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· Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften

Das Holdingmodell ‒ Teil 2: Gestaltungsoptionen bei Minderheitsbeteiligung

von StB Jan Böttcher, LL.M., Nürnberg

| In der Praxis erlebt die vermögensverwaltende GmbH aktuell eine Renaissance. In der letzten Ausgabe hatten wir bereits dargestellt, wie sich mit dem „Holdingmodell“ und der Ausnutzung des Konzernprivilegs hier zusätzliche Gestaltungsoptionen nutzen lassen, wenn sichergestellt ist, dass die übernehmende Gesellschaft mit der Einbringung unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft erlangt. Doch auch bei Minderheitsbeteiligungen lässt sich das gewünschte steuerliche Ergebnis erreichen. Als Ausweg kommen hier Instrumente wie die Einschaltung einer Zwischenholding, ein Tausch der Stimmrechte oder auch das „Huckepack-Modell“ in Betracht. |

1. Praxisproblem: Mangelnde Beherrschung

Wie bereits in Teil I dargestellt kann eine GmbH-Holdingstruktur bei einer schon bestehenden operativen Gesellschaft im Wege des qualifizierten Anteilstauschs nur dann steuerneutral etabliert werden, wenn die Holding im Zeitpunkt der Einbringung die Mehrheit der Stimmrechte erhält. Dieses Tatbestandserfordernis ist regelmäßig gegeben, wenn entweder alle oder zumindest die Mehrheit der Geschäftsanteile an der operativen GmbH in einer Hand gebündelt sind. Doch das ist längst nicht immer der Fall:

 

  • Ausgangsfall

Bei der X-GmbH sind sowohl A als auch B (jeweils natürliche Personen) zu je 50 % am Nennkapital der Gesellschaft beteiligt, die Stimmrechte der Gesellschafterversammlung sind an das Quorum der Geschäftsanteile gebunden. Die Anschaffungskosten der Beteiligung belaufen sich bei A wie auch bei B auf die geleistete Stammeinlage von 25.000 EUR, der Bestand des steuerlichen Einlagekontos der X-GmbH i. S. d. § 27 KStG beträgt 0 EUR; die stillen Reserven in den Geschäftsanteilen belaufen sich auf ca. 1 Mio. EUR. Die X-GmbH verfügt über kein Grundvermögen i. S. d. § 2 GrEStG.

 

 

 

Sowohl A als auch B beabsichtigen, die Geschäftsanteile an der X-GmbH in eine jeweilige (inländische) Holding-GmbH einzubringen, um diese zukünftig als Investitionsvehikel und Familiengesellschaft auszubauen.

 

Ohne gestalterische Maßnahmen ist die Trennung der Gesellschafterstämme über eine individuelle Holdingkonstruktion nicht im Wege eines qualifizierten Anteilstauschs möglich. Sowohl A als auch B verfügen nicht über die notwendige Mehrheit der Stimmrechte i. S. d. § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG. Die Errichtung der jeweiligen Holdingstruktur im Wege der Einbringung der dem A und dem B jeweils zustehenden Geschäftsanteile an der X-GmbH wäre daher entweder als „einfacher“ Anteilstausch i. S. d. § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG oder als verdeckte Einlage der Geschäftsanteile gem. § 17 Abs. 1 S. 2 EStG i. V. m. § 8 Abs. 3 S. 3 KStG zu qualifizieren (siehe hierzu Teil 1). Beide Alternativen würden zu einer Aufdeckung der stillen Reserven von 1 Mio. EUR führen.

2. Gestaltung über eine Zwischenholding

Um die gewünschte Gesellschaftsstruktur ohne Aufdeckung der stillen Reserven zu erreichen, wird in der Praxis oft der Weg über eine vorgeschaltete Zwischenholding gewählt. In dieser Variante gründet zunächst jeder der Gesellschafter „seine“ zukünftige Holding-GmbH durch Bargründung. Diese Holdinggesellschaften errichten dann gemeinsam die Zwischenholding-GmbH, die im nächsten Schritt als übernehmende Gesellschaft im Rahmen eines qualifizierten Anteilstauschs i. S. d. § 21 Abs. 1 UmwStG fungiert.

 

 

2.1 Umsetzung des Modells

Zutreffend ist zunächst, dass die Struktur unter Inanspruchnahme der Begünstigung des § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG steuerneutral unter Fortführung der Anschaffungskosten der Beteiligung errichtet werden kann. Die Person des Einbringenden ist in § 21 UmwStG zwar nicht näher bestimmt, jedoch müssen die eingebrachten Anteile dem Einbringenden vor der Einbringung steuerlich zuzurechnen sein. Dabei ist das wirtschaftliche Eigentum nach § 39 Abs. 2 AO maßgeblich (vgl. BMF 11.11.11, BStBl I 11, 1314 ‒ UmwStE ‒ Tz. 21.06).

 

Als Einbringende kommen somit nur die Gesellschafter A und B in Betracht ‒ nicht die vorab errichteten Holdinggesellschaften. Mithin müssen auch diesen als Gegenleistung ‒ quasi an der jeweiligen Holding-GmbH vorbei ‒ neue Anteile an der übernehmenden Gesellschaft (Zwischenholding-GmbH) gewährt werden, denn anderenfalls wäre tatbestandlich keine Einbringung i. S. d. § 21 UmwStG gegeben (z. B. bei einer reinen Gutschrift auf der Kapitalrücklage oder der Ausgabe bereits bestehender eigener Anteile).

 

Beachten Sie | Hinsichtlich der Beteiligungshöhe werden in § 21 UmwStG keine Anforderungen gestellt. D. h., die dem Einbringenden gewährten Anteile müssen weder einen bestimmten Mindestnennbetrag aufweisen noch muss der Nenn- oder Verkehrswert der Anteile dem der eingebrachten Anteile entsprechen (vgl. Patt in: D/P/M, § 20 Rn. 170). Es genügt mithin eine marginale Sachkapitalerhöhung auf Ebene der Zwischenholding, um die Steuerneutralität der Einbringung zu gewährleisten. Die Einbringung „unter Wert“ führt jedoch zu einer Mitverstrickung der im Rahmen der Errichtung der Zwischenholding erhaltenen Geschäftsanteile gem. § 22 Abs. 7 UmwStG. Diese Rechtsfolge wäre insbesondere bei der Frage einer Sperrfristverhaftung nach § 22 Abs. 2 UmwStG als auch den entsprechenden Nachweispflichten nach § 22 Abs. 3 UmwStG zu beachten.

 

MERKE | Da die Einbringung der Geschäftsanteile an der X-GmbH jeweils quotal erfolgt, ist daneben keine (mittelbare) Werterhöhung der Anteile an der Zwischenholding gegeben, welche gem. § 7 Abs. 8 ErbStG als Zuwendungsfiktion erbschaftsteuerliche Folgen nach sich ziehen könnte.

 

2.2 Bewertung des Modells

Es bleibt festzuhalten: Die Gestaltung führt dazu, dass auch A und B neben den jeweiligen Holdinggesellschaften (ggf. geringe) Geschäftsanteile an der Zwischenholding halten. Im Ergebnis wird daher die Zielstruktur ‒ trotz Installation einer Zwischenholding ‒ verfehlt. Eine „Strukturbereinigung“ scheitert wiederum an dem tatbestandlichen Erfordernis eines qualifizierten Anteilstauschs i. S. d. § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG. Für die gestalterische Praxis ist diese Lösung daher als suboptimal einzustufen.

3. Stimmrechte-„Tausch“ als Ausweg?

Fraglich ist, ob durch eine vorgeschaltete Änderung der Beteiligungsquoten bzw. der Stimmrechteverteilung die tatbestandlichen Voraussetzungen eines qualifizierten Anteilstauschs gestaltbar sind.

 

Einigkeit herrscht insoweit dahin gehend, dass die Voraussetzungen der mehrheitsvermittelnden Beteiligung einer zeitpunktbezogenen Betrachtung, nämlich der einer logischen Sekunde nach Einbringung der übertragenden Geschäftsanteile, unterliegen (vgl. Schmitt in: S/H, § 21 UmwStG Rn. 45).

 

  • Beispiel

A und B errichten jeweils eine entsprechende Holdinggesellschaft. Nachfolgend wird eine (marginale) Kapitalerhöhung der X-GmbH beschlossen. Zur Übernahme der neuen Geschäftsanteile wird die A-Holding-GmbH zugelassen. Da sich § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG auch auf Fälle erstreckt, bei denen der übernehmende Rechtsträger bereits ‒ minderheitlich oder mehrheitlich ‒ an der erworbenen Gesellschaft beteiligt ist, wären dadurch für die Einbringung der Geschäftsanteile des A an der X-GmbH in die A-Holding-GmbH die Voraussetzungen eines steuerneutralen qualifizierten Anteilstauschs i. S. d. § 21 UmwStG gegeben.

 

Im Folgenden wird bei der X-GmbH wiederum eine Kapitalerhöhung dergestalt vorgenommen, dass die Summe der Stimmrechte der neu ausgegebenen Anteile (diesmal wird die B-Holding-GmbH zur Übernahme der Geschäftsanteile zugelassen) sowie der von B gehaltenen Anteile eine statuarische Stimmrechtsmehrheit vermittelt. Somit werden auch für den B die Voraussetzungen eines qualifizierten Anteilstauschs zur Errichtung der Holdingstruktur geschaffen.

 

Durch eine abermalige Kapitalerhöhung auf Ebene der X-GmbH zugunsten der A-Holding-GmbH wird letztlich eine paritätische Beteiligung zwischen den Holdinggesellschaften hergestellt.

 

3.1 Droht hier die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs?

Geht die Stimmenmehrheit nach dem Anteilstausch verloren, hat dies nachträglich keine Auswirkungen auf den Tatbestand des (qualifizierten) Anteilstauschs. § 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwStG enthält insoweit keine Behaltensfrist. Es könnte aber ein Gestaltungsmissbrauch im Raum stehen. Gemäß § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG liegt ein typisierter „Missbrauch“ nur vor, wenn und soweit die Übernehmerin nach einem steuerbegünstigten Anteilstausch durch einen nicht von § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Einbringenden die erworbene Beteiligung veräußert (vgl. Patt in: D/P/M § 21 UmwStG, Rn. 40). Die entsprechenden Kapitalmaßnahmen stellen aber weder eine Veräußerung der sperrfristbehafteten Anteile noch einen veräußerungsgleichen Vorgang i. S. d. § 22 Abs. 2 S. 6 i. V. m. Abs. 1 S. 6 Nr. 1 bis 5 UmwStG dar und führen lediglich zu einer Mitverstrickung der Anteile gem. § 22 Abs. 7 UmwStG.

 

Fraglich dürfte jedoch sein, ob hier nicht § 42 AO auf den Plan tritt, da die Einbringung und die nachfolgende Verminderung der Beteiligung von vornherein planmäßig erfolgen. In der Literatur wird vertreten, dass in der nur kurzfristigen Erlangung der Stimmrechtsmehrheit durch die übernehmende Gesellschaft kein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO zu sehen ist. Eine Ausnahme komme selbst dann nicht in Betracht, wenn bereits im Zeitpunkt der Anteilseinbringung die anschließende Verminderung der Beteiligung geplant ist und die kurzzeitige Überschreitung der Stimmrechtsmehrheit ausschließlich der Erzielung von Steuervorteilen dient (so Behrens in: H/M/B § 21 UmwStG Rn. 162, ebenso Rabback in: R/H/vL § 21 UmwStG, Rn. 70).

 

3.2 Bewertung des Modells

Soweit ersichtlich musste der BFH zu einer solchen Gestaltung noch keine Stellung nehmen, sodass die obigen Literaturauffassungen nicht als „Freizeichnung“ der Gestaltung gewertet werden dürfen. Möchte man daher (absehbare) Diskussionen mit der Finanzverwaltung vermeiden, sollten m. E. eher die nachfolgenden Alternativmodelle präferiert werden.

4. Modell „Huckepack“

Ein weiterer Ansatz kann sein, die Geschäftsanteile bewusst nicht im Anwendungsbereich des § 21 UmwStG zu gestalten, sondern im Rahmen einer Einbringung nach § 20 UmwStG quasi „Huckepack“ zu übertragen. Werden zu einem Betriebsvermögen gehörende Anteile an einer GmbH nämlich mit einem ganzen Betrieb, einem Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil als Sachgesamtheit in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Gesellschaftsrechte eingebracht, ist nicht § 21 UmwStG, sondern § 20 UmwStG ‒ auch für die zu der Sachgesamtheit gehörenden Anteile an der Kapitalgesellschaft ‒ anzuwenden (vgl. UmwStE Tz 21.01).

 

4.1 Umsetzung des Modells

In einem ersten Schritt werden daher die Geschäftsanteile einer entsprechenden einbringungsfähigen Sachgesamtheit zugeordnet, im zweiten Schritt wird diese Sachgesamtheit dann im Anwendungsbereich des § 20 UmwStG in eine entsprechende Holdingstruktur überführt.

 

  • Beispiel

A gründet zunächst eine gewerblich geprägte Ein-Mann-GmbH & Co. KG. Nach Eintragung der KG in das Handelsregister (erst ab diesem Zeitpunkt besteht die gewerbliche Prägung i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG!) legt der A die Geschäftsanteile an der X-GmbH in das Gesamthandsvermögen der KG ein.

 

Die Einlage erfolgt gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Buchst. b EStG zwingend zu fortgeführten AK; Sperrfristen werden hierdurch nicht ausgelöst.

 

 

 

In einem zweiten Schritt kann jetzt

 

  • die KG wird mit der bereits bestehenden A-Holding-GmbH als Komplementärin errichtet. Nach Einlage der Anteile an der X-GmbH wird die KG im Wege einer (erweiterten) Anwachsung vollbeendet oder

 

  • die Kommanditanteile an der KG sowie die Anteile an der Komplementär-GmbH ‒ also der gesamte Mitunternehmeranteil ‒ werden in die schon bestehende A-Holding-GmbH gem. § 20 UmwStG eingebracht. Aufgrund von § 8b Abs. 6 KStG greift auch in dieser Konstellation auf die Dividenden der X-GmbH oder bei einem entsprechenden Veräußerungsgewinn auf Ebene der Holding-GmbH die Befreiung nach § 8b Abs. 1 u. 2 KStG.

 

Eine entsprechende Gestaltung kann für den Gesellschafter B vorgenommen werden.

 

4.2 Gestaltungsmissbrauch?

Der BFH (16.12.15, IV R 8/12, BStBl II 17, 766) hat insoweit klargestellt: Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass eine aufgrund einheitlicher Planung in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang stehende Mehrzahl von Rechtsgeschäften (Gesamtplan) für die steuerliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammenzufassen und sodann unter den Steuertatbestand zu subsumieren ist. Ein schädliches gesamtplanerisches Handeln scheidet daher aus.

 

Ein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO liegt in der gewählten Gestaltung ebenfalls nicht vor, da sich diese weder gekünstelt noch rechtlich unangemessen darstellt. Allein das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Diese Schwelle wird erst dann überschritten, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (vgl. BFH 20.7.18, IX R 5/15, BStBl II 19, 194 m. w. N.). Da der Gesetzgeber jedoch die Inbezugnahme von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ausdrücklich in den Anwendungsbereich des § 20 UmwStG als Teil einer Sachgesamtheit einbezieht (vgl. auch § 22 Abs. 2 S. 1 1. Alt. UmwStG), kann einer solcher Vorwurf m. E. vorliegend nicht erhoben werden.

5. Abwandlung „GmbH & atypisch Still“

Eine weitere Variante der Einbeziehung der Geschäftsanteile der GmbH bei mangelnder Stimmrechtsmehrheit in den Anwendungsbereich des § 20 UmwStG ist die vorgeschaltete Begründung einer GmbH & atypisch Still. Vorteil dieser Gestaltung ist in der praktischen Umsetzung zunächst, dass eine vorherige zivilrechtliche Übertragung der Geschäftsanteile nicht erforderlich ist, sondern diese als notwendiges Sonder-BV II des atypisch Still Beteiligten zu qualifizieren sind, wobei die Einlage der Geschäftsanteile wiederum in Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Buchst. b EStG zu fortgeführten AK erfolgt (vgl. im Einzelnen GStB 19, 375). Jedoch relativiert sich m. E. dieser Vorteil wiederum bei der nachgeschalteten Einbringung des Mitunternehmeranteils (= Atypisch Stille Beteiligung) gem. § 20 UmwStG in die Holdinggesellschaft. Im Ergebnis gelten für diese Abwandlung jedoch die obigen Grundsätze, sodass auch dieses Modell als zielführender Gestaltungsansatz gewertet werden kann.

6. Alternative bei grundbesitzenden Gesellschaften

Besitzt die operativ tätige Gesellschaft Grundvermögen i. S. d. § 2 GrEStG, ist besondere Vorsicht geboten. In der Gestaltungspraxis muss man im Blick haben, dass im Rahmen der Errichtung einer Holdingstruktur der Tatbestand einer steuerbaren Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG realisiert wird, sofern der übernehmende Rechtsträger eine Beteiligungsquote von mindestens 95 % hält.

 

Beachten Sie | Weiterhin ist unklar, ob der Gesetzgeber an der Idee einer Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsquote auf mindestens 90 % festhält. Ein entsprechender Entwurf eines „Anti-Share-Deal-Gesetzes“ (vgl. BR-Drs. 355/19) wurde seit der öffentlichen Anhörung und der Sitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 16.10.19 nicht weiter beraten. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen forderte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum JStG 2020 sogar eine Absenkung der Beteiligungsquote auf 50 % und daneben ‒ nach niederländischem Vorbild ‒ die Einführung einer „qualifizierten Immobiliengesellschaft“, bei der bereits ein Beteiligungsquotenwechsel von mehr als 10 % einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang auslösen soll, konnte sich aber im Finanzausschuss mit diesem Vorbringen (noch) nicht durchsetzen (vgl. BT-Drs. 19/25160, S. 201 ff.). Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

 

  • Beispiel (Abwandlung)

A und B sind Eheleute und beabsichtigen mittelfristig die Veräußerung der Geschäftsanteile an der grundbesitzenden X-GmbH an einen Investor. Um in den Genuss des Konzernprivilegs des § 8b Abs. 2 KStG auf den zukünftig absehbaren Veräußerungsgewinn zu kommen, beabsichtigen A und B daher die Einbringung der Geschäftsanteile in eine gemeinsame Holding-GmbH.

 

Vorliegend stellt sich, anders als im Ausgangsfall, nicht das Problem der Erfüllung der Voraussetzung eines qualifizierten Anteilstauschs, da A und B die Geschäftsanteile in eine gemeinsame GmbH-Holding einbringen möchten.

 

6.1 Risiko Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG

Allerdings würde sich der Vorgang als „Verlängerung der Beteiligungskette“ darstellen und zu einer (erstmaligen) Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1, 2 GrEStG der Anteile der X-GmbH in der Hand der Holding-GmbH führen. Dass A und B mittelbar in gleichbleibender Höhe an der X-GmbH beteiligt bleiben, ist insoweit unbeachtlich. Eine entsprechende Anwendung der Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG scheidet aus.

 

In Betracht käme daher ausschließlich die grunderwerbsteuerliche Konzernbefreiung gem. § 6a GrEStG. Diese setzt voraus, dass an einem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und eine oder mehrere von diesem abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a S. 3 GrEStG). Nach § 6a S. 4 GrEStG muss das herrschende Unternehmen, um eine Gesellschaft als abhängige Gesellschaft i. S. d. § 6a S. 3 GrEStG zu qualifizieren, an deren Kapital oder deren Gesellschaftsvermögen innerhalb von fünf Jahren vor und nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar (oder teils unmittelbar, teils mittelbar) ununterbrochen zu mindestens 95 % beteiligt sein.

 

Beachten Sie | A und B sind als natürliche Personen jeweils nicht herrschendes Unternehmen i. S. d. § 6a GrEStG, da keiner der beiden die notwendige Beteiligungsquote von mindestens 95 % innehat. Eine Zusammenschau der Geschäftsanteile über eine Ehegatten-/Lebenspartner-Gemeinschaft scheidet aus, da es sich insoweit nicht um einen eigenständigen Rechtsträger i. S. d. GrEStG handelt. Die Einbringung der Geschäftsanteile in die Holding-GmbH im Wege eines qualifizierten Anteilstauschs i. S. d. § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG würde daher zwar nicht zu einer Aufdeckung stiller Reserven führen, wäre jedoch mit GrESt belastet.

 

6.2 Ländererlasse eröffnen Gestaltungsspielraum

Nachdem der BFH in gleich sieben Urteilen vom 21. und 22.8.19 (II R 15-21/19) wesentliche Grundsatzfragen zur Anwendung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel des § 6a GrEStG geklärt hat, hat nunmehr auch die Finanzverwaltung mit gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder (im Folgenden: Ländererlasse) vom 22.9.20 (BStBl I 20, 960) auf die für die Steuerpflichtigen günstigen Urteile reagiert und Gestaltungsspielräume bei der Errichtung von Holdingstrukturen eröffnet. Insbesondere können hierbei folgende Grundsätze gestalterisch genutzt werden:

 

  • Die Vorbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG von fünf Jahren muss nicht eingehalten werden, soweit dies umwandlungsrechtlich nicht möglich ist.
  • Dieses ist u. a. bei einer Ausgliederung zur Neugründung gem. § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG der Fall.
  • In diesen Fällen kann die abhängige Gesellschaft auch erst im Zeitpunkt des zu beurteilenden Erwerbsvorgangs aus dem herrschenden Unternehmen entstehen.

 

GESTALTUNGSTIPP | In Anwendung dieser Grundsätze auf den obigen Sachverhalt könnte daher die gewünschte Konzernstruktur im Wege der Ausgliederung gem. §§ 123 Abs. 3 Nr. 2, 135 ff. UmwG auf eine neu zu gründende GmbH mit der gleichen Firma unter Umbenennung der X-GmbH in „AB-Holding-GmbH“ erfolgen. Gegenstand der Ausgliederung ist hierbei der operative Betrieb der X-GmbH (alt) inkl. des Betriebsgrundstücks.

 

Beachten Sie | Eine nach §§ 124 ff. UmwG mögliche Ausgliederung zur Aufnahme, also auf eine bereits errichtete AB-Holding-GmbH, wäre von der Privilegierung ausgeschlossen, da in diesem Fall die Erfüllung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG nicht von vornherein ausgeschlossen wäre. Auch eine Übertragung im Wege der Einbringung in Einzelrechtsnachfolge im Rahmen einer Sachgründung/-kapitalerhöhung oder als Sachagio ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar und kann damit nicht nach § 6a GrEStG begünstigt werden.

 

Ertragsteuerlich vollzieht sich die Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG als Einbringung des Betriebs der X-GmbH (alt) als übertragender Rechtsträger gem. § 20 Abs. 1 UmwStG und findet daher bei unterstellter Erfüllung der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG auf Antrag der übernehmenden X-GmbH (neu) zu Buchwerten statt.

 

 

6.3 Wirtschaftliche Tätigkeit des herrschenden Unternehmens

Nach den Ländererlassen muss das herrschende Unternehmen zwar eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Allerdings reicht es hierfür aus, wenn das herrschende Unternehmen über eine Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft am Markt teilnimmt. Diese Voraussetzung wäre gegeben, da der operative Geschäftsbetrieb vollumfänglich von der X-GmbH (neu) fortgeführt wird.

 

Irritierend ist jedoch, dass die Ländererlasse reine Holdinggesellschaften nicht als wirtschaftlich tätige Gesellschaften ansehen wollen. Damit dürften indes ausschließlich vermögensverwaltende Holdinggesellschaften bzw. Finanzholdings gemeint sein, die ‒ anders als geschäftsleitende Holdings bzw. Führungsholdings ‒ für Zwecke der Umsatzsteuer als nicht unternehmerisch behandelt werden (so auch Tiede, StuB 20, 857).

 

GESTALTUNGSTIPP | In der Praxis sollte daher auf die Erbringung geschäftsleitender Tätigkeiten gegen Entgelt und/oder den Abschluss entsprechender Konzerndienstleistungsverträge geachtet werden. Hinsichtlich der Umsatzsteuer folgt hieraus ein Organschaftsverhältnis nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG (vgl. UStAE 2.8 zu § 2 UStG).

 

Durch den Umwandlungsvorgang werden somit keine Grundstücke aus dem Konzernverbund gelöst. Das auf die neu gegründete Gesellschaft übergegangene Vermögen stammt ausschließlich vom herrschenden Unternehmen, sodass ‒ ungeachtet einer etwaigen Vorbehaltensfrist ‒ die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG zu gewähren ist.

 

MERKE | Die Gestaltungsoption setzt voraus, dass die ausgliedernde Gesellschaft nicht selbst als abhängige Gesellschaft i. S. d. § 6a S. 4 GrEStG zu qualifizieren wäre. Wäre bspw. A zu 95 % (oder mehr) an der X-GmbH (alt) beteiligt, wäre dieser als herrschendes Unternehmen i. S. d. § 6a S. 3 GrEStG zu qualifizieren. Auch in diesem Fall könnte zwar die X-GmbH (neu) im Wege der Ausgliederung durch die X-GmbH (alt) gem. §§ 123 Abs. 3 Nr. 2, 135 ff. UmwG gegründet werden, jedoch müsste der A in diesem Fall die Vorbehaltensfrist von 5 Jahren gem. § 6a S. 4 GrEStG bzgl. der X-GmbH (alt) erfüllen, um den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG zu eröffnen.

 

Die AB-Holding-GmbH muss des Weiteren die fünfjährige Nachbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG beachten. D. h., dass die Mindestbeteiligungshöhe von 95 % an der X-GmbH (neu) nach der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs noch mindestens fünf Jahre fortbestehen muss. Stichtag für die Berechnung der Frist ist die Eintragung der Umwandlung im Handelsregister.

 

Beachten Sie | Nicht maßgeblich ist der Einbringungsstichtag i. S. d. § 20 Abs. 5 UmwStG! Die hiernach mögliche Rückbeziehung des Einbringungsstichtags um acht Monate (bzw. im Jahr 2021 noch zwölf Monate, vgl. VO zu § 27 Abs. 15 UmwStG, BGBl I 20, 3042) greift nur für ertragsteuerliche Zwecke und hat keinen Einfluss auf Verkehrssteuern wie USt und GrESt.

 

Die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG ist nicht grundstücksbezogen. § 6a GrEStG stellt nicht auf den Verbleib der durch den Umwandlungsvorgang übergehenden Grundstücke, sondern allein auf die Beteiligungsverhältnisse ab. Eine Änderung in der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung des im Wege der Ausgliederung übertragenden Grundstücks ist somit auch innerhalb der Nachbehaltensfrist unbeachtlich.

 

Wird die Nachbehaltensfrist nicht eingehalten, entfällt die Begünstigung. Die Verletzung der Nachbehaltensfrist stellt ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 2 S. 1 AO dar.

 

FAZIT | Durch gestalterische Maßnahmen lassen sich kapitalistische Holdingstrukturen auch regelmäßig im Anwendungsbereich des § 20 UmwStG unter Ausnutzung des Buchwertprivilegs errichten. Hierdurch werden neben der Möglichkeit des qualifizierten Anteilstauschs i. S. d. § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG weitere Gestaltungsoptionen, insbesondere bei mehrgliedriger Gesellschafterstruktur, zur steueroptimierten Unternehmensstrukturierung geschaffen. Bei grundbesitzenden Gesellschaften sind hierbei jedoch immer die sich hieraus ergebenden grunderwerbsteuerlichen Folgen zu beachten. Die aktuelle Rechtsprechung des BFH und dieser folgend die Ländererlasse vom 22.9.20 eröffnen hierbei jedoch nunmehr Gestaltungsspielräume für die Beraterschaft, sich die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel des § 6a GrEStG zunutze zu machen.

 
Quelle: Seite 113 | ID 47062222