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· Fachbeitrag · Konjunkturpaket in der Corona-Krise

Beantragung von Überbrückungshilfen für Mandanten: So können Anwälte abrechnen

von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

| Rechtsanwälte können bis einschließlich Dezember 2020 für ihre Mandanten Corona-Überbrückungshilfen beantragen. Anspruchsberechtigt sind kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), Selbstständige und gemeinnützige Unternehmen und Organisationen, die durch die Corona-Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Hier stellt sich die Frage, wie Anwälte ihr diesbezügliches Tätigwerden abrechnen können. |

1. Eckpunkte der Überbrückungshilfe

Die Förderhöhe der Überbrückungshilfe bemisst sich nach den erwarteten Umsatzeinbrüchen der Fördermonate Juni bis Dezember 20 im Verhältnis zu den jeweiligen Vergleichsmonaten. Die Überbrückungshilfe erstattet pro Fördermonat im Vergleich zum Vorjahresmonat einen Anteil in Höhe von

  • 90 Prozent der förderfähigen Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch > 70 Prozent,
  • 60 Prozent der förderfähigen Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch ≥ 50 Prozent und ≤ 70 Prozent und
  • 40 Prozent der förderfähigen Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch ≥ 30 Prozent und < 50 Prozent (Stand 1.10.20).

 

MERKE | Bei Unternehmen bis zu fünf Beschäftigten beträgt der maximale Erstattungsbetrag 3.000 EUR pro Monat, bei Unternehmen bis zu zehn Beschäftigten 5.000 EUR pro Monat. Die maximalen Erstattungsbeträge für kleine Unternehmen können in begründeten Ausnahmefällen überschritten werden.

 

Außerdem sind im September 20 die Eintrittsschwelle für die Antragsteller flexibilisiert, die KMU-Deckelungsbeträge von 9.000 bzw. 15.000 EUR ersatzlos gestrichen und eine Personalkostenpauschale von 20 Prozent der förderfähigen Kosten bestimmt worden (Stand 15.10.20).

 

2. Vergütung: Auftrag ist entscheidend

Maßgeblich für die Frage, wie ein Rechtsanwalt in solchen Angelegenheiten abrechnen kann, ist der durch den Mandanten erteilte Auftrag:

 

a) Beratungsauftrag

Wenn der Rechtsanwalt damit beauftragt wird, den Mandanten nur zu beraten, erteilt er einen mündlichen oder schriftlichen Rat oder eine Auskunft nach § 34 Abs. 1 S. 1 RVG. Dies kann der Anwalt gemäß § 34 RVG abrechnen.

 

Beachten Sie | Die Überbrückungshilfen sind für Selbstständige gedacht. Solche Mandate unterfallen daher dem Unternehmerbegriff nach § 14 BGB.

 

Beachten Sie | Hier kann die Begrenzung der Vergütung bei einer Erstberatung auf 190 EUR (§ 34 Abs. 1 S. 3 RVG) bzw. bei einer Zweit-, Drittberatung etc. auf maximal 250 EUR (§ 34 Abs. 1 S. 2 RVG) nicht greifen. Eine solche Limitierung gilt nur bei Verbrauchern i. S. d. § 13 BGB.

 

PRAXISTIPP | Ein Rechtsanwalt kann bei solchen Beratungsaufträgen zuvor mit dem Mandanten eine Gebührenvereinbarung abschließen (§ 34 Abs. 1 S. 1 RVG). Ist dies nicht der Fall, kann der Anwalt eine taxmäßige Vergütung nach den Vorschriften der §§ 612, 632 BGB berechnen (§ 34 Abs. 1 S. 2 RVG). Gemeint ist hiermit die übliche Vergütung, die sich nach den Marktkriterien richtet. Sowohl die Branchen- als auch die Ortsüblichkeit spielen hierbei eine Rolle.

 

Letztendlich können Stundensätze in Ansatz gebracht werden. Diese fallen allerdings unterschiedlich aus, sodass die hierzu einschlägige unterschiedliche Rechtsprechung zu beachten ist. I. d. R. wird man von Stundensätzen zwischen 150 EUR (AG Fulda AGS 03, 353) und 190 EUR (AG Bielefeld AGS 10, 160; AG Siegburg RVG prof. 15, 183) ausgehen müssen.

 

b) Auftrag auf außergerichtliche Vertretung

Anders ist die Situation, wenn der Rechtsanwalt damit beauftragt wird, den Mandanten außergerichtlich zu vertreten. Hier kann er z. B. für den Mandanten den Antrag auf Überbrückungshilfe bei der zuständigen Stelle stellen oder ihn vertreten oder ggf. Rechtsmittel gegen einen Ablehnungsbescheid einlegen.

 

aa) Der Rechtsanwalt stellt nur den Antrag

Stellt der Rechtsanwalt für seinen Mandanten den Antrag auf Überbrückungshilfe, richtet sich die Vergütung nach Nr. 2300 VV RVG. Der Anwalt kann daher unter Berücksichtigung der Kriterien von § 14 Abs. 1 RVG eine Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 0,5 bis maximal 2,5 ausschöpfen.

 

Da es sich bei der Geschäftsgebühr um eine Wertgebühr handelt, muss der Rechtsanwalt einen entsprechenden Wert ermitteln. Dazu die folgenden Beispiele:

 

  • Beispiel 1: Antrag wird stattgegeben

Unternehmer U beauftragt den Rechtsanwalt R damit, für ihn eine Überbrückungshilfe zu beantragen. R stellt einen entsprechenden Antrag. Die zuständige Behörde bewilligt eine Hilfe von 15.000 EUR. Was kann R abrechnen?

 

Lösung

Hier ist der Wert zur Berechnung der Vergütung mit 15.000 EUR (§ 23 Abs. 3 S. 2 RVG) anzusetzen. R kann daher wie folgt (Mittelgebühr) abrechnen:

1,5-Geschäftsgebühr aus 15.000 EUR, Nr. 2300 VV RVG, § 14 Abs. 1 RVG

 

975,00 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RV

20,00 EUR

16 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

  159,20 EUR

1.154,20 EUR

 
  • Beispiel 2: Antrag wird abgelehnt

In Abwandlung zu Beispiel 1 lehnt die zuständige Behörde den Antrag ab. R legt dagegen keinen Widerspruch ein.

 

Lösung

Hier ist der Wert durch R selbst nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG zu ermitteln. Gibt es insofern Wertregelungen für die konkrete außergerichtliche Tätigkeit, wenn diese ‒ fiktiv ‒ in ein gerichtliches Verfahren übergehen würde, sind die für ein Gerichtsverfahren geltenden Wertvorschriften (vgl. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG) heranzuziehen. Es ist also nach einer Wertvorschrift für die Berechnung der Gerichtskosten zu suchen, wenn R Klage vor dem Verwaltungsgericht einreichen würde. So ist im Zweifel von einem Regelstreitwert von 5.000 EUR gemäß § 52 Abs. 2 GKG auszugehen (die Anträge auf Überbrückungshilfe werden i. d. R. allgemein gestellt und die Behörde teilt erst nach Prüfung der Voraussetzungen einen bestimmten Betrag zu).

 

R kann daher wie folgt (Mittelgebühr) abrechnen:

1,5-Geschäftsgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 2300 VV RVG, § 14 Abs. 1 RVG

 

454,50 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RV

20,00 EUR

16 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

  75,92 EUR

550,42 EUR

 

bb) Widerspruchsverfahren ist besondere Angelegenheit

Legt der Anwalt auftragsgemäß gegen einen Ablehnungsbescheid der Behörde Widerspruch ein, stellt das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende weitere Verwaltungsverfahren gemäß § 17 Nr. 1a RVG eine gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheit dar. Der Rechtsanwalt kann also sowohl das Verwaltungsverfahren als auch das Widerspruchsverfahren gesondert abrechnen.

 

Hierbei ist jedoch die Anrechnungsregelung nach Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV RVG zu beachten: Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren entstanden ist, wird diese Gebühr höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Geschäftsgebühr des weiteren Verwaltungsverfahrens angerechnet.

 

  • Beispiel 3: Gegen die Ablehnung wird Widerspruch eingelegt

In Abwandlung zu Beispiel 2 legt R auftragsgemäß gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch ein.

 

Lösung

Der Wert ist wie in Beispiel 2 zu ermitteln. R kann daher wie folgt (Mittelgebühr) abrechnen:

1. Verwaltungsverfahren (Streitwert 5.000 EUR)

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG, § 14 Abs. 1 RVG

454,50 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RV

20,00 EUR

16 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

  75,92 EUR

550,42 EUR

2. Widerspruchsverfahren (Streitwert 5.000 EUR)

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG, § 14 Abs. 1 RVG

454,50 EUR

abzgl. 0,75 aus 5.000 EUR gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV RVG

‒ 227,25 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RV

20,00 EUR

16 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

  39,56 EUR

286,81 EUR

 

c) Auftrag auf gerichtliche Vertretung

Im Fall der unbedingten gerichtlichen Beauftragung fallen die Vergütungsansprüche nach Nrn. 3100 ff. VV RVG an. In diesem Verfahrensstadium ist der Anwalt nicht unbedingt darauf angewiesen, den Wert selbst zu ermitteln. Er kann nach § 32 Abs. 2 RVG aus eigenem Recht die Festsetzung des Wertes beantragen. Ist dieser durch das Gericht ‒ rechtskräftig ‒ festgesetzt, ist dieser Wert für die Berechnung maßgebend (§ 32 Abs. 1 RVG).

 

MERKE | Hierbei wird neu nach dem KostRÄG 2021 die Anrechnungsregelung nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG zu beachten sein, d. h.: Die Geschäftsgebühr des Widerspruchsverfahrens wird zur Hälfte, maximal mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.

 
  • Beispiel 4: Gegen die Ablehnung wird Klage erhoben

In Abwandlung zu Beispiel 3 weist die Behörde den Widerspruch zurück. R erhebt auftragsgemäß Klage vor dem VG. Das Gericht weist die Klage nach mündlicher Verhandlung ab und setzt den Streitwert auf 10.000 EUR fest.

 

Lösung

Der gerichtlich festgesetzte Wert ist nach § 32 Abs. 2 RVG auch für das außergerichtliche Verfahren maßgeblich (§ 23 Abs. 1 S. 1, 3 RVG). R kann wie folgt abrechnen:

1. Verwaltungsverfahren (Streitwert 10.000 EUR)

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG, § 14 Abs. 1 RVG

837,00 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RV

20,00 EUR

16 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

 137,12 EUR

994,12 EUR

2. Widerspruchsverfahren (Mittelgebühr) (Streitwert 10.000 EUR)

1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG, § 14 Abs. 1 RVG

837,00 EUR

abzgl. 0,75 aus 10.000 EUR gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV RVG

‒ 418,50 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RV

20,00 EUR

16 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

 70,16 EUR

508,66 EUR

3. Gerichtliches Verfahren (Streitwert 10.000 EUR)

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

725,40 EUR

abzgl. 0,75 aus 10.000 EUR gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG

‒ 418,50 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

669,60 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002, VV RVG

20,00 EUR

16 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

 159,44 EUR

1.155,94 EUR

 

Weiterführende Hinweise

  • Anwälte können für Mandanten Überbrückungshilfen beantragen, AK 20, 147
Quelle: Seite 203 | ID 46856112