· Fachbeitrag · Lohnpfändung
Inwieweit ist der geldwerte Anspruch auf Urlaubsabgeltung pfändbar?
| Nicht selten sehen sich Arbeitgeber mit Pfändungsansprüchen gegen ihre Arbeitnehmer konfrontiert. Eine spezielle Frage dabei ist, ob auch ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei Ausscheiden der Arbeitnehmer pfändbar ist. LGP hat RA Thorsten Leisinger von der WTS Steuerberatungsges. mbH, Frankfurt/M., gefragt. |
Frage: Ist die Urlaubsabgeltung, die einem Mitarbeiter bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach § 7 Abs. 4 BUrlG gezahlt werden muss, pfändbar und wenn ja, in welcher Höhe?
Antwort: Die Urlaubsabgeltung ist in voller Höhe als pfändbares Arbeitseinkommen anzusetzen.
Pfändbares Arbeitseinkommen
Bekommt der Arbeitgeber einen wirksamen allgemeinen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorgelegt, ist er - als Drittschuldner - nur soweit zum Einbehalt vom Arbeitslohn des Arbeitnehmers - Schuldner - verpflichtet, wie ein pfändbares Einkommen zur Verfügung steht. Der Arbeitgeber muss dabei den pfändbaren Betrag des Arbeitslohns selbstständig nach den §§ 850 ff ZPO ermitteln. Bei Unterhaltspfändungen wird in der Regel der unpfändbare Betrag, der dem Arbeitnehmer verbleibt, direkt festgesetzt.
Arbeitseinkommen mit Pfändungsschutz
Pfändungsschutz für den Arbeitslohn ergibt sich zum einen aus § 850c ZPO in Verbindung mit der jeweils gültigen Pfändungsfreigrenzenverordnung durch die Bestimmung von Pfändungsgrenzen.
PRAXISHINWEIS | Am 01.07.2017 ändern sich die Pfändungsfreigrenzen. Mehr dazu unten unter „Weiterführende Hinweise“. |
Darüber hinaus werden nach § 850a ZPO bereits vorab bestimmte Teile des Arbeitslohns von der Pfändbarkeit ausgenommen. Unpfändbar sind z. B.
- Gefahren- und Schmutzzulagen,
- Geburtsbeihilfen,
- 50 Prozent von Mehrarbeitsvergütungen,
- 50 Prozent des Weihnachtsgelds, maximal 500 Euro (dazu zählt auch die Jahressonderzahlung des § 20 TVöD; BAG, Urteil vom 18.05.2016, Az. 10 AZR 233/15, Abruf-Nr. 186249) sowie
- die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge, soweit diese nicht unangemessen sind.
Abgrenzung zwischen Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt
Nach dem Wortlaut des § 850a ZPO ist nur das so genannte Urlaubsgeld geschützt, also das Entgelt, das zusätzlich zur Vergütung während des Urlaubs gezahlt wird. Das Urlaubsentgelt an sich, also die reguläre Vergütung während des Urlaubs, ist dagegen nicht geschützt und damit pfändbar.
Urlaubsabgeltung als Besonderheit
Die dritte Vergütungsart, die im Zusammenhang mit Urlaub in Frage kommt, ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Der Arbeitgeber muss noch vorhandenen Urlaub, den der Arbeitnehmer wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nehmen kann, in Geld abgelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Die überwiegende Auffassung in der Literatur sowie das BAG sehen auch die Urlaubsabgeltung als pfändbares Einkommen an (BAG, Urteil vom 28.08.2001, Az. 9 AZR 611/99, Abruf-Nr. 020596).
Begründung des BAG: Der Urlaubsanspruch ist als Anspruch auf bezahlte Freistellung anzusehen, somit ist das während des Urlaubs gezahlte Entgelt normal pfändbarer Arbeitslohn. Für den anstelle des Urlaubs tretenden Urlaubsabgeltungsanspruch kann dann nichts anderes gelten.
Bei der Berechnung des pfändbaren Betrags nach § 850e ZPO sind Lohnzahlungen immer für den Abrechnungszeitraum zu berücksichtigen, in dem sie gezahlt bzw. für den sie hätten gezahlt werden müssen (§ 850c ZPO). Wird die Urlaubsabgeltung für einen Zeitraum nach Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlt, in dem in der Regel kein laufender Arbeitslohn mehr gezahlt wird, reduziert sich der pfändbare Arbeitslohn aus der Urlaubsabgeltung.
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Lediger AN beschäftigt bis 30.06.2017, LSt-Klasse 1, ohne KirSt, ohne Zusatzbeitrag, keine unpfändbaren Bezüge | Urlaubsabgeltung zuzüglich zum laufenden Gehalt | Urlaubsabgeltung ohne laufendes Gehalt (Aus-zahlung nach Ende des Arbeitsverhältnisses) |
Bruttobezüge | 2.800,00 Euro | 0,00 Euro |
Urlaubsabgeltung | + 1.500,00 Euro | + 1.500,00 Euro |
Gesamt | 4.300,00 Euro | 1.500,00 Euro |
Nicht pfändbar SV und Lohnsteuer (§ 850e ZPO) | ./. 1.602,72 Euro | ./. 641,17 Euro |
Netto | 2.697,28 Euro | 858,83 Euro |
Pfändbarer Betrag laut Tabelle | 1.131,28 Euro | 0,00 Euro |
FAZIT | Oft wird die Urlaubsabgeltung mit dem letzten Gehalt ausgezahlt. Fällig wird die Abgeltungszahlung aber erst nach Ende des Arbeitsverhältnisses. Bei einer vorliegenden Pfändung kann eine zeitliche Verschiebung der Auszahlung auf einen Zeitraum nach der letzten Lohnzahlung erhebliche Auswirkungen haben. |
Weiterführende Hinweise
- Tabelle der bis zum 30.06.2017 gültigen Pfändungsfreigrenzen → Abruf-Nr. 43379788
- Tabelle der ab 01.07.2017 gültigen Pfändungsfreigrenzen → Abruf-Nr. 44639152
- Beitrag „Das pfändbare Arbeitseinkommen ist nach der „Nettomethode“ zu ermitteln“, LGP 2/2014, Seite 25 → Abruf-Nr. 42474215