· Fachbeitrag · Honorargestaltung
Bauzeitverlängerung: Honorar für Mehraufwand in der Lph 8 richtig kalkulieren und abrechnen
| Gründe für Bauverzögerungen gibt es reichlich. Sie alle haben eines gemein: Sie wirken sich entscheidend auf Ihren Ertrag aus, bringen Projekte ins Minus. Wappnen Sie sich für solche Ereignisse schon in der Vertragsanbahnung und -gestaltung. Die aktuelle Rechtsprechung lehrt, dass Sie für unvorhergesehenen Mehraufwand in der Lph 8 nur dann ein Zusatzhonorar durchsetzen können, wenn Sie das im Vertrag entsprechend geregelt haben. PBP stellt Ihnen eine faire Klausel vor, die das für alle Beteiligten nachvollziehbar abbildet. |
Warum derzeit so viele Projekte verzögert werden
Sie wissen es: Auf dem Bau passiert immer etwas, das man nicht vorhersehen kann. In der Vergangenheit ließ sich das in der Regel aber immer so abfedern, dass Termine eingehalten werden konnten. Das hat sich geändert. Verzögerungen sind an der Tagesordnung. Sie haben viele Ursachen, z. B.:
- Der Auftraggeber trifft Entscheidungen nicht rechtzeitig und vernachlässigt seine Mitwirkungspflichten.
- Der Auftraggeber trifft im Projekt (zu) viele Änderungsanordnungen, die sich letztlich auch auf die Termine auswirken.
- Komplizierte Vergaberechtsregelungen führen dazu, dass Ausschreibungen wiederholt werden müssen und sich die Bauausführung verzögert.
- Ausführende Unternehmen kommen im Bauboom mit der Arbeit nicht mehr hinterher.
So wappnen Sie sich im Vertrag für Verzögerungen
Wenn Sie verzögerungsbedingten Mehraufwand honoriert haben wollen, ist die HOAI „die falsche Adresse“. Sie regelt dazu nichts. PBP empfiehlt deshalb, die Frage proaktiv in der Vertragsanbahnung anzusprechen und eine vertragliche Klausel zu vereinbaren, die „im Fall der Fälle“ greift. Diese Vertragsklausel sollte
- die terminlichen Voraussetzungen regeln, ab wann Sie Anspruch auf ein Verzögerungshonorar haben,
- die kalkulatorischen Bemessungsgrundlagen umfassen, wie sich das Verzögerungshonorar berechnet und
- eine Obergrenze für das Verzögerungshonorar enthalten, die z. B. Langzeitverzögerungen verhältnisgerecht darstellen.
Wichtig | Eine Vertragsregelung ist auch deshalb erforderlich, weil die Rechtsprechung streng ist. So hat das OLG Celle im Einvernehmen mit dem BGH erst jüngst ein Zeithonorar für Verzögerungszeiträume abgelehnt (OLG Celle, Urteil vom 11.02.2016, Az. 5 U 29/14, Abruf-Nr. 208496; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 11.10.2018, Az. VII ZR 48/16).
Musterklausel mit Erläuterungen
Nachfolgend finden Sie einen entsprechenden Vorschlag für ein Verzögerungshonorar für die Lph 8 in den Leistungsbildern Objektplanung Gebäude, Innenräume, Freianlagen und Technische Ausrüstung. Es ist unterstellt, das im Vertrag die Grundleistungen vereinbart sind.
Wichtig | Das Muster können Sie auf alle anderen Leistungsbilder ebenfalls anwenden. Beim Leistungsbild Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen müssen Sie nur beachten, dass die örtliche Bauüberwachung keine Grundleistung ist. Hier müssen Sie eine besondere Vorgehensweise vereinbaren. Ähnliches gilt für die Tragwerksplanung, bei der in Lph 8 keine Grundleistungen anfallen. Hier ist im Vertrag ohnehin am besten eine zeitbezogene Vergütung zu vereinbaren. Daher werden die Leistungen der Tragwerksplanung von den nachstehenden Ausführungen im Regelfall nicht betroffen.
Vertragsklausel / Zusatzhonorar für Ausführungsverzögerung in Lph 8 | |||
§ 10 Termine 10.1 Für die vereinbarten Leistungen sind folgende Termine vereinbart […] bitte ausfüllen:
10.2 Die Planungszeit (bis zum Abschluss der Lph 3) beträgt somit … Wochen/Monate. Die Bauzeit (gemäß Nr. 5 bis 6) bis zur Fertigstellung des Gebäudes beträgt … Wochen/Monate.
§ 11 Vergütung bei vom Planer unverschuldeten Verzögerung der Bauüberwachung (Lph 8)
Verzögert sich die Bauüberwachung bis zur Übergabe / bestimmungsgemäße Inbetriebnahme um mehr als … Monate treffen die Beteiligten eine verhältnisgerechte Honorarvereinbarung, die die kalkulatorischen Besonderheiten einer außergewöhnlich langen Verzögerung würdigt. Die Verzögerung bis … Monate einschl. Karenzzeit wird nach der oben beschriebenen Methode ermittelt.
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Allgemeine Hinweise zur Klausel
Überall da, wo in der Vertragsklausel Klammern und ... stehen, müssen Sie die Klausel durch Eintragungen vervollständigen. Dass die Klausel die §§ 10 und 11 (Ihres Planungs- und Bauüberwachungsvertrags) trägt, ist beispielhaft. Sie kann auch woanders im Vertrag platziert sein.
Ohne Terminregelung kein Zusatzhonorar
Wichtig ist der Grundsatz: Ohne Terminvereinbarung kann es denklogisch keine Verzögerung geben. In die Klausel müssen Sie deshalb eine Terminvereinbarung aufnehmen. Anspruch auf das Zusatzhonorar haben Sie natürlich nur, wenn Sie an der Verzögerung keine Schuld trifft. Zusätzlich müssen Sie in der Klausel auch angeben, wie sich das Honorar ermittelt. Dazu unten mehr.
Kalkulatorische Hinweise zum Abminderungsfaktor in § 11.1
In der Klausel ist ein Abminderungsfaktor von 0,75 aufgeführt. Dieser Faktor würdigt, dass im Leistungsbild Gebäude ca. 75 Prozent der Grundleistungen der Lph 8 von der Verzögerung betroffen sind, während 25 Prozent der Grundleistungen der Lph 8 von der Verzögerung nur mittelbar betroffen sind.
Diese 25 Prozent werden nur zeitverschoben erbracht. Die Verschiebung wird bei Ihnen allenfalls dann Mehrkosten verursachen, wenn sich zwischenzeitlich Lohnerhöhungen ergeben oder Sie einen erheblichen Wiedereinarbeitungsaufwand haben.
Wichtig | Bei der Technischen Ausrüstung ist der Anteil der Teilleistungen, die nur gestreckt werden, deutlich höher. Hier müssen Sie also in Ihre Honorarermittlung einen höheren Abminderungsfaktor einstellen (z. B. 60 Prozent). Der Unterschied ist darin begründet, dass hier andere Grundleistungen und andere Gewichtungen vorliegen.
PRAXISTIPP | Wie Sie den Abminderungsfaktor konkret ermitteln, erfahren Sie weiter unten. |
Kalkulatorische Hinweise zum Verzögerungszeitraum in § 11.1
In der Klausel ist eine Karenzzeit von ... Monaten angegeben. Ihr Anspruch auf Verzögerungshonorar beginnt also erst, wenn sich das Projekt um mehr als die Karenzzeit verschiebt. Als angemessene Karenzzeit, die Sie hinnehmen müssen, haben sich in der Praxis sechs Monate durchgesetzt.
PRAXISTIPP | Die Regelung zur Karenzzeit soll auch (im Interesse einer beiderseits ausgewogenen Vertragsgestaltung) dafür sorgen, dass Sie nicht bereits bei kleineren Verzögerungszeiträumen von dem Zusatzhonorar profitieren. Denn das würde Ihre Motivation, die Bauüberwachung straff zu organisieren, aufheben und insoweit kontraproduktiv wirken. Anders sieht es bei kleineren Baumaßnahmen aus. Dort können Sie die Karenzzeit reduzieren, z. B. von sechs Monate auf drei Monate. In dem Fall müssen Sie die Klausel beim Vertragsabschluss entsprechend anpassen. |
Kalkulatorische Hinweise zu Regelung in § 11.2
Die Regelung in § 11.2 ist deswegen eingefügt, um Ihren Zusatzaufwand bei größeren Verzögerungszeiträumen abzufedern (z. B. die schon erwähnten höheren Löhne). Dieser Faktor ähnelt dem Faktor, der nach § 8 Abs. 2 HOAI vereinbart werden kann.
Berechnungsbeispiele zeigen die Honorarauswirkungen
Damit Sie sehen, wie sich das Verzögerungshonorar berechnet und welche Beträge im Raum stehen, hat PBP nachfolgend vier Fälle durchgerechnet.

PRAXISTIPP | Damit können Sie schon bei Vertragsabschluss kalkulieren und vereinbaren, bei welcher Honorarhöhe, welcher Karenzzeit und welchem Bauüberwachungshonorar welche Verzögerungszeiträume welche Zusatzhonorare auslösen. Beachten Sie aber, dass für die Leistungsbilder Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen der Anteil der örtlichen Bauüberwachung (Besondere Leistung) hier nicht eingerechnet ist. Für diese Honoraranteile können Sie objektbezogene Regelungen treffen. Diese können sich auf die gleichen kalkulatorischen Grundlagen beziehen wie hier bei den Grundleistungen. |
So ermitteln Sie den Verzögerungsfaktor konkret
Oben wurde schon erwähnt, dass der Verzögerungsfaktor berücksichtigt, dass Sie bestimmte Leistungen nur zeitversetzt erbringen und Ihnen dafür kein Mehraufwand entsteht, der über ein Zusatzhonorar abgegolten werden müsste. Um den Verzögerungsfaktor zu ermitteln, empfiehlt PBP auf die Einzelbewertungstabellen (Siemon-Tabellen) zurückzugreifen. Die beiden folgenden Tabellen zeigen das beispielhaft für die Leistungsbilder Gebäude und Technische Ausrüstung.
In der Spalte „Bewertung“ lesen Sie, wieviel Prozent die jeweilige Teilleistung an der gesamten Lph 8 ausmacht. Die Spalte „verzögert“ gibt wider, welche Teilleistung wie von der Verzögerung betroffen ist. Punktuell zu erbringende Leistungen, die nicht unmittelbar von der Verzögerung betroffen sind, werden in den Verzögerungsfaktor nicht eingepreist (= kein Wert in Spalte „Verzögert“). Diese Tätigkeiten werden nur zeitversetzt erbracht.
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Lph 8 | Bewertung | Verzögert |
| 18,00 % | 18,00 % |
| 0,10 % | 0,10 % |
| 1,50 % | 1,50 % |
| 1,60 % | 1,60 % |
| 0,75 % | 0,75 % |
| 1,00 % |
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| 3,75 % |
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| 0,25 % | 0,25 % |
| 0,85 % | 0,85 % |
| 1,00 % |
|
| 1,50 % |
|
| 0,10 % |
|
| 0,25 % |
|
| 0,25 % |
|
| 0,10 % |
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| 1,00 % | 1,00 % |
Anteil verzögerte Grundleistungen: 24,05 % von 32,00 % = 75,16 % | 32,00 % | 24,05 % |
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Lph 8 | Bewertung | Verzögert |
| 17,50 % | 17,50 % |
| 0,30 % | 0,30 % |
| 0,65 % | 0,65 % |
| 0,50 % | 0,50 % |
| 0,10 % |
|
| 2,25 % |
|
| 6,50 % |
|
| 0,85 % | 0,85 % |
| 0,80 % |
|
| 0,50 % |
|
| 2,50 % |
|
| 0,10 % |
|
| 0,75 % |
|
| 0,10 % |
|
| 1,50 % | 1,50 % |
| 0,10 % |
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Anteil verzögerte Grundleistungen: 21,30 % von 35,00 % = 60,86 % | 35,00 % | 21,30 % |
Bei Großprojekten müssen Sie nochmal anders kalkulieren
Bei Großprojekten sind die Folgen von umfangreichen Verzögerungen noch viel schwerer zu verkraften. Da kommt auch noch hinzu, dass Sie selbst bei nur punktuell verschobenen Leistungen einen hohen Wiedereinarbeitungsaufwand haben. Den müssen Sie im Verzögerungshonorar irgendwie abbilden, um honorartechnisch nicht unter die Räder zu kommen. Das gewährleistet Ziff. 11.2. der obigen Vertragsklausel.
PRAXISTIPP | PBP empfiehlt hier, dass Sie für Teilleistungen, die sich lediglich punktuell verschieben, eine Pauschale als besonderen Verzögerungszuschlag vereinbaren. Diese deckt dann (in sinngemäßer Anlehnung an § 8 Abs. 2 HOAI) Ihren Wiedereinarbeitungsaufwand ab. Der Blick in die Praxis lehrt, dass eine Pauschale von ca. zwei Prozent der ermittelten Honorare für die punktuelle Verschiebung als aufwandsgerecht angesehen wird. |

Das Beispiel zeigt, dass 61 Prozent der Grundleistungen vom „klassischen“ Verzögerungshonorar umfasst sind. Im Umkehrschluss werden 39 Prozent der Grundleistungen nur zeitversetzt erbracht. Für diese 39 Prozent entsteht Ihnen bei großen Projekten aber ein hoher Wiedereinarbeitungsaufwand. Den sollten Sie in sinngemäßer Anwendung des § 8 Abs. 2 HOAI in Höhe von zwei Prozent des Honorars ansetzen, das von der punktuellen Verschiebung betroffen ist. Im konkreten Fall würde Ihnen dieser Aufwand also mit 5.070 Euro abgegolten. Das Beispiel können Sie auf die anderen Leistungsbilder übertragen.
FAZIT | Die beschriebenen Kalkulationsmodelle und zugehörigen Vertragsvereinbarungen bieten Ihnen und Ihrem Auftraggeber die Möglichkeit, einzelfallbezogene Objektbedingungen optimal zu berücksichtigen. Sie können die Länge der Karenzzeit bei jedem Projekt anders vereinbaren. Sie können das Verzögerungshonorar nach oben begrenzen, wenn es sonst unverhältnismäßig wäre (z. B. bei extrem kurzer Bauzeit mit extrem langen Verzögerungszeitraum). Und Sie könnten vertraglich auch vereinbaren, die Bauüberwachung vor Ort besonders intensiv zu gestalten. All diese Dinge müssen Sie bei der Vertragsanbahnung besprechen und im Vertrag niederlegen. Wichtig ist, dass Sie mit Ihrem Vertragspartner bei Projektbeginn diesbezüglich Einvernehmen erzielen. Ohne vertragliche Regelung können Sie die dargestellten Berechnungsbeispiele nicht anwenden. Dann bliebe Ihnen allenfalls ein Anspruch gemäß § 642 BGB und evtl. sogar der Ausstieg aus dem Vertrag gemäß § 643 BGB. Ein verzögerungsbedingtes Zusatzhonorar können Sie übrigens nicht nur für die Lph 8, sondern auch für die frühen Lph (z. B. Lph 1 bis 5) vereinbaren. Mehr dazu in einer der nächsten Ausgaben von PBP. |
Weiterführende Hinweise
- Die Vertragsklausel „Zusatzhonorar für Ausführungsverzögerung in Lph 8“ finden Sie als word-Dokument auf pbp.iww.de unter „Downloads“ → Abruf-Nr. 45884254
- Die „Siemon-Tabellen mit Verzögerungsfaktor“ finden Sie auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 45871313
- Beitrag „BGH erschwert Herleitung von Ansprüchen wegen Terminverzögerungen: So gehen Sie vor“, PBP 10/2018, Seite 8 → Abruf-Nr. 45498729