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· Fachbeitrag · Fernabsatz/AGV/Widerrufsrecht

Mit dieser Mandantenbelehrung laufen Sie als Anwalt nicht in die Widerrufsfalle

| Auch versicherungsrechtlich tätige Anwälte sind als Reaktion auf die Covidpandemie auf breiter Front auf den Weg des Fernabsatzes eingebogen. Auf vielen Homepages ist der Hinweis zu lesen, dass Mandate auch mittels Telefon oder Mail angenommen werden. Das ist bei Mandanten, die als Verbraucher handeln, Fernabsatz ‒ sagt der BGH. VK gibt Ihnen ein Muster für die erforderliche Widerrufsbelehrung an die Hand, mit dem Sie auf der sicheren Seite sind. |

1. Für den Fernabsatz eingerichtetes Dienstleistungssystem

Der BGH wies darauf hin, dass ein Fernabsatz vermutet wird, wenn das Mandat mit Fernabsatz-Kommunikationsmitteln ohne persönlichen Kontakt im Sinne gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit angebahnt wird. Der Anwalt kann zwar widerlegen, dass die Mandatsannahme nicht innerhalb eines für den Fernabsatz eingerichteten Vertriebssystems erfolgte. Das ist aber schwerlich möglich, wenn regelmäßig Mandate auf fernkommunikativem Wege angenommen werden (BGH 19.11.20, IX ZR 133/19, Abruf-Nr. 219415).

 

MERKE | Ein auf fernkommunikativem Weg angenommenes Mandat kann vom Verbraucher widerrufen werden. Wurde er ordnungsgemäß belehrt (vgl. unten), endet die Widerrufsfrist nach 14 Tagen. Fehlt die Belehrung oder enthält sie Fehler, endet die Widerrufsfrist erst nach einem Jahr und 14 Tagen.

 

Selbstverständlich kann der Kunde das Mandat auch ohne den Fernabsatz kündigen. Doch dort ist die Hürde höher. Dann muss er nämlich die Anwaltskosten für alles bisher angefallene erstatten. Beim Widerruf wegen Fernabsatzes muss er dagegen nur Wertersatz leisten, wenn die Belehrung erstens erfolgte und zweitens den Vorgaben des Gesetzgebers entspricht. Und ganz wichtig: Er muss erklärt haben, dass der Anwalt mit der Mandatsbearbeitung sofort beginnen soll und er, der Verbraucher, weiß, dass sein Widerrufsrecht erlischt, falls das Mandat bis zum Widerruf bereits bearbeitet ist. Und: Dem Mandanten muss auch das Widerrufsformular, also nicht nur die Belehrung ausgehändigt werden.

2. Hohe Anforderung an die Belehrungen beim AGV

Sodann stellt der BGH (dieses Mal mal der I. Senat) klare Anforderungen an den Belehrungsvorgang auf (BGH 26.11.20, I ZR 169/19, Abruf-Nr. 219569). Diese gelten nicht nur für den außerhalb der Geschäftsräume geschlossenen Vertrag (AGV), sondern auch für den Fernabsatz. Dem Versicherungsrechtler ist auch der AGV nicht völlig fremd. Gängiges Beispiel: Das am Krankenbett angenommene Mandat des bei einem Unfall verletzten VN (bekanntlich ein Mandat mit hohem Unzufriedenheitsrisiko, da sind ein Jahr und 14 Tage Widerrufsfrist wegen Belehrungsfehlern brandgefährlich).

 

  • Leitsätze BGH
  • a) Der Beginn der Widerrufsfrist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen setzt nicht nur voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts informiert hat, sondern erfordert darüber hinaus, dass der Unternehmer dem Verbraucher diese Informationen gemäß Art. 246a § 4 Abs. 2 S. 1 EGBGB auf Papier oder, wenn der Verbraucher zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt hat. Zu diesen Informationen gehört auch diejenige über das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB.
  • b) § 356 Abs. 4 S. 1 BGB fordert für den Verlust des Widerrufsrechts eine Erklärung des Verbrauchers, dass er Kenntnis vom Verlust seines Widerrufsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer hat. Das Widerrufsrecht erlischt nicht, wenn der Unternehmer dem Verbraucher eine Widerrufsbelehrung bei Vertragsschluss zwar erteilt, die Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB jedoch nicht ausgehändigt hat.
  • c) Hat der Unternehmer dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB nicht ausgehändigt, steht ihm kein Anspruch gemäß § 357 Abs. 8 BGB auf Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung zu.
 

Checkliste / So setzen Sie die Vorgaben des BGH praktisch um

Beim AGV: Sie müssen immer beide Formulare übergeben. Zum einen das Belehrungsformular, aber auch das Formular, mit dem der Verbraucher den Widerruf erklären kann. Letzteres wird ja gern einmal „vergessen“.

 

Praxistipp | Wir haben die Widerrufsbelehrung bereits für Sie vorbereitet. Sie können sie unter Abruf-Nr. 47062973 herunterladen. Sie ist so gestaltet, dass der Mandant darauf den Erhalt beider Formulare quittiert und mit einer weiteren Unterschrift erklärt, die Dienstleistung solle sofort begonnen werden in Kenntnis, dass dadurch das Widerrufsrecht erlischt. Damit ist nach unserer Einschätzung den inhaltlichen Anforderungen, die der Leitsatz b Satz eins aufstellt, Genüge getan.

 

 

 

Doch das genügt nicht: Sie müssen dem Mandanten die Formulare beim AGV auch auf Papier aushändigen. Sonst muss er für Ihre Arbeit vor dem Widerruf keinen Wertersatz leisten.

 

Praxistipp | Beim AGV gestaltet sich das einfach, denn Sie sind ja bei der Mandatsannahme im persönlichen Kontakt mit dem Mandanten: Nehmen Sie das Belehrungsformular doppelt und das Widerrufsformular einfach mit. Eines der Belehrungsformulare mit den Unterschriften nehmen Sie ja zum Nachweis wieder mit. Weil der Mandant auf unserem Formularentwurf den Erhalt beider Formulare quittiert, kann er den Erhalt des Widerrufsformulars nicht einfach bestreiten.

 

 

Beim Fernabsatz-Vertrag: Im Großen und Ganzen sind die Belehrungsregeln beim Fernabsatz und beim AGV gleichlaufend. Aber hier gibt es einen feinen, aber bedeutenden Unterschied: Beim Fernabsatzvertrag müssen die Dokumente nicht in Papierform übergeben werden.

 

Praxistipp | Im Unterschied zu Art. 246a § 4 Abs. 2 S. 1 EGBGB, der für den AGV ausdrücklich die Übergabe auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger verlangt, sagt Abs. 3: h„Bei einem Fernabsatzvertrag muss der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise zur Verfügung stellen.“ Damit dürfte die Übermittlung per pdf-Datei als gängigster Weg genügen. Allerdings muss ‒ das ergibt sich aus Art. 246a § 1 Abs. 2 Ziffer 1 und S. 2 EGBGB ‒ auch das Widerrufsformular zur Verfügung gestellt werden. Anderenfalls ist der Kunde auch beim Fernabsatzvertrag nicht in der Pflicht, Wertersatz zu leisten, wenn er widerruft.

 

 

 

 
Quelle: Seite 33 | ID 47062494