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· Fachbeitrag · Kapitalvermögen

Das wiedergefundene Sparbuch: So können Sie einbehaltene Kapitalertragsteuer zurückholen

| Es kommt nicht selten vor, dass Steuerzahler auf ein Sparbuch stoßen, dass seit Jahren in Vergessenheit geraten ist; sei es das eigene oder das geerbte Sparbuch. Das Nachtragen von Zinsen und Zinseszinsen ist meist Formsache. Probleme bereitet dagegen die steuerliche Seite. Denn die Bank behält auch Kapitalertragsteuer für Zinsen aus Steuerjahren ein, in denen bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Müssen Sie das hinnehmen? WISO meint „nein, nicht in allen Fällen“, und sagt warum. |

Beispiel erläutert die Problematik

Die steuerliche Problematik von gutgeschriebenen Zinsen und Zinseszinsen wird am besten anhand eines Beispiels plastisch:

 

  • Beispiel

Sie finden 2015 ein Sparbuch, das Sie völlig vergessen hatten. Seit 2007 hatten Sie keine Zinsen mehr nachtragen lassen. Sie gehen zur Bank und bitten um Gutschrift der Zinsen. Die Bank bestätigt die Echtheit des Sparbuchs. Sie trägt die Zinsen im Jahr 2015 nach und behält von allen Zinsen Kapitalertragsteuer ein. Sie begründet das für das Jahr 2007 mit der Rechtsprechung zur Haftung für Einbehalt und Abführung der Kapitalertragsteuer bei umstrittener Rechtslage.

 

Wann fließen Sparbuchzinsen eigentlich zu?

Sparbuchzinsen fließen einem Sparer als regelmäßig wiederkehrende Einnahmen in dem Jahr zu, zu dem die Zinsen wirtschaftlich gehören (§ 11 Abs. 1 S. 2 EStG). Die wirtschaftliche Zugehörigkeit bestimmt sich nach dem Jahr, in dem die Zinsen zahlbar, das bedeutet fällig sind. Es kommt nicht darauf an, für welchen Zeitraum die Zinsen bezahlt werden oder in welchem Jahr die Gutschrift der Zinsen auf dem Sparbuch vorgenommen wird (BMF, Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 - S 2252/08/10004, Rz. 241, Abruf-Nr. 100309).

 

  • Beispiel

Schreibt das Finanzamt also Zinsen für die Jahre 2007 bis 2014 gut, gelten folgende Zuflusszeitpunkte:

 

Sparbuchzinsen des Jahres
Zuflusszeitpunkt

2007

31.12.2007

2008

31.12.2008

...

..

2014

31.12.2014

 

Wann tritt bei der Kapitalertragsteuer Festsetzungsverjährung ein?

Trägt die Bank bei einem gebundenen Sparbuch im Jahr 2015 Zinsen für das Jahr 2007 nach, müssen diese Zinsen nicht mehr versteuert werden, weil bei der Einkommensteuer 2007 bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Darf die Bank in diesem Fall trotzdem Kapitalertragsteuer einbehalten?

 

Die Antwort steht in § 168 Abgabenordnung (AO). Danach gilt die Anmeldung der Kapitalertragsteuer als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Das hat zur Folge, dass Kapitalertragsteuer nur innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist angemeldet, einbehalten und abgeführt werden darf. Das „Festsetzungsfrist-Prüfungsschema“ für Zinsen aus dem Jahr 2007 sieht wie folgt aus.

 

  • Beurteilung des Einbehalts von Kapitalertragsteuer für 2007

Ende des Steuerjahrs 2007

31.12.2007

+

Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO)

3 Jahre

+

Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO)

4 Jahre

=

Ablauf der Festsetzungsfrist

31.12.2014

 

Folge: Die Bank darf in dem Beispiel im Jahr 2015 nur Kapitalertragsteuer auf die nachträglich gutgeschriebenen Sparbuchzinsen aus den Jahr 2008 bis 2014 einbehalten, nicht aber für die Zinsen, die auf das Jahr 2007 entfallen.

Wie holen Sie zu Unrecht einbehaltene Steuer zurück?

Es liegt nahe, im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2015 zu beantragen, dass das Finanzamt die für das Jahr 2007 zu Unrecht eingehaltene Kapitalertragsteuer auf die Steuerschuld anrechnet (§ 32d Abs. 4 EStG). Das funktioniert aber nicht, weil das Finanzamt im Jahr 2015 nur Kapitalertragsteuer anrechnet, die sich auf Kapitalerträge 2015 bezieht (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Da die Zinsen 2007 aber bereits am 31. Dezember 2007 als zugeflossen gelten, scheidet eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer 2007 im Jahr 2015 aus.

 

PRAXISHINWEIS | Die einzige Möglichkeit, gegen die zu Unrecht einbehaltene Kapitalertragsteuer vorzugehen, ist ein Antrag auf Erstattung einer Steuer, die ohne rechtlichen Grund gezahlt wurde (§ 37 Abs. 2 AO). Das sieht auch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 in Rz. 307 vor. Gehen Sie dazu wie folgt vor:

  • Lassen Sie sich von Ihrer Bank mitteilen, an welches Betriebsstätten-Finanzamt sie die zu Unrecht einbehaltene Kapitalertragsteuer abgeführt hat.
  • Ermitteln Sie, für welche Jahre die Bank die Kapitalertragsteuer bei nachgetragenen Sparbuchzinsen zu Unrecht abgeführt hat.
  • Beantragen Sie beim Betriebsstätten-Finanzamt der Bank die Erstattung der ohne rechtlichen Grund gezahlten Kapitalertragsteuer nach § 37 Abs. 2 AO.
 

Weiterführender Hinweis

  • In der nächsten Ausgabe geht WISO der Frage nach, wie Zins und Zinseszinsen steuerlich behandelt werden, wenn Erben ein altes Sparbuch finden.
Quelle: Seite 12 | ID 43552661