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· Fachbeitrag · Kostenrecht

Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Widerrufsfällen

| Der zeitlich verzögerte Widerruf von wirtschaftlich (inzwischen) nachteiligen Verträgen aufgrund einer unzureichenden Widerrufserklärung gehört zum regelmäßigen Alltag aller Rechtsdienstleister. Das wirft die Frage auf, ob und unter welchen Umständen der Widerrufende die ihm entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung von seinem ursprünglichen Vertragspartner verlangen kann. Das OLG Frankfurt hat sich mit dieser Frage exemplarisch am Fall der Rückzahlung eines Verbraucherdarlehens beschäftigt. |

Sachverhalt

Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank Rechtsanwaltskosten erstattet, die ihr im Zuge des Widerrufs von drei Verbraucherdarlehensverträgen entstanden sind. Daneben hat sie verschiedene Feststellungsanträge gestellt.

 

Im Februar 2010 schlossen die Parteien drei in einer Urkunde zusammengefasste Verbraucherdarlehensverträge. Mit Schreiben vom 19.6.16 widerrief die Klägerin als Darlehensnehmerin die Verträge, forderte die Beklagte zur Rückabwicklung auf und erklärte, dass sie den fälligen Betrag überweisen möchte. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 14.7.16 zurück. Die Klägerin beauftragte nun einen Rechtsanwalt, ihre Interessen wahrzunehmen. Dieser bekräftigte die Forderung auf Rückabwicklung sowie Abrechnung der Darlehensbeträge und stellte der Klägerin für diese Bemühungen knapp 1.000 EUR in Rechnung. Diesen Betrag möchte die Klägerin von der Beklagten ersetzt haben. Erstinstanzlich wurde die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Dagegen wendet sie sich ‒ erfolgreich ‒ mit ihrem Rechtsmittel der Berufung.

 

 

Entscheidungsgründe

Das OLG hat der Klägerin die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten im konkreten Einzelfall versagt, ohne ihn dem Grunde nach auszuschließen. Die Entscheidung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

 

Ein Gläubiger- bzw. Schuldnerverzug ist noch nicht begründet, wenn der Darlehensnehmer den Darlehensgeber nach Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags zur Rückabwicklung auffordert, ohne seine Forderung zu beziffern und der Darlehensgeber unter Darlegung seiner Rechtsauffassung den Widerruf zurückweist. Nur ausnahmsweise kommt der Darlehensgeber auch ohne ein wörtliches Angebot in Verzug, wenn er erkennen lässt, dass er nicht bereit ist, die ihm geschuldete Leistung anzunehmen (Abruf-Nr. 211737).

 

Anspruch aufgrund Schuldnerverzug?

Der Anspruch auf die Rechtsverfolgungskosten könnte sich als Schadenersatz aufgrund eines Schuldnerverzugs ergeben. Hier handelt es sich um den Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrags nach §§ 495, 355 BGB. Sobald der Darlehensnehmer den Widerruf wirksam erklärt hat, sind die beiderseits empfangenen Leistungen gemäß § 357a BGB spätestens nach 30 Tagen zurückzugewähren. Es entsteht dadurch also ein Rückgewährschuldverhältnis. In einem solchen Rückgewährschuldverhältnis müssen die Parteien die ihnen obliegenden Leistungspflichten nach §§ 348, 320 BGB Zug um Zug erfüllen. Somit kann der Darlehensgeber nur in Schuldnerverzug geraten, wenn der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber die von ihm selbst geschuldete Leistung so anbietet, dass der andere Teil in Annahmeverzug gerät (BGH 21.2.17, XI ZR 467/15, Abruf-Nr. 195368).

 

Nach Ansicht des OLG Frankfurt fehlt es im vorliegenden Fall an diesen Voraussetzungen. Der Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB setzt nämlich voraus, dass der Schuldner an den Gläubiger ein ordnungsgemäßes Angebot zur Leistungserbringung gerichtet hat. Dabei kann es sich um ein tatsächliches Angebot (§ 294 BGB) oder ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB) handeln. Gemäß § 296 BGB ist ein Angebot entbehrlich, wenn für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist.

 

Der Widerrufende hat zu wenig getan

Ein tatsächliches Angebot ist nach Auffassung des OLG nicht erfolgt. Dazu hätte die Klägerin als Widerrufende zugleich die von ihr geschuldete Geldleistung auf ein Konto der Beklagten überweisen oder der Beklagten als Barzahlung anbieten müssen.

 

Das Gericht hat auch kein wörtliches Angebot nach § 295 BGB vonseiten der Klägerin erkannt. Nach § 295 BGB genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners (Widerrufende), wenn der Gläubiger (Darlehensgeber) ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist.

 

Die Klägerin habe aber kein wörtliches Angebot abgegeben, nachdem die Beklagte erklärt hat, dass sie die angebotene Leistung nicht annehme. Nur ausnahmsweise komme der Darlehensgeber auch ohne ein wörtliches Angebot in Verzug, wenn er erkennen lässt, dass er nicht bereit sei, die ihm geschuldete Leistung anzunehmen. Dem Schreiben der Beklagten sei aber nicht zu entnehmen gewesen, dass sie die Annahme der Leistung verweigern wollte. In dem Schreiben seien lediglich Rechtsausführungen dargelegt worden.

 

Zudem lasse sich aus dem Schreiben des Rechtsanwalts der Klägerin ebenso keine Bereitschaft zur Leistungserbringung entnehmen. Selbst wenn dieses Schreiben des Rechtsanwalts ein wörtliches Angebot enthalten sollte, wäre die Beklagte erst in Schuldnerverzug geraten, als der Verfahrensbevollmächtigte bereits mandatiert war.

 

MERKE | Da die Geschäftsgebühr bereits mit der Informationsentgegennahme nach Auftragserteilung entsteht, beruht sie kausal nicht auf einem Verzug, der erst durch ein Rechtsanwaltsschreiben hergestellt wird.

 

Beachten Sie | Kosten der Rechtsverfolgung können nur gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden, wenn sich dieser bereits bei der Mandatserteilung in Verzug befindet. Eine Tätigkeit des Rechtsdienstleisters, die erst den Verzug herbeiführt, begründet keinen Verzugsschaden, da seine Kosten bereits zuvor verursacht wurden. Darauf muss bei der Erstberatung hingewiesen und ggf. ein nochmaliges Gläubigerschreiben iniziiert werden.

 

Anspruch wegen Pflichtverletzung aus § 280 Abs. 1 BGB?

Nach Auffassung des OLG Frankfurt kann der Anspruch auch nicht mit Erfolg auf § 280 Abs. 1 BGB gestützt werden.

 

  • § 280 Abs. 1 BGB im Wortlaut
  • (1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
 

Die Klägerin ist der Auffassung, der Anspruch sei begründet, da eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet worden sei. Das sei eine Pflichtverletzung. Rechtsverfolgungskosten sind nach Auffassung des Gerichts jedoch nur ersatzfähig, wenn sie sich auf einen vom Schädiger zu ersetzenden Schaden beziehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH soll die Widerrufsbelehrung nicht vor Entstehung von Rückgewähransprüchen schützen (BGH 21.2.17, XI ZR 467/15, Abruf-Nr. 195368).

 

Die unberechtigte Zurückweisung eines Widerrufs sei im Übrigen keine Pflichtverletzung, auf die ein solches Schadenersatzverlangen gestützt werden könne. Der Widerspruch des Vertragsgegners sei für die Wirksamkeit der Widerrufserklärung ohne rechtliche Bedeutung; es bestehe keine vertragliche Pflicht, die richtige Rechtsauffassung zu vertreten.

Relevanz für die Praxis

Die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten kommt also nur als Verzugsschadenersatzanspruch in Betracht, wenn der Anspruchsteller seinerseits alle Leistungen erbracht und die eigenen Ansprüche beziffert hat. Er wird in der Praxis also das Rückgewährschuldverhältnis erfüllen müssen. Während das bei Darlehensverträgen ohne Risiko möglich sein wird, wird in anderen Zusammenhängen geprüft werden müssen, mit wie viel Risiko dies verbunden ist.

Quelle: Seite 186 | ID 46142258