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· Fachbeitrag · Kritische Stellungnahme

Erfüllt der Schichtzettel im Taxigewerbe die Einzelaufzeichnungspflicht?

von RegR Edo Diekmann, LfSt Niedersachsen, Abteilung Steuer, Betriebsprüfungsreferat Oldenburg

| In dem Beitrag „Schichtzettel im Taxigewerbe: Hier ist einiges zu beachten, ansonsten drohen Hinzuschätzungen“ ( BBP 20, 330 ; Abruf-Nr. 46935116 ) hat sich der Autor mit dem Thema der Einzelaufzeichnungspflicht im Taxigewerbe auseinandergesetzt. Die vom RA Dr. jur. Jörg Burkhardt vertretene Auffassung entspricht jedoch nicht der Auffassung der Finanzverwaltung. Aus diesem Grund wird im Folgenden das Thema durch den Autor Edo Diekmann noch einmal aufgegriffen. |

1. Grundsätzliche rechtliche Bedenken

Die Darstellung in BBP 20, 330 ff. zur Frage, welche Inhalte eines Schichtzettels von der Finanzverwaltung gefordert werden, ist unvollständig und bedarf der Klarstellung. Dem Verfasser Dr. Burkhard ist zuzustimmen, dass es keine explizite Anforderung des Gesetzgebers nach einem Schichtzettel gebe. Aber in der Darstellung der erforderlichen Angaben des Schichtzettels fehlt die chronologisch richtige und zeitgerechte Aufzeichnung aller einzelnen Geschäftsvorfälle. Mit den in BBP 20, 330 veröffentlichten Inhalten eines Schichtzettels kann nicht überprüft werden, ob darin ggf. eine gemeindeübergreifende Fahrt mit einer Beförderungsstrecke > 50 km enthalten ist, bei der abweichend von anderen Taxifahrten der allgemeine Umsatzsteuersatz anzuwenden ist.

 

Das BFH-Urteil vom 26.2.04 (BStBl II 04, 599) wird wegen der gesetzlichen Klarstellung der Einzelaufzeichnungsverpflichtung im § 146 Abs. 1 S. 1 AO zum 1.1.17 nicht mehr als Fixpunkt für die Branchenrechtsprechung benötigt. Zudem ist der 2. Orientierungssatz des BFH-Urteils nicht (mehr) haltbar.

 

Auch die Kassenrichtlinie des BMF vom 26.11.20 (S 0316/08/10004-07 [KRL 2010]), aus der der Verfasser die Schichtzettelanforderungen offenbar übernommen hat, ist kritisch zu überprüfen. Fraglich ist, ob sie den ab 1.1.17 geltenden Anforderungen genügt. Die Kassenrichtlinie 2010 war insbesondere auf den Datenzugriff auf Kassen-Einzeldaten in elektronischen Registrierkassen fokussiert. Zudem sollte die alte Kassenrichtlinie vom 9.1.96 (V A 8 - S 0310-5/95) möglichst schnell aufgehoben werden. Die in der KRL 2010 enthaltenen Hinweise zum Zugriff auf Daten eines Taxameters oder Wegstreckenzählers verfolgten die Zielrichtung, das Zugriffsrecht der Außenprüfung auf digitale Grundaufzeichnungen in einem BMF-Schreiben darzulegen. Allerdings wurde nicht ausreichend dargestellt, dass ein Taxameter nur das elektronisch aufzeichnet, was in der EU-Richtlinie 2014/32/EG gefordert wird und auch nur dann, wenn nach der örtlichen Taxiordnung die Benutzung eines Taxameters vorgeschrieben wird. Eine Erfassung von Trinkgeldern, womöglich in der Differenzierung Trinkgeld-Unternehmer oder Trinkgeld-Arbeitnehmer ist ebenso wenig vorgesehen wie die Protokollierung einer Zahlungsart.

 

Bei näherer Befassung mit den Pflichtaufzeichnungen der Taxameter oder den weit geringeren Anforderungen an Wegstreckenzähler erscheint die KRL 2010 nur bedingt als Rechtsgrundlage geeignet zu sein, wie denn die Grundaufzeichnungen im Taxi- und Mietwagengewerbe beschaffen sein müssen.

2. Was ist vom Taxi- und Mietwagengewerbe zu beachten?

Aus § 145 Abs. 1 AO bzw. § 146 Abs. 1 AO ergeben sich folgende abgeleitete Anforderungen:

 

Jeder Geschäftsvorfall ist einzeln aufzuzeichnen. Aus dieser Aufzeichnung müssen sich

  • der Abfahrtsort,
  • die Länge der Fahrstrecke,
  • der Bestimmungsort,
  • der Fahrpreis und
  • die Zahlungsart ergeben.

 

Die Aufzeichnung des einzelnen Geschäftsvorfalls kann auf einem Erfassungsbeleg wie z. B. einem Schichtzettel (mit der Möglichkeit der Einzeldatenaufzeichnung) erfolgen. Alternativ können die Erfassung und Archivierung elektronisch durchgeführt werden.

 

Entscheidet sich der Unternehmer für die elektronische Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle und werden im elektronischen Aufzeichnungssystem lediglich die Fahrten im Pflichtfahrgebiet erfasst und archiviert, ist zusätzlich zum Nachweis der Vollständigkeit eine weitere, z. B. händische, Aufzeichnung mit der chronologischen Abfolge der Geschäftsvorfälle erforderlich.

 

PRAXISTIPP | Im Hinblick auf den Nachweis der Vollständigkeit der Eintragungen wird dringend empfohlen, den Kilometerstand des Fahrzeugs bei Beginn und Ende jedes Geschäftsvorfalls einzutragen.

 

Damit die Geschäftsvorfälle vollständig dokumentiert werden, sind im jeweiligen Fahrzeug in chronologischer Reihenfolge die Bar-, Rechnungs- und Kurierfahrten aufzuzeichnen. Ferner sind täglich bei Schichtende der Kilometerstand und die Schichtdaten laut Taxameter vom Fahrer aufzuzeichnen.

 

Beachten Sie | Zusätzlich empfiehlt es sich, die Überführungsfahrten zu anderen Standplätzen (Leerfahrten) und Privat- oder sonstige Fahrten zu dokumentieren.

3. Datenzugriffsrecht auf elektronisch erfasste Daten

Entsprechend der KRL 2010 besteht ein Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung auf die Speicherdaten im Taxameter oder Wegstreckenzähler. Im Taxameter oder Wegstreckenzähler vorhandene Speichermöglichkeiten für Einzeltouren und Sicherungsmöglichkeiten für den Nachweis der Vollständigkeit der erfassten Daten sollten niemals unterdrückt, sondern für den Datenzugriff bereitgehalten werden. Die allgemeinen Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD, BMF 28.11.19, IV A 4 - S 0316/13/10003; BStBl I, 1269) sind zu beachten.

4. Aufzeichnung der Arbeitszeit

Im Folgenden geht es speziell um die Aufzeichnung der Arbeitszeit für Zwecke der Lohnsteuer und des Mindestlohngesetzes (diesen Arbeitszeitaufzeichnungen unterliegt nicht, wer Unternehmer ist oder als „enges“ Familienmitglied unentgeltlich tätig wird).

 

Angestellte Fahrer müssen Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (abzüglich der Pausen) zur Prüfung der Erfüllung der Vorgaben des Mindestlohngesetzes aufzeichnen. Es gibt nach dem Mindestlohngesetz nur wenige Ausnahmen von dieser Aufzeichnungspflicht. Ergänzend hierzu wird empfohlen, dass der angestellte Fahrer oder der selbst fahrende Unternehmer zusätzlich zur Einzelaufzeichnung den Kilometerstand zu Beginn und Ende sowie die Beginn- und Endzeit der jeweiligen Schicht dokumentiert. Diese Aufzeichnungen können elektronisch oder händisch erfolgen. Sie müssen dem jeweils eingesetzten Fahrzeug (Kfz-Kennzeichen oder Taxameternummer) zuzuordnen sein.

5. Quittierung Trinkgeld

Umsatzsteuerlich dürfen angestellte Fahrer nur den Betrag lt. Taxameter quittieren. Hilfsweise kann der höhere Betrag mit getrenntem Ausweis des Taxameterbetrags und eines Trinkgeldes quittiert werden.

 

Erhält der Unternehmer selbst ein Trinkgeld auf den angezeigten Betrag laut Taxameter, ist dieser höhere Betrag zu quittieren. Dem Unternehmer zugewendete Trinkgelder sind bei der Ermittlung der Umsatzsteuer und für die Einkommensteuer als Einnahme zu berücksichtigen.

6. Umsatzsteuerliche Aufbewahrungspflicht für Rechnungsdoppel

Durchschriften der tatsächlich ausgestellten Rechnungen (Quittungen) sind aufzubewahren. Rechnungsvordrucke ohne Durchschlag oder ohne fortlaufende Nummer dürfen nicht verwendet werden (Nachweis der Vollständigkeit). Auf die Aufbewahrung eines Rechnungsdoppels kann nur verzichtet werden, wenn das Unternehmen ein elektronisches System einsetzt, aus welchem die Quittung reproduziert werden kann.

7. Gesondertes Fahrtenbuch zur Ermittlung eines privaten Nutzungsanteils

Ein gesondert geführtes Fahrtenbuch zur Ermittlung eines Privatnutzungsanteils eines als Taxi oder Mietwagen eingesetzten Kfz wird nur anerkannt, wenn die Chronologie aller Fahrten dargestellt wird. Das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 18.11.09 (IV C 6-S 2177/07/10004) enthält hinsichtlich des Inhalts händisch geführter Aufzeichnungen zur Ermittlung eines Privatnutzungsanteils folgende Erleichterung:

 

Bei Fahrten im sogenannten Pflichtfahrgebiet ist es in Bezug auf die Angaben zu Reisezweck, Reiseziel und aufgesuchtem Geschäftspartner ausreichend, täglich zu Beginn und Ende der Gesamtheit dieser Fahrten den Kilometerstand mit der Angabe „Taxifahrten im Pflichtfahrgebiet“ o. Ä. anzugeben. Werden die Taxifahrten durch Rechnungs-, Kurier- oder Privatfahrten unterbrochen, sind diese Fahrten einzeln aufzuzeichnen. Anderenfalls ist das Fahrtenbuch nicht prüfbar und somit nicht ordnungsgemäß geführt. Diese Regelungen entbinden den Unternehmer nicht von der in diesem Merkblatt dargestellten Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung der Geschäftsvorfälle. Bei einer Einzelaufzeichnung, ergänzt um die dargestellten Angaben für private Fahrten, werden die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch regelmäßig erfüllt sein.

8. Folgen von Mängeln

Klarstellend hier der Hinweis, dass eine offene Ladenkasse mit summarischer Ermittlung der Tageslosung durch Auszählung der Einnahmen aus den Tagesschichten nicht zulässig ist. Werden die Einzelaufzeichnungen nicht ordnungsgemäß geführt und aufbewahrt, ergibt sich keine Nachprüfbarkeit verdichteter Tagessummen im Kassenbuch. Die Kassenbuchführung des Unternehmens kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. In diesem Fall besteht für das Finanzamt ein Hinzuschätzungsgebot.

 

Je schwerer ein Unternehmen seine Mitwirkungs-, Aufzeichnungs- und Beweisvorsorgepflichten verletzt, desto überschlägiger kann das Hinzuschätzungsverfahren sein (bis hin zur griffweisen Schätzung). Auch ein Verstoß gegen die Einzelaufzeichnungspflicht kann von den Finanzämtern bereits als solcher dem zuständigen Finanzamt für Fahndung und Strafsachen gemeldet und als Ordnungswidrigkeit gem. § 379 Abs. 1 Nr. 3 AO verfolgt werden.

 

Zudem ist die Finanzbehörde berechtigt, nachhaltige Verstöße gegen steuerliche Pflichten an die Konzessionsbehörde bzw. einen Verdacht auf Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz an die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der zuständigen Zollbehörden zu melden.

 

Zum Autor | Der Verfasser dieses Beitrags war in 2009/2010 Mitglied einer Bund-/Länder-Arbeitsgruppe der Finanzverwaltung zur Erarbeitung der Kassenrichtlinie (KRL 2010)

 

Hinweis

  • Dieser Beitrag wurde vom Autor nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst, sondern gibt ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.
Quelle: Seite 21 | ID 47050059