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· Fachbeitrag · Handels- und Steuerrecht

Bilanzierung von geleisteten und erhaltenen Anzahlungen

von StB Dipl.-Bw. (FH) Thorsten Normann, Olsberg

| Das FG Hessen (26.2.19, 4 K 2033/17) hat sich jüngst zur Bilanzierung von Anzahlungen auf selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände geäußert. Grund genug, die Bilanzierung von geleisteten und erhaltenen Anzahlungen sowie die umsatzsteuerlichen Auswirkungen näher zu betrachten. |

1. Geleistete Anzahlungen

Geleistete Anzahlungen sind Vorleistungen im Rahmen eines schwebenden Geschäfts, die der Leistende ggf. noch zurückfordern kann (vgl. Beck’scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage, § 247, Rz. 545).

 

1.1 Ansatz und Ausweis

 

MERKE | Der Anspruch ist auch dann zu aktivieren, wenn der Gegenstand der Gegenleistung nicht aktivierungsfähig ist (BFH 25.10.94, VIII R 65/91). In diesem Fall sollte ein Ausweis unter den sonstigen Vermögensgegenständen erfolgen (Beck’scher Bilanz-Kommentar a.a.O., Rz. 545).

 

Im Gliederungsschema des § 266 HGB ist für Anzahlungen auf immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen eine separate Bilanzposition vorgesehen. Anzahlungen auf Finanzanlagen werden hingegen grundsätzlich unter der Position ausgewiesen, für die die Anzahlung geleistet wurde.

 

Beachten Sie | Bei hohen Beträgen sollte das gesetzliche Gliederungsschema jedoch freiwillig um eine zusätzliche Bilanzposition unter den Finanzanlagen erweitert werden (§ 265 Abs. 5 HGB).

 

Dient die Anzahlung der Beschaffung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen oder Waren, ist ein gesonderter Ausweis im Vorratsvermögen vorgesehen.

 

MERKE | Anzahlungen sind auch dann zu aktivieren, wenn der Abschluss des Vertrags noch bevorsteht. Sofern jedoch weder ein Vorvertrag abgeschlossen noch ein bindendes Vertragsangebot abgegeben wurde, dessen Annahme wahrscheinlich ist, liegt keine geleistete Anzahlung, sondern ein sonstiger Vermögensgegenstand im Umlaufvermögen vor (Beck‘scher Bilanz-Kommentar a.a.O., Rz. 547).

 

Beachten Sie | Aktive Rechnungsabgrenzungsposten haben ebenfalls Vorleistungscharakter. Sie werden aber immer für eine zeitraumbezogene Gegenleistung erbracht (z. B. Versicherungszahlungen für das Folgejahr).

 

Erst wenn die Leistung erbracht oder die Lieferung ausgeführt wurde, liegen beim Käufer Anschaffungskosten vor. Zu diesem Zeitpunkt werden die aktivierten, geleisteten Anzahlungen mit den Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen verrechnet.

 

  • Hinweis EÜR

Wird der Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelt, stellen die geleisteten Anzahlungen grundsätzlich unmittelbar Betriebsausgaben dar. Anzahlungen auf Anlagevermögen gehören aber zu den Anschaffungskosten des neuen Anlageguts und wirken sich somit erst über die Abschreibungen ergebnismindernd aus (Durchbrechung des reinen Abflussprinzips nach § 11 Abs. 2 EStG).

 

1.2 Umsatzsteuer

Ist der Zahlende vorsteuerabzugsberechtigt, ist die Anzahlung mit dem Nettobetrag zu aktivieren, da die Vorsteuer nicht zu den Anschaffungskosten zählt. Unter folgenden Voraussetzungen darf der Leistungsempfänger die Vorsteuer aus der geleisteten Anzahlung in seiner Umsatzsteuervoranmeldung bzw. seiner Umsatzsteuerjahreserklärung geltend machen:

 

  • Zahlung wurde geleistet (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 UStG)

 

Ist der Zahlende hingegen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, ist die geleistete Anzahlung mit dem Bruttobetrag zu aktivieren.

2. Erhaltene Anzahlungen

2.1 Ansatz und Ausweis

Im umgekehrten Fall, der Vereinnahmung von Anzahlungen, erfolgt der Ausweis entweder

  • unter „erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen“ oder
  • unter „sonstige Verbindlichkeiten“ (§ 266 Abs. 3 HGB).

 

MERKE | Aus dem Zusatz „auf Bestellungen“ kann nicht gefolgert werden, dass erhaltene Anzahlungen nur dann vorliegen, wenn der zugrunde liegende Vertrag bürgerlich-rechtlich wirksam zustande gekommen ist. Der Zusatz soll vielmehr die Verbindung der erhaltenen Anzahlungen zu den Umsatzerlösen hervorheben. So sind im Umkehrschluss erhaltene Anzahlungen im Rahmen von Anlagenverkäufen (Grundstücke etc.) unter den „sonstigen Verbindlichkeiten“ und nicht unter den „erhaltenen Anzahlungen auf Bestellungen“ auszuweisen (vgl. Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 266, Rz. 224).

 

Wurde weder ein Vorvertrag abgeschlossen noch ein bindendes Vertragsangebot abgegeben, mit dessen Annahme ernsthaft zu rechnen ist, erfolgt ebenfalls der Ausweis unter den „sonstigen Verbindlichkeiten“.

 

Gemäß § 268 Abs. 5 S. 2 HGB dürfen die erhaltenen Anzahlungen auf Vorräte offen vom Vorratsvermögen abgesetzt werden (Ausweis mit negativem Vorzeichen). Durch die offene Absetzung darf die Bilanzposition „Vorräte“ aber insgesamt nicht negativ werden. Ein direkter Bezug zwischen der erhaltenen Anzahlung und dem aktivierten Vorratsvermögen ist hierbei nicht erforderlich. So können auch erhaltene Anzahlungen offen abgesetzt werden, wenn für den Einzelsachverhalt noch keine zurechenbaren Vermögensgegenstände angeschafft oder hergestellt wurden.

 

PRAXISTIPP | Durch das Ausweiswahlrecht kann die Bilanz verkürzt werden. Dies hat positive Auswirkungen auf die Größenklassenzuordnung gemäß § 267 HGB und wichtige Bilanzkennzahlen, z. B. die Fremdkapitalquote.

 

Wenn die Lieferung oder Leistung erbracht und die Forderung aus Lieferungen und Leistungen eingebucht wurde, wird die erhaltene Anzahlung mit der Forderung verrechnet. Erhaltene Anzahlungen sind allerdings in sonstige Verbindlichkeiten umzugliedern, wenn beispielsweise wegen Leistungsstörungen mit einer Rückforderung zu rechnen ist (vgl. Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 266, Rz. 227).

 

  • Hinweis EÜR

Wird der Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, dann stellen die erhaltenen Anzahlungen unmittelbar Betriebseinnahmen dar (R 4.5 Abs. 2 S. 2 EStR).

 

2.2 Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer auf erhaltene Anzahlungen entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 4 UStG). Erfolgt die Anzahlung jedoch für Leistungen, die voraussichtlich unter eine Befreiungsvorschrift des § 4 UStG fallen (z. B. innergemeinschaftliche Lieferungen) oder die nicht steuerbar sind, muss keine Umsatzsteuer abgeführt werden. Die Umsatzsteuer auf erhaltene Anzahlungen ist ‒ wie die erhaltene Anzahlung selbst ‒ erfolgsneutral zu behandeln. Sie ist jedoch getrennt von der erhaltenen Anzahlung bis zu ihrer Abführung unter den „sonstigen Verbindlichkeiten“ zu bilanzieren.

 

Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, dann gelten die in § 14 Abs. 1 bis 4 UStG genannten Rechnungsausstellungspflichten nach § 14 Abs. 5 UStG sinngemäß.

 

Beachten Sie | Aus Rechnungen über Zahlungen vor Ausführung der Leistung muss hervorgehen, dass damit Voraus- oder Anzahlungen abgerechnet werden, beispielsweise durch Angabe des voraussichtlichen Zeitpunkts der Leistung (A 14.8. Abs. 1 S. 1 UStAE).

3. Aktuelle Rechtsprechung des FG Hessen

Das FG Hessen (26.2.19, 4 K 2033/17) musste jüngst zu geleisteten Anzahlungen bei Herstellung eines immateriellen Wirtschaftsguts entscheiden. Hier war insbesondere strittig, ob die kurz vor Ende des Jahres 2012 (Streitjahr) geleistete Zahlung für eine von der anderen Vertragspartei noch bis 2015 zu erbringende Leistung im Bereich der (unechten) Auftragsforschung sofort als Betriebsausgabe abzugsfähig war oder ob zum 31.12.12 eine Anzahlung zu aktivieren war.

 

Die folgende Übersicht zeigt die generellen Bilanzierungsvorschriften für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens:

 

Übersicht / Immaterielle Vermögensgegenstände

entgeltlich erworben
selbst geschaffen
Handelsbilanz
Steuerbilanz
Handelsbilanz
Steuerbilanz

Aktivierungsgebot

Aktivierungsgebot

grds. Aktivierungswahlrecht

Aktivierungsverbot

 

Entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände sind sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz zu aktivieren (§ 246 Abs. 1 HGB, § 5 Abs. 2 EStG).

 

Werden die immateriellen Vermögensgegenstände hingegen selbst erstellt, besteht grundsätzlich ein handelsrechtliches Aktivierungswahlrecht (§ 248 Abs. 2 S. 1 HGB). Für selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens besteht hingegen ein Ansatzverbot (§ 248 Abs. 2 S. 2 HGB).

 

Beachten Sie | Steuerlich besteht für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter ein generelles Ansatzverbot (§ 5 Abs. 2 EStG).

 

Die Übersicht zeigt, dass die Abgrenzung zwischen entgeltlich erworbenen und selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen für die Bilanzierung von entscheidender Bedeutung ist. Besonders schwierig ist die Einordnung, wenn die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten von einem Dritten ausgeführt werden. Erbringt der Dritte die Leistung im Rahmen eines Dienstvertrags, durch den er nur die Ausübung der Forschungstätigkeit, nicht jedoch den Erfolg schuldet, gilt der immaterielle Vermögensgegenstand als selbst hergestellt. Im entschiedenen Fall handelte es sich unstrittig um eine Auftragsforschung und somit um Herstellungskosten.

 

Zudem stellte das FG Hessen Folgendes heraus: Eigene Vorleistungen im Rahmen eines schwebenden Geschäfts auf eine von der anderen Vertragspartei noch zu erbringende Sach- oder Dienstleistung sind als geleistete Anzahlungen zu aktivieren. Eine Zahlung, die der Zahlungsempfänger (noch) nicht behalten darf, sondern die bei Nichterfüllung ganz oder teilweise zurückgefordert werden kann, hat in Höhe der möglichen Rückforderung darlehensähnlichen Charakter und ist als darlehensähnlicher Rückforderungsanspruch zu aktivieren.

Quelle: Seite 151 | ID 46299722