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· Fachbeitrag · Hausratversicherung

So berechnet sich der Neuwert einer entwendeten Rolex-Uhr ohne Echtheitszertifikat

von RiOLG a. D. und RA Dr. Dirk Halbach, Köln

| Steht die Echtheit einer entwendeten Rolex-Uhr fest, ist für die Berechnung ihres Werts in der Neuwertversicherung kein Abschlag vorzunehmen, wenn weder Echtheitszertifikat noch Originalverpackung vorliegen. Beides sind keine wertbildenden Faktoren für die Feststellung des Neuwerts einer solchen Uhr. So entschied das OLG Düsseldorf.|

 

Sachverhalt

Der VN macht aus einer Hausratversicherung, der die VHB zugrunde liegen, restliche Ansprüche wegen eines Einbruchdiebstahls geltend.

 

Im Mai 2014 drang ein Dieb durch ein Wohnzimmerfenster in die Hochparterre-Wohnung des VN zur Straße ein. Er entwendete Bargeld und verschiedene Gegenstände. Der VN zeigte den Diebstahl dem VR an und erstattete Anzeige bei der Polizei. Später übersandte der VN sowohl der Polizei als auch dem VR eine Stehlgutliste. Im Nachgang des Gesprächs mit dem Schadensregulierer des VR ergänzte der VN seine Angaben und übersandte eine Bescheinigung des Uhrmachers H. P. von Juli 2014 sowie im August 2014 eine Rechnung für die Ersatzanschaffung der gestohlenen Rolex-Uhr, Modell Daytona Stahl, weiß, seiner Ehefrau. Der VR leistete eine Vorauszahlung in Höhe von 10.000 EUR.

 

Der VN behauptet einen Schaden von 21.769,68 EUR (u. a. Verlust einer Rolex-Uhr und eines Eherings). Er habe daher nun ‒ abzüglich der Vorauszahlung ‒ noch 11.769,68 EUR zu erhalten. Die Rolex-Uhr habe er 2002/3 über einen Bekannten gekauft. Das LG hat den VR nach Beweisaufnahme verurteilt, 8.943, 75 EUR zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des VN hatte vor dem OLG Düsseldorf zum großen Teil Erfolg. Die Anschlussberufung des VR war nur zu einem geringen Teil erfolgreich (13.7.18, 4 U 141/17, Abruf-Nr. 208826).

 

Das LG ist nach Ansicht des OLG von einem unzutreffenden Gesamtschaden ausgegangen. Es errechnet sich ein Gesamtschadensbetrag in Höhe von 21.768,58 Euro.

 

Wegen des Nichtvorliegens eines Echtheitszertifikats und der Originalverpackung der Rolex-Uhr ist kein Abschlag vorzunehmen. Ersetzt wird gemäß § 27 Nr. 1 lit. a) VHB 2000 bei abhandengekommenen Sachen der Versicherungswert im Sinne von § 12 VHB 2000 zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls. Gemäß § 12 Nr. 4 S. 1 VHB 2000 ist der Versicherungswert der Wiederbeschaffungswert von Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand (Neuwert).

 

Entscheidend ist damit der Einkaufspreis des VN zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls ‒ hier also der vom VN gezahlte Betrag in Höhe von 9.650 EUR. Dabei ist unerheblich, dass der VN hinsichtlich der abhandengekommenen Rolex-Uhr über kein Echtheitszertifikat und keine Originalverpackung verfügte, da der Zustand der versicherten Sache für die Neuwertversicherung keine Rolle spielt. Das Vorhandensein eines Echtheitszertifikats ist nur für den Wert einer gebrauchten Uhr erheblich, nicht aber für die Feststellung des Neuwerts einer Uhr, deren Echtheit ‒ wie hier ‒ feststeht.

 

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem eingeholten Sachverständigengutachten. Vielmehr gibt der Sachverständige an, dass alle neuen Uhren des Unternehmens Rolex ausschließlich mit einer Uhren-Box und zugehörigen Papieren (Echtheitszertifikaten) geliefert und entsprechend verkauft werden. Das Fehlen von Originalverpackung und Echtheitszertifikat hat nur für den Sekundärmarkt eine Bedeutung. Dass die dem VN abhandengekommene Uhr auf dem Sekundärmarkt einen geringeren Wert hatte, ist für die Neuwertversicherung indes unerheblich. Es ist nämlich nicht der Zeitwert, sondern der Neuwert zu ersetzen. Dass der dem VN durch das Abhandenkommen entstandene Schaden geringer ist als die vom VR zu leistende Entschädigung, ist der Neuwertversicherung immanent und Teil des Leistungsversprechens des VR. Es macht daher keinen Unterschied, ob der versicherte Gegenstand beispielsweise durch Abnutzung oder Beschädigungen einen geringeren Zeitwert hat, oder durch die Abwesenheit anderer, für einen Weiterverkauf erheblichen, wertbildenden Faktoren.

 

Der VR ist dem Grunde nach einstandspflichtig. Der Senat kann zumindest ein Einsteigen im Sinne von § 5 Nr. 1 lit. a) VHB 2000 feststellen. Hinsichtlich des Abhandenkommens der Rolex-Uhr bestehen keine Bedenken dahingehend, dass die Rolex-Uhr zeitnah unmittelbar vor dem Diebstahl vorhanden war. Der VR beruft sich lediglich auf Umstände, die letztlich nur für die Frage der Echtheit der Rolex-Uhr von Relevanz sind, aber nicht die Zeugenaussage in Frage stellen. Dass der VN bzw. seine Ehefrau den konkreten Gegenstand im Besitz hatte, wird durch das Fehlen der von dem VR angeführten Unterlagen nicht in Zweifel gezogen.

 

Der Senat hat im Ergebnis auch keine Bedenken hinsichtlich der Echtheit der Rolex-Uhr. Das LG hat sich maßgeblich auf die Aussage des Uhrmachers gestützt. Dessen Glaubwürdigkeit wird in dieser Sache auch nicht durch den Umstand in Zweifel gezogen, dass er neben seiner Hauptbeschäftigung bei seinem Arbeitgeber noch Nebentätigkeiten nachgeht. Die Kaufhistorie der gestohlenen Uhr ist sicherlich schillernder, als wenn sie direkt bei einem offiziellen Händler gekauft worden wäre. Allerdings handelte es sich bei dem Verkäufer nicht um „irgendeinen“ Autovermieter auf Mallorca, sondern um den sogenannten „König von Mallorca“ der, trotz seiner bewegten Vergangenheit angesichts seiner vielfältigen Geschäftsverbindungen und Kontakte ohne Weiteres über Möglichkeiten verfügte, Rolex-Uhren zu beschaffen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass eine derartige Person ‒ gerade wenn sie mehr oder weniger im Rampenlicht steht und über vielfältige finanzielle Möglichkeiten verfügt ‒ mit gefälschten Uhren handelt und diese dann auch noch seinem Rechtsanwalt verkauft.

 

Eine Bestätigung durch einen Fachmann über die eigenhändige Reparatur ist ausreichend ‒ auch um den VN nicht schutzlos zu lassen, der sich auf eine entsprechende Aussage eines Experten verlassen können muss. Die Anforderungen an das Beweismaß würden übersteigert, würde in einem solchen Fall wie hier, in dem ein fachkundiger Zeuge zweifelsfrei die Echtheit des Gegenstands bestätigt hat, zusätzlich gefordert werden, die Echtheit gestohlenen Schmucks und gestohlener Wertsachen nachträglich, nach Abhandenkommen, in allen Einzelheiten völlig zweifelsfrei nachzuweisen. Dann würde der Versicherungsschutz in vielen Fällen leerlaufen, sobald der VR den Einwand erhebt, gestohlener Schmuck sei gefälscht. Letztlich liefe dies darauf hinaus, dass ein VR nur dann Versicherungsschutz gewähren würde, wenn ein Echtheitszertifikat des Herstellers vorgelegt werden kann (bei einem gleichzeitigen Diebstahl des Echtheitszertifikats könnte er einwenden, dieses sei gefälscht worden). Wenn ein VR seinen Versicherungsschutz derart eng verstehen möchte, müsste er dies in seinen AVB vereinbaren.

 

Eine Obliegenheitsverletzung wegen einer angeblich nicht unverzüglich eingereichten Stehlgutliste führt bereits deshalb nicht zu einer Anspruchskürzung gemäß § 28 Abs. 2 VVG, weil ein entsprechender Hinweis gemäß § 28 Abs. 4 VVG unterblieben ist. Kein Schreiben des VR enthält eine Belehrung über die Rechtsfolgen des § 28 Abs. 2 VVG.

 

Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 82 Abs. 3 VVG zu kürzen. Denn hier ist es dem VR gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die fehlende Unverzüglichkeit zu berufen. Er hat den VN mit keinem Wort auf dieses Erfordernis der Unverzüglichkeit hingewiesen. Vielmehr wird in dem Schreiben des VR durch den Eingangssatz „Um Ihren Schadenfall schnell bearbeiten zu können, möchten wir Sie um Folgendes bitten“ und den Abschlusssatz „Sobald uns die Unterlagen/Angaben vollständig vorliegen, kümmern wir uns umgehend um die weitere Bearbeitung“, der Eindruck vermittelt, als ob eine schnelle Erfüllung der Bitten des VR allein diesem Zweck dient und eine verzögerte Erfüllung lediglich zu einer verzögerten Deckungsentscheidung des VR führt.

 

Eine Anspruchskürzung gemäß § 81 Abs. 2 VVG kommt ebenfalls nicht in Betracht, selbst wenn das Wohnzimmerfenster in der Nacht auf Kipp stand. Der VN war in der Wohnung anwesend, ein Hund war vor Ort, der Eindringling hat sich offensichtlich eines Hilfsmittels bedient um hochzusteigen. Er musste eine jedenfalls nicht unerhebliche Höhe überwinden. Ferner war die Straße unstreitig vielbefahren und gut beleuchtet. Dabei ist auch unschädlich, dass die als Hilfsmittel dienende Gartenbank direkt vor Ort stand. Entsprechende Gegebenheiten sind nichts Besonderes und Teil des vom VR versicherten allgemeinen Lebensrisikos.

 

Die Anschlussberufung des VR hat nur im Hinblick auf die in der ersten Instanz noch unstreitigen Kosten hinsichtlich der Schlüsselrechnung Erfolg. Die abgerechneten Kosten sind als gemäß § 8 Nr. 1 lit. e) VHB 2008 bzw. § 2 Nr. 1 lit. e) VHB 2000 versicherte Schlüsseländerungskosten allerdings nur teilweise zu erstatten. Unstreitig wurde der Generalschlüssel des VN entwendet. Damit ist der Einbau eines neuen Schlosses in der Wohnung zu erstatten. Die Kosten für weitere Schlösser sind indes nicht zu ersetzen, da nur die Kosten anteilig erstattet werden, die auf die versicherte Wohnung entfallen, wenn Schlüssel für eine zentrale Schließanlage gestohlen werden. Dies ist angesichts des Klauselwortlauts zwingend, da lediglich Kosten für Schlossänderungen der „Wohnung“ versichert sind. Dementsprechend sind auch nicht die Kosten für den Austausch des Schlosses der Haustür zu ersetzen. Der Senat geht daher von einem Mindestbetrag für einen Profil-Doppelzylinder inkl. drei Schlüssel aus. Angesichts des senatsbekannt geringen handwerklichen Aufwands, einen Profil-Doppelzylinder auszutauschen und dem Umstand, dass auf der Schlüsselrechnung für den Austausch der kompletten Schließanlage ein Pauschalpreis von 320 EUR netto aufgeführt ist, sind darüber hinaus besondere Einbaukosten nicht zu erstatten. Der von dem VR geschuldete Betrag errechnet sich damit auf den Restbetrag von 9.667,23 €.

 

Relevanz für die Praxis

Das Gericht hat sich der Hilfe eines Sachverständigen bedient, der über umfassende Kenntnisse des Uhrenmarkts und seine wertbildenden Kriterien verfügt. Zu Recht ist danach im Rahmen der Neuwertversicherung bei Fehlen eines Echtheitszertifikats oder einer Originalverpackung kein Abschlag vorzunehmen, wenn es sich um ein Original handelt. Außerdem kann die Bestätigung des Herstellers ebenso verlässlich sein wie ein Echtheitszertifikat. Dieses spielt im Übrigen nur für den Wert einer gebrauchten Uhr im Markt eine Rolle, nicht aber für die Feststellung des Neuwerts, wenn die Echtheit feststeht (OLG Köln VK 07, 95).

 

 

Durch seine Schreiben hatte der VR bei dem VN den Eindruck erweckt, dass es ihm allein darauf ankäme, eine zügige Bearbeitung zu gewährleisteten. Dann ist aber der VR aufgrund seiner überlegenen Sachkenntnis nach Treu und Glauben verpflichtet, den VN bei rechtzeitiger Anzeige des Versicherungsfalls über die Obliegenheit und die Rechtsfolgen ihrer Verletzung jedenfalls dann zu belehren, wenn er vom VN nähere Angaben zum Fall und eine Liste zur Angabe der abhanden gekommenen Sachen anfordert, BGH VK 08, 193.

 

Weiterführender Hinweis

  • Wirksame Entschädigungsgrenzen für goldene Armbanduhren als „Sachen aus Gold“ (zu § 19 Ziffer 3 c VHB 97), OLG Frankfurt a. M. VK 18, 9
Quelle: Seite 100 | ID 45913142