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· Fachbeitrag · Heimvertrag

Kündigung unwirksam: Heim muss gewisse Verhaltensauffälligkeiten hinnehmen

| Für viele ist es eine Erleichterung, für sich oder ältere Angehörige endlich einen Platz in einem Seniorenheim gefunden zu haben. „Auf Dauer“ soll es dann meist sein. Mit einer Kündigung rechnet man nicht. Doch auch hier kann es zu Kündigungen kommen. |

 

1. Zu dement für die Demenzabteilung?

Die Kündigung des Heimvertrags kam für die Angehörigen einer Seniorin überraschend. Die Dame war 2015 in die Demenzabteilung eines Heims gezogen. Nachdem sie nach einem Krankenhausaufenthalt medikamentös neu eingestellt wurde, zeigte sie sich viel unruhiger als zuvor. Das Heim erklärte die Kündigung und forderte den Auszug der Seniorin. Die Heimleitung behauptete, die alte Dame störe den Heimfrieden erheblich, laufe ständig umher, gehe in die Zimmer anderer Bewohner, öffne dort Türen und Fenster und schaue bei der Intimpflege zu. Sie sei aggressiv und boxe die Pflegekräfte, stelle ihnen und anderen Bewohnern das Bein und fahre sie mit dem Rollator an. Außerdem esse und trinke sie nicht mehr richtig. Sie sei eine Gefahr für sich und andere.

 

2. Gerichte weisen Räumungsklage ab

Das LG Osnabrück wies die Räumungsklage des Heims ab. Die Kündigung sei unwirksam. Das OLG Oldenburg bestätigte nun die Entscheidung des LG (28.5.20, 1 U 156/19, Abruf-Nr. 218330). Die Seniorin darf im Heim wohnen bleiben.

 

Musterformulierung / Unwirksame Kündigung des Heims

Kündigt das Heim den Heimvertrag, können Sie so argumentieren:

 

  • Ein Heimvertrag kann vonseiten des Heims nur aus wichtigem Grund gekündigt werden (§ 12 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz ‒ WBVG).

 

  • Voraussetzung ist, dass dem Heim ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist. Dies ist hier nicht der Fall.

 

    • Es muss eine Interessenabwägung erfolgen. Abzuwägen sind die Interessen des Bewohners, einen Umzug und die damit verbundenen Schwierigkeiten zu vermeiden und die Interessen des Heims, sich von dem Vertrag zu lösen.

 

    • Dabei muss berücksichtigt werden, dass dem Heim die Demenzerkrankung des Bewohners bereits bei seinem Einzug bekannt gewesen ist. Gewisse Verhaltensauffälligkeiten müssen daher hingenommen werden.

 

    • Es ist auch nicht erkennbar, dass es tatsächlich zu Sach- oder gar Körperschäden gekommen ist.

 

    • Das Heim hat nicht dargestellt, dass es bereits alle möglichen Maßnahmen ergriffen hat, um den Bewohner von dem geschilderten Verhalten abzuhalten.

 

    • Die Abwägung ergibt daher, dass sich das behauptete Verhalten des Bewohners in dem Rahmen bewegt, der von dem Betreiber eines Pflegeheims von Bewohnern einer Demenzabteilung noch hingenommen werden muss.
 
Quelle: Ausgabe 11 / 2020 | Seite 192 | ID 46831212