· Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften
Strittige Fragen zum Gewinnermittlungszeitraum in der Abwicklung einer GmbH nach § 11 KStG
von Dr. Helmar Fichtelmann, Ansbach
| Mit dem Auflösungsbeschluss einer GmbH tritt eine Abwicklungsphase ein, in der abweichend von der Regelbesteuerung und unabhängig von der Dauer der Abwicklung gemäß § 11 Abs. 1 KStG eine Besteuerung des Abwicklungszeitraums ansteht. Hierbei sind vielfältige Fragen zu klären: Welche Folgen hat eine vom Finanzamt durchgeführte Zwischenveranlagung? Wie wird der Abwicklungsgewinn in der Insolvenz der Gesellschaft erfasst? Wie funktioniert eine Nachtragsabwicklung und was passiert bei der Gewerbesteuer? All diese Fragen haben wir für Sie analysiert. |
1. Rechtsnatur und Folgen einer Zwischenveranlagung
Im Rahmen der Abwicklungsbesteuerung ist zwar grundsätzlich der Gewinn zugrunde zu legen, der vom Beginn bis zum Ende der Abwicklung erzielt worden ist. Aus § 11 Abs. 1 S. 2 KStG folgt jedoch, dass dieser Zeitraum drei Jahre nicht überschreiten soll. Maßgebend ist der Steuersatz, der am Schluss der Abwicklung zur Anwendung kommt, soweit keine Zwischenveranlagung durchgeführt wird. Das FA darf aber regelmäßig nach Ablauf von drei Jahren einen Steuerbescheid erlassen, in dem die Steuer für diesen Zeitraum festgesetzt wird (sog. Zwischenveranlagung, vgl. BFH 23.1.13, I R 35/12, BStBl II 13, 508; BFH 7.5.14, I B 81/12, BFH/NV 14, 1593). Eine solche Zwischenveranlagung ist einer gewöhnlichen Steuerfestsetzung gleichzustellen.
Die Entscheidung, eine Zwischenveranlagung vorzunehmen, steht im Ermessen des Finanzamts. Der BFH gewährt dem Finanzamt hierbei einen weitgehenden Ermessensspielraum (BFH 18.9.07, I R 44/06), wenn er ausführt, dass die Veranlagung nicht von einem besonderen Anlass abhängig sei. Insbesondere werde nicht gefordert, dass der Abschluss der Abwicklung unangemessen hinausgezögert wird oder dass ohne Zwischenveranlagung der Ausfall von Steueransprüchen zu befürchten sei. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers soll die Regelung vielmehr dazu dienen, den Finanzbehörden einzelfallbezogene Beweisschwierigkeiten abzunehmen. Der Erlass eines Bescheids über eine Zwischenveranlagung muss nur dann begründet werden, wenn ein rechtliches Interesse der Kapitalgesellschaft an der Verlängerung des Besteuerungszeitraums über drei Jahre hinaus erkennbar ist.
Beachten Sie | Auch wenn der Steuersatz später gesenkt worden ist, stellt eine Zwischenveranlagung vor Eintritt der Steuersenkung keinen Ermessensmissbrauch dar.
Der Zeitraum, der der Zwischenveranlagung zugrunde gelegt wird, steht dem Veranlagungszeitraum (§ 25 EStG) gleich; denn Besteuerungszeitraum ist der gesamte erfasste Abwicklungszeitraum, nicht das einzelne Jahr (vgl. BFH 12.3.13, I R 35/12, BStBl II 13, 508). Das hat zur Folge, dass
- grundsätzlich alle für den Veranlagungszeitraum vorgesehenen Vergünstigungen nur einmal in Anspruch genommen werden können;
- auch der Sockelbetrag der Mindestbesteuerung von 1 Mio. EUR gemäß § 10 Abs. 2 S. 4 EStG nur einmal gewährt wird (vgl. BFH 23.1.13, I R 35/12, BStBl 13, 508) und
- der Steuersatz zugrunde zu legen ist, der am Ende des Zwischenveranlagungszeitraums anzuwenden ist; nicht maßgebend ist der Steuersatz, der am Ende der Abwicklung gilt (vgl. BFH 2.5.14, I R 81/12, BFH/NV 14, 1593).
Die Zwischenveranlagung hindert nicht die Abwicklung; diese wird unverändert fortgesetzt. Hier stellen sich allerdings zwei Fragen:
- 1. Ist die Zwischenveranlagung nur als (vorläufiger) Teil einer einheitlichen Veranlagung am Ende der Abwicklung anzusehen und
- 2. welcher Veranlagungszeitraum folgt der Zwischenveranlagung, wenn sich die Restabwicklung auf einen Zeitraum von mehr als einem Kalenderjahr bezieht?
1.1 Frage 1: Ist die Zwischenveranlagung nur eine „Zwischenstation“?
Es wird die Meinung vertreten, dass nach Abschluss der Liquidation eine Endbesteuerung stattfindet (vgl. FG Brandenburg 23.1.02, EFG 02, 432, rkr.; Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 14, 1233 m. w. N.). Man wird das so verstehen müssen, dass die Zwischenveranlagung nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu einer abschließenden Veranlagung für den gesamten Abwicklungszeitraum ist, sodass letztlich der Steuersatz anwendbar ist, der zum Zeitpunkt der Beendigung der Abwicklung gültig ist. Notwendige Veranlagungsänderungen hätten nach dieser Auffassung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu erfolgen.
MERKE | Etwas anderes lässt sich aber aus dem kryptischen Leitsatz der Entscheidung des BFH aus 2014 ablesen (BFH 7.5.14, I R 81/12, BFH/NV 14, 1593). Hier wird ausgeführt, dass durch Anfechtung einer Zwischenveranlagung im laufenden Abwicklungsverfahren nicht geltend gemacht werden könne, dass bei der Steuerberechnung im Streitfall der niedrigere Steuersatz anzuwenden sei, der zum Zeitpunkt des Abschlusses der Abwicklung maßgebend sei. |
Der BFH hat die gegen die Entscheidung der Vorinstanz (FG Köln 27.9.12, 10 K 2838/11, rkr., EFG 13, 78) erhobene Revision zwar als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger unzulässigerweise in der Revision von einer Anfechtungsklage zu einer Verpflichtungsklage übergegangen war. Bemerkenswert ist aber, dass der BFH dennoch in einem obiter dictum die Frage erörtert hat, ob letztlich der gesamte Abwicklungszeitraum in einem Steuerbescheid zusammenzuführen ist mit dem Ergebnis, dass der Steuersatz, der bei Abschluss der Abwicklung gilt, zur Anwendung kommt. Letztlich hat der BFH aber von einer Erklärung in einem bestimmten Sinne abgesehen. Aus § 11 KStG lässt sich die Entscheidung, dass zum Ende der Abwicklung eine Veranlagung durchzuführen ist, in die auch die in einer Zwischenveranlagung erfassten Zeiträume einzubeziehen sind, m. E. nicht herleiten. Dagegen sprechen folgende Gesichtspunkte:
- 1. Der Steuerbescheid über eine Zwischenveranlagung ist ein Verwaltungsakt, der sich nicht von einem Steuerbescheid über einen normalen Veranlagungszeitraum (§ 25 EStG) unterscheidet.
- 2. Die Bestandskraft des Bescheids über eine Zwischenveranlagung hindert eine Einbeziehung in einen denselben Abwicklungszeitraum betreffenden Steuerbescheid. Er müsste vorher außer Kraft gesetzt werden. Das wäre nur möglich, wenn er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht bzw. vorläufig ergangen ist (die Frage der Zulässigkeit solcher Bescheide erscheint zweifelhaft, soll aber an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden). Es bleiben die Fälle, in denen ein solcher Vorbehalt nicht gemacht worden ist. Es kann keine gesetzliche Bestimmung in der AO oder sonstwo gefunden werden, die die Aufhebung eines solchen Zwischenveranlagungsbescheids rechtfertigt.
MERKE | Die bestandskräftig gewordene Zwischenveranlagung beinhaltet einen endgültigen Steuerbescheid, der insbesondere nicht in einen den gesamten Abwicklungszeitraum umfassenden Steuerbescheid am Ende der Abwicklung einmündet. Die überwiegende Meinung im Schrifttum - vor der Entscheidung des BFH - sah das jedoch anders; vgl. Micker in H/H/R, KStG, § 11 Rz. 37). |
1.2 Frage 2: Welcher Veranlagungszeitraum folgt der Zwischenveranlagung?
Die Zwischenveranlagung beendet nicht die Abwicklung; diese geht vielmehr weiter. Es stellt sich die Frage, ob sich an die Zwischenveranlagung wieder der dreijährige Abwicklungszeitraum anschließt oder ganz allgemein auf die jährliche Veranlagung überzugehen ist. Der BFH (2.2.06, I R 67/05, BStBl II 08, 312) hat diese Frage offengelassen, während das FG Brandenburg (23.1.02, K 2272/96 K,U,F, EFG 02, 432) einen dreijährigen Zeitraum befürwortet. Im Schrifttum - von einer Einzeldarstellung wird abgesehen - sind die Meinungen geteilt.
PRAXISHINWEIS | M. E. wird die Dreijahresregelung durch eine Zwischenveranlagung nicht außer Kraft gesetzt, sodass ein neuer Dreijahreszeitraum beginnt. Die Umstände, die für eine solche Regelung sprechen, wirken fort. Unabhängig davon bleibt es dem FA unbenommen, im Rahmen seiner Ermessensausübung einen kürzeren Veranlagungszeitraum für eine Zwischenveranlagung zu wählen. |
2. Die Erfassung des Abwicklungsgewinns in der Insolvenz der Gesellschaft
Auf das Insolvenzverfahren sind die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 bis 6 KStG sinngemäß anzuwenden (§ 11 Abs. 7 KStG). Das hat folgende Auswirkungen:
- 1. Der während des Insolvenzverfahrens erzielte Gewinn ist am Ende des Insolvenzverfahrens (Ende der Abwicklung i. S. d. § 11 KStG) zu erfassen, jedoch soll auch hier der Gewinnermittlungszeitraum drei Jahre nicht übersteigen (§ 11 Abs. 1 S. 2 KStG).
- 2. Für die Gewinnermittlung gelten auch im Insolvenzverfahren die Bestimmungen des § 11 Abs. 2 bis 6 KStG. Die Gewinnermittlung selbst ist nicht Gegenstand der vorliegenden Ausführungen.
2.1 Welcher „Abwicklungszeitraum“ ist maßgebend?
Nach den KStR kann zwar grundsätzlich ein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet werden, wenn die Auflösung der Gesellschaft in den Lauf eines Wirtschaftsjahrs fällt (R 11 Abs. 1 S. 3 KStR 2015); das gelte jedoch nicht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (R 11 Abs. 1 S. 4 KStR 2015), weil nach § 155 Abs. 2 S. 1 InsO ein neues Geschäftsjahr (Wirtschaftsjahr) beginne. Die Anweisung ist wohl so zu verstehen, dass ein Wahlrecht ausgeschlossen und ein Rumpfwirtschaftsjahr zwingend zu bilden ist. Dem ist zuzustimmen.
Grundsätzlich beginnt der Zeitraum der „Abwicklung“ mit der Auflösung der Gesellschaft (Lenz in: Erle/Sauter, KStG, § 11 Rn. 65; R 11 Abs. 1 S. 4 KStR 2015). Die GmbH wird mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Die Auflösung ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 65 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Das gilt jedoch nicht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens; hier hat das Gericht die Auflösung von Amts wegen einzutragen (§ 65 Abs. 1 S. 2 und 3 GmbHG).
„Startschuss“ der Abwicklung wird im Insolvenzverfahren jedoch nicht immer die Auflösung der Gesellschaft sein. Wird das Unternehmen zunächst fortgeführt, beginnt m. E. auch keine Abwicklung; denn die Gläubigerversammlung beschließt im Berichtstermin, ob das Unternehmen weitergeführt werden soll (§ 156 S. 1 InsO). Kommt ein Fortführungsbeschluss nicht zustande, ist das Unternehmen zu verwerten (§ 159 InsO). Da es auf die tatsächliche Verwertung ankommt, beginnt auch bei Unterlassen eines Fortführungsbeschlusses die nach § 11 KStG maßgebende Abwicklung nicht sofort, da die Verwertung des Unternehmens gewisser Vorbereitungen bedarf.
PRAXISHINWEIS | Führt das Unternehmen noch begonnene Aufträge aus, wird man das als Abwicklungsmaßnahme bezeichnen können (a. A. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 5. Aufl., S. 153). Da mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwingend ein neues Wirtschaftsjahr beginnt (§ 155 Abs. 2 S. 1 InsO; vgl. auch R 11 Abs. 1 S. 4 KStR 2015), ist bei einem späteren Abwicklungsbeginn ein nicht in den Abwicklungszeitraum nach § 11 KStG fallender Gewinn nach allgemeinen Regeln zu besteuern (Rumpfwirtschaftsjahr). |
2.2 Insolvenzforderung oder Masseforderung?
In einem Insolvenzverfahren sind Insolvenzforderungen (Forderungen der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben) und Masseforderungen (Massegläubiger, die vorweg zu befriedigen sind) zu unterscheiden. Der Frage, ob eine Insolvenzforderung oder eine Masseforderung vorliegt, kommt entscheidende Bedeutung zu; denn das „begründet“ i. S. d. § 38 InsO ist nicht gleichzusetzen mit „entstehen“ i. S. d. Steuerrechts. Begründet ist eine Steuerforderung, wenn der Tatbestand der Gewinnentstehung erfüllt ist.
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Das Insolvenzverfahren ist am 6.10.15 eröffnet worden. Im Zuge der Sanierungsbemühungen wird ein Grundstück veräußert; aus der Veräußerung wird ein Gewinn von 80.000 EUR realisiert. Die Veräußerung findet statt
Für die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden, sodass der Gewinn von 80.000 EUR im Fall a zu einer Insolvenzforderung führt.
Im Fall b handelt es sich um eine Veräußerung im Zuge der Abwicklung, sodass eine Masseforderung entsteht. § 11 KStG hat keinen Einfluss darauf; der Bestimmung kommt nur Bedeutung für die Fälligkeit bzw. die Anwendbarkeit des Steuersatzes zu.
Wichtig: Wenn wir davon ausgehen, dass das Unternehmen weitergeführt wird (weil im Zuge des Insolvenzverfahrens die Sanierung - die Grundstücksveräußerung ist Teil davon - gelingt), findet § 11 keine Anwendung. Es bleibt bei der jährlichen Besteuerung. |
Im Insolvenzverfahren hat die Geltendmachung von Insolvenzforderungen durch Anmeldung beim Insolvenzverwalter zu erfolgen (§ 17 Abs. 1 S. 1 InsO; vgl. BFH 7.5.14, I R 81/12, BFH/NV 14, 1593). Im Prüfungstermin werden die angemeldeten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach geprüft. Die Forderung gilt als festgestellt, wenn gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren nach § 177 InsO weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger Widerspruch erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt wird (§ 178 Abs. 1 S. 1 InsO). Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 S. 2 InsO). Bei im Prüfungstermin streitig gebliebenen Forderungen ist die Feststellung gegen den Bestreitenden vom Gläubiger zu betreiben.
Soweit eine Masseforderung gegeben ist, ist diese durch Steuerbescheid gegen die Gesellschaft - vertreten durch den Insolvenzverwalter - geltend zu machen.
Auf die Wahl einer Zwischenveranlagung bei Durchführung einer Abwicklung nach drei Jahren sind die allgemeinen Regeln, wie sie unter Abschnitt 1 dargestellt sind, anwendbar. Da ein nach Insolvenzeröffnung für die Zeit nach Beginn der Abwicklung erzielter Gewinn in jedem Fall zu einer Masseforderung führt, kommt der Ermessensausübung keine besondere Bedeutung zu.
Beachten Sie | Auf den dreijährigen Besteuerungszeitraum folgt bei Fortführung der Abwicklung wiederum § 11 KStG mit einem dreijährigen Besteuerungszeitraum als Sollregel (a. A. Frotscher, s. o. S. 155; gleicher Ansicht wohl auch R 11 Abs. 1 S. 7 KStR). Die Ausführungen unter Abschnitt 1 gelten sinngemäß auch für die Steuerfestsetzung im Insolvenzverfahren.
3. Die Abwicklungsbesteuerung einer Kapitalgesellschaft in der Nachtragsabwicklung
Wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nach Auflösung abgewickelt wird, so ist der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 11 Abs. 1 S. 1 KStG). Nach Beendigung der Abwicklung und Schlussrechnung haben die Abwickler den Schluss der Abwicklung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 74 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Die Gesellschaft ist nach Ablauf des Sperrjahres zu löschen. Die Abwicklung (Liquidation) ist beendet, wenn die Gläubiger befriedigt sind und das Restvermögen an die Gesellschafter verteilt ist. Das Bestehen von Verbindlichkeiten steht der Beendigung nicht entgegen.
MERKE | War die Gesellschaft bei Löschung im Handelsregister nicht vermögenslos und wird dieser Umstand erst nachträglich bekannt, z. B. aufgrund von Schadenersatzansprüchen, ist eine Nachtragsabwicklung (Nachtragsliquidation) durchzuführen (§ 273 Abs. 4 AktG; vgl. Lenz in: Erle/Sauter, KStG, § 11 Rn. 12). |
Im Zusammenhang mit einer Nachtragsliquidation stellt sich dann die Frage, in welchem Verhältnis der Zeitraum der Nachtragsliquidation zu dem bereits abgelaufenen Zeitraum der Abwicklung steht. Beginnt nun ein neuer Abwicklungszeitraum oder stellt der Zeitraum der Nachtragsliquidation eine unmittelbare Fortsetzung der (nur scheinbar) bereits abgeschlossenen Abwicklung dar? Die Frage ist vor allem dann von praktischer Bedeutung, wenn die Nachtragsliquidation erst viele Jahre nach Beendigung der Liquidation in Gang gesetzt wird (vgl. BFH 18.9.07, a. a. O.).
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Die X-GmbH wird 2008 im Handelsregister nach Beendigung der Liquidation gelöscht. 2014 wird eine bisher als wertlos angesehene Forderung wieder werthaltig. |
Beginnt für die ab 2014 notwendig werdende Nachtragsabwicklung ein von dem bereits (scheinbar) abgeschlossenen Abwicklungszeitraum unabhängiger neuer Abwicklungszeitraum oder wird der durch eine Steuerfestsetzung abgeschlossene Abwicklungszeitraum fortgesetzt (die Steuerfestsetzung würde dadurch zu einer Zwischenveranlagung)?
§ 11 KStG kennt m. E. nur einen Abwicklungszeitraum, sodass auch der Zeitraum der Nachtragsabwicklung in den einheitlichen Abwicklungszeitraum einzurechnen ist. Doch welche Folgerungen sind daraus zu ziehen? Es gilt auch hier der dreijährige Abwicklungszeitraum für eine Zwischenveranlagung. Bei entsprechendem Abstand der Nachtragsabwicklung wird dieser überschritten, sodass ein umfangreicherer Zeitraum zu berücksichtigen ist.
Für den Zeitpunkt einer Zwischenveranlagung in der Nachtragsabwicklung ist für die Ermessensausübung m. E. nur der Zeitraum vom Beginn der Nachtragsabwicklung an (Bekanntwerden der die Nachtragsabwicklung rechtfertigenden Umstände) zugrunde zu legen. Für eine Zwischenveranlagung gelten die allgemeinen Grundsätze, sodass eine Zwischenveranlagung nach Ablauf von drei Jahren ab Beginn der Nachtragsabwicklung keinen Ermessensmissbrauch darstellt.
4. Die Gewerbesteuer im Abwicklungszeitraum
§ 11 KStG findet auf die Gewerbesteuer keine Anwendung; denn Erhebungszeitraum der Gewerbesteuer ist stets das Kalenderjahr (§ 14 S. 2 GewStG; vgl. BFH 23.1.13, I R 35/12, GmbHR 13, 489). Nach § 16 GewStDV ist bei einem in der Abwicklung befindlichen Unternehmen i. S. d. § 2 Abs. 2 GewStG der Gewerbeertrag, der im Zeitraum der Abwicklung entstanden ist, auf die Jahre des Abwicklungszeitraums zu verteilen (R 7.1 Abs. 8 S. 1 GewStR). Wird bei Beginn der Abwicklung im Laufe eines Erhebungszeitraums von der Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahrs abgesehen, beginnt der Abwicklungszeitraum am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (R 7.1 Abs. 8 S. 3 GewStR).
Die Verteilung des im Abwicklungszeitraum erzielten Gewerbeertrags auf die einzelnen Jahre geschieht nach dem Verhältnis, in dem die Zahl der Kalendermonate, in denen im einzelnen Jahr die Steuerpflicht bestanden hat, zu der Gesamtzahl der Kalendermonate des Abwicklungszeitraums steht (R 7.1 Abs. 8 S. 4 GewStR). Ein angefangener Monat ist dabei voll zu rechnen.
Für die Verteilung des Gewerbeertrags ist der für ertragsteuerliche Zwecke ermittelte Gewinn maßgebend. Es besteht keine Abschlusspflicht nur für die Gewerbesteuer für jedes Jahr. Das stößt begreiflicherweise auf Schwierigkeiten, wenn keine Zwischenveranlagung durchgeführt wird und der Abwicklungszeitraum sich auf einen längeren Zeitraum erstreckt.
M. E. kann das Finanzamt wie folgt vorgehen:
- 1. Der Gewinn (Gewerbeertrag) wird vom Finanzamt geschätzt. Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags erfolgt vorläufig (§ 165 AO) oder unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) und ist für endgültig zu erklären bzw. der Vorbehalt aufzuheben, wenn eine endgültige Feststellung des Gewinns möglich ist.
- 2. Eine Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags unterbleibt (z. B. weil eine Gewinnentstehung nicht erkennbar ist). Auf die Beachtung der Festsetzungsverjährung (§ 169 AO) ist zu achten.
Im Insolvenzverfahren ist der Gewerbeertrag für alle Abschnitte (R 7.1 Abs. 8 S. 7) von der Insolvenzeröffnung bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens auf die einzelnen Jahre zu verteilen, wobei die allgemeinen Regeln für die Aufteilung gelten (R 7.1 Abs. 8 S. 6 GewStR). Jedoch gilt für den Fall, dass das Unternehmen zunächst weitergeführt wird und erst später mit der Insolvenzabwicklung begonnen wird, eine Ausnahme: das Wirtschaftsjahr, auf dessen Anfang oder in dessen Lauf der Beginn der Insolvenzabwicklung fällt, ist das erste Jahr des Abwicklungszeitraums, für den die in § 16 Abs. 2 GewStDV vorgesehene Verteilung des Gewerbeertrags in Betracht kommt (R 7.1 Abs. 8 S. 8 GewStR).
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