfalls zum Mietobjekt gehört entsprechend der Anlage 2 die Einrichtung und Ausstattung des Mietobjekts inklusive des Zubehörs.“

Der Mietzins beträgt 12.750 EUR pro Monat. Nach einigen Jahren der Vermietung wird im Jahr 04 folgende Änderungsvereinbarung getroffen:
„Der Vermieter überträgt hiermit das Eigentum an der mitvermieteten Ersteinrichtung gem. überarbeiteter Anlage 2 des Mietvertrages auf den Mieter, der diese Übertragung annimmt. Die Übertragung erfolgt im derzeitigen Zustand, wie er dem Mieter durch Besichtigung und Nutzung bekannt ist, und unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung des Vermieters. Der Mieter verpflichtet sich im Gegenzug, bei Beendigung des Mietvertrags an den Vermieter solche Einrichtungsgegenstände zurückzuübereignen, die nach Art und Umfang der Anlage 2 zum Mietvertrag entsprechen und unter Berücksichtigung des Zeitablaufs und der Nutzung einen Zustand haben, der in Art, Qualität und Umfang der Ersteinrichtung und Erstausstattung entspricht.“
Eine Reduzierung des Mietzinses findet nicht statt. Die A-GmbH macht in ihrer Gewerbesteuererklärung 01 die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG geltend.
2. Lösung
2.1 Erweiterte Grundstückskürzung gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Die A-GmbH stellt einen stehenden Gewerbebetrieb i. S. d. § 2 Abs. 1 GewStG dar. Nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG wird zur Ermittlung des GewSt-Messbetrags die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt. An Stelle dieser Kürzung wird nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten, der daraus erwirtschaftete Gewerbeertrag von der Gewerbesteuer ausgenommen (sog. erweiterte Kürzung). Unschädlich ist daneben das Verwalten und Nutzen von eigenem Kapitalvermögen, das jedoch nicht von der Kürzung des Gewerbeertrags erfasst wird.
2.2 Die Entscheidung des FG Schleswig-Holstein vom 29.9.21 ‒ 4 K 36/20
Das FG Schleswig-Holstein kam im Streitfall zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht vorliegen, da die A-GmbH auch solche Erträge erzielte, die nicht (ausschließlich) auf die Nutzung und Verwaltung von Grundbesitz im bewertungsrechtlichen Sinne zurückzuführen seien.
Als Begründung führt das FG an, dass der in § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG verwendete Begriff des Grundbesitzes ebenso wie in S. 1 dieser Bestimmung im gegenüber dem Einkommensteuerrecht engeren bewertungsrechtlichen Sinne zu verstehen sei. Dies beruhe auf dem Zweck des § 9 Nr. 1 GewStG, die Doppelbelastung von Grundbesitz mit Realsteuern ‒ Gewerbesteuer und Grundsteuer ‒ zu vermeiden. Bei Erträgen, die nicht auf die Nutzung und Verwaltung von Grundbesitz im bewertungsrechtlichen Sinne zurückzuführen sind, sei eine Doppelbelastung durch Grundsteuer und Gewerbesteuer für die A-GmbH nicht zu befürchten (vgl. BFH 20.9.07, IV R 19/05, BStBl II 10, 985). Der Umfang des Grundvermögens ergebe sich demnach aus § 68 BewG. Danach gehören zum Grundvermögen u. a. der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG) ‒ nicht aber Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind (§ 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG).
Aus dem gesetzlichen Erfordernis der Zugehörigkeit „zu einer Betriebsanlage“ ergebe sich, dass der Begriff der Betriebsvorrichtung Gegenstände voraussetzt, durch die das Gewerbe der A-GmbH unmittelbar betrieben wird. Entscheidend sei, ob die Gegenstände von ihrer Funktion her unmittelbar zur Ausübung des Gewerbes genutzt werden (vgl. BFH 28.2.13, III R 35/12, BStBl II 13, 606). Für die Abgrenzung zwischen Gebäudebestandteilen und Betriebsvorrichtungen komme es deshalb darauf an, ob die Vorrichtung im Rahmen der allgemeinen Nutzung des Gebäudes erforderlich ist oder ob sie unmittelbar der Ausübung des Gewerbes dient. Die zivilrechtliche Einordnung eines Gegenstands als wesentlicher Gebäudebestandteil schließe das Vorliegen einer Betriebsvorrichtung i. S. d. § 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG nicht aus.
Beachten Sie | Nach Auffassung des Senats ist das bis zum Jahr 03 mitvermietete und im Streitjahr 04 aufgrund einer speziellen vertraglichen Regelung für die Dauer des Mietverhältnisses übertragene Hotelinventar (auch) als Betriebsvorrichtung zu qualifizieren. Der BFH habe in einem Hotelfall bereits entschieden, dass kein Anspruch auf eine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags besteht, wenn eine grundbesitzverwaltende Gesellschaft neben einem Hotelgebäude auch Ausstattungsgegenstände wie Bierkühlanlagen, Kühlräume oder Kühlmöbel für Theken und Büffetanlagen mitvermietet (vgl. BFH 11.4.19, III R 36/15, BStBl II 19, 705). Der vorliegende Sachverhalt sei vergleichbar, da die in der Anlage 2 zum Mietvertrag aufgeführten Wirtschaftsgüter auch Betriebsvorrichtungen wie z. B. die Hotel-EDV, die Konferenztechnik, die Restaurantausstattung einschließlich Bierkühlzelle, die Bareinrichtung und die Kücheneinrichtung nebst Kühlzellen enthalten.
Darüber hinaus seien die vorgenannten Betriebsvorrichtungen auch im Rahmen eines schädlichen Nebengeschäfts i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG entgeltlich an die B-GmbH überlassen worden. Die Änderung des ursprünglichen Mietvertrags durch die hier zur Beurteilung stehende Vereinbarung aus dem Jahr 04 führe nicht zum Wegfall der gewerbesteuerlichen Schädlichkeit. Der Nachtrag beinhalte zwar eine Übertragung des Eigentums auf die B-GmbH. Diese sei jedoch nicht abschließender Natur, sondern gelte allein für die Dauer des Mietverhältnisses. Bei Beendigung des Mietverhältnisses ist die B-GmbH zur Rückübertragung des Eigentums auf die A-GmbH verpflichtet. Es handele sich daher um ein im Rahmen der schuldrechtlichen Gestaltungsfreiheit abgeschlossenes echtes Pensionsgeschäft über das Hotelinventar.
Die vorliegende Vertragskonstruktion sei hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Eckpunkte einem Miet- bzw. Pachtverhältnis sehr ähnlich ausgestaltet, da es um die zeitlich befristete Überlassung von Gegenständen geht und die Konstruktion ebenfalls als entgeltliches Nebengeschäft bezüglich der Betriebsvorrichtungen zu qualifizieren ist.
Daher kam das FG Schleswig-Holstein zu dem Ergebnis, dass zwischen der Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen und deren entgeltlicher, auf die Dauer des Rahmenmietverhältnisses begrenzter Überlassung im Wege eines Pensionsgeschäfts kein rechtserheblicher Unterschied besteht. Beide Vertragstypen seien inhaltlich auf die Überlassung von Betriebsvorrichtungen für die Dauer des Mietverhältnisses gerichtet.
PRAXISTIPP | In der steuerlichen Beratungspraxis sollten die Ausführungen des FG Schleswig-Holstein insbesondere mit Blick auf etwaige Betriebsprüfungen beachtet werden. Zur Veranschaulichung dient das folgende Beispiel unter Zugrundelegung der Vertragsgestaltungen des Urteilsfalls: Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 01 bis 04 versagt der Betriebsprüfer die Gewährung der erweiterten Kürzung aufgrund der Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen. Im Nachgang zu der Betriebsprüfung werden die ursprünglichen Mietverträge entsprechend dem obigen Urteilssachverhalt (zeitlich begrenzte Eigentumsüberlassung) angepasst, um die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung für künftige Veranlagungszeiträume zu erfüllen. Würde die Finanzverwaltung in diesem Fall für die Folgezeiträume eine weitere Betriebsprüfung (ggf. in Form einer Anschlussprüfung) durchführen, würde der Prüfer in Anlehnung an das Besprechungsurteil erneut zu dem Ergebnis kommen, dass die erweiterte Grundstückskürzung trotz der Umgestaltung der vertraglichen Grundlage weiterhin nicht zu gewähren ist. Daher ist im Einzelfall durch den steuerlichen Berater zu prüfen, wie der Sachverhalt alternativ gestaltet werden kann, um die Inanspruchnahme der erweiterten Grundstückskürzung zu ermöglichen. |
Beachten Sie | Die Finanzverwaltung hat in ihrer Begründung der Versagung der erweiterten Kürzung zudem mit der Anwendung des § 42 AO argumentiert. Ein Gestaltungsmissbrauch wurde seitens der Richter jedoch nicht weiter thematisiert. Ob dies so zu verstehen ist, dass im vorliegenden Fall gerade kein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, bleibt jedoch offen.
3. Fazit
Wie dem vorliegenden Musterfall zu entnehmen ist, bietet gerade die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen im Rahmen der erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung ein hohes Streitpotenzial. Das Finanzgericht erläutert wichtige Grundsätze für die Beurteilung von Abgrenzungsfragen im Rahmen der Anwendung der Vorschrift des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG und hat zudem die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az. IV R 24/21 anhängig.
Beachten Sie | Mit der Verabschiedung des Fondsstandortgesetzes (FoStoG) am 28.5.21 durch den Bundesrat hat der Gesetzgeber eine Erweiterung des Katalogs von begünstigungsunschädlichen Nebentätigkeiten von Grundstücksunternehmen für Zwecke der Anwendung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung mit Wirkung zum 1.7.21 geschaffen. Erreicht wird dies durch die Einführung von zwei neuen Bagatellgrenzen im Gewerbesteuergesetz. Eine dieser Bagatellgrenzen beinhaltet gemäß § 9 Nr. 1 S. 3c GewStG, dass Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes aus anderen als den in den Buchstaben a und b der Vorschrift bezeichneten Tätigkeiten unschädlich sind, wenn diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher als 5 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind. Dies schafft einen (kleinen) Freiraum für die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen und entschärft das im Rahmen der erweiterten Gewerbesteuerkürzung bekannte „Alles oder nichts“-Prinzip.
Zu den Autoren | Gerrit Uphues ist in der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst. Julian Vortkamp ist Steuerberater bei der Hartmann & Partner Steuerberatungsgesellschaft mbB, Gronau und hier im Bereich der Immobilienbesteuerung tätig.