· Fachbeitrag · Mietaufhebungsvertrag
Untermietvertrag schließt einvernehmliche Aufhebung des Hauptmietvertrags nicht aus
von RiOLG a.D., Günther Geldmacher, Düsseldorf
| Dürfen Vermieter und Mieter den Hauptmietvertrag einvernehmlich aufheben und dadurch dem Untermieter die Vertragsgrundlage entziehen? Ist diese Vorgehensweise noch von der Vertragsfreiheit gedeckt oder schon sittenwidrig? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die aktuelle Entscheidung des gewerblichen Mietsenats, die den Räumungsstreit um die Frankfurter Galopprennbahn betrifft. |
Sachverhalt
Unter maßgeblicher Beteiligung des Zeugen H, der bis 8/14 Präsident des Beklagten und alleiniger Geschäftsführer/Gesellschafter der späteren Hauptmieterin war, beschloss die Klägerin als Eigentümerin des Galopprennbahngeländes, dass der örtliche Rennverein das Rennbahngelände betreiben sollte. Zur Vermeidung finanzieller Risiken aufgrund von Insolvenzen früherer Betreiber sollte als Mieterin eine GmbH zwischengeschaltet werden, die ihrerseits einen mit dem Hauptmietvertrag im Wesentlichen gleichlautenden Nutzungsüberlassungsvertrag mit dem Verein abschließen sollte.
Die Klägerin vermietete das Rennbahngelände bis 8/2024 (nebst Verlängerungsoption) an die F GmbH. Diese übertrug dem Beklagten mit Geschäftsbesorgungsvertrag bis 8/2024 ihre aus dem Mietvertrag mit der Klägerin resultierende Verpflichtung zur Durchführung von Pferderennen auf der Galopprennbahn. Die Vereinbarung konnte von beiden Parteien mit einer Frist von 2 Monaten zum 30.6. oder 31.12. eines jeden Jahres gekündigt werden.
- In 3/14 unterzeichneten die Klägerin und der DFB die Absichtserklärung, dass diesem das Rennbahngelände ab 1/16 zur Errichtung einer Fußballakademie zur Verfügung gestellt werden sollte.
- In 8/14 übernahm die Klägerin mit notariell beurkundetem Kauf- und Abtretungsvertrag die Geschäftsanteile des Zeugen H. Zugleich wurde der Hauptmietvertrag mit sofortiger Wirkung aufgehoben und die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung von 2.980.000 EUR an den Zeugen H persönlich. Damit war der Kaufpreis abgegolten.
Neben dem Zeugen H (für die F GmbH) kündigte auch die Klägerin den Geschäftsbesorgungsvertrag und forderte den Beklagten zur Herausgabe des Rennbahngeländes spätestens zum 31.12.15 auf.
Die Räumungsklage hat in den Instanzen Erfolg. Auf die Widerklage stellt das OLG fest, dass der Mietaufhebungsvertrag im Verhältnis zum Beklagten wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sei. Lediglich die Revision der Klägerin hat Erfolg.
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(Abruf-Nr. 196709) |

Entscheidungsgründe
Der Mietaufhebungsvertrag ist nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können die Parteien eines Mietvertrags unabhängig von einer vereinbarten Mietzeit das Mietverhältnis jederzeit durch einen Aufhebungsvertrag (§ 311 Abs. 1 BGB) vorzeitig beenden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Mieter einen Untermietvertrag geschlossen oder einem Dritten auf einer anderen rechtlichen Grundlage die Mietsache zur Nutzung überlassen hat.
In diesen Fällen kann ein Mietaufhebungsvertrag jedoch sittenwidrig sein, wenn für den Vermieter und den Mieter kein vernünftiger Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses besteht und der Zweck des Mietaufhebungsvertrags allein darin liegt, dass der Eigentümer wieder Alleinbesitz an dem Mietobjekt erlangt. Eine gemeinsame (subjektive) Schädigungsabsicht der vertragsschließenden Parteien reicht zur Annahme einer Sittenwidrigkeit allein noch nicht aus. Erforderlich ist außerdem, dass der Vertrag die Rechtsstellung des Dritten tatsächlich verschlechtert. Ein für den Dritten objektiv nicht nachteiliges Rechtsgeschäft erfüllt den Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB nicht. Deshalb ist der Abschluss eines Mietaufhebungsvertrags dann nicht sittenwidrig, wenn dem Hauptmieter ‒ wie hier ‒ gegen den Dritten ein Kündigungsrecht zusteht, mit dem er dessen Gebrauchsmöglichkeit zeitnah beenden kann.
Sowohl für die Klägerin als auch für die F GmbH bestanden vernünftige Gründe dafür, den Mietvertrag vorzeitig aufzuheben. Die Klägerin als Eigentümerin kann grundsätzlich frei darüber entscheiden, wie sie das Rennbahngelände in der Zukunft nutzen will. Gerade im Hinblick darauf, dass der Rennbahnbetrieb in der Vergangenheit stets defizitär war, wie sich aus den verschiedenen Insolvenzen der Vorbetreiber ergibt, ist es nachvollziehbar, dass sich die Klägerin um eine andere wirtschaftliche Verwertung des Geländes bemühte.
Auch für die F GmbH bestand ein vernünftiger Grund, das Mietverhältnis mit der Klägerin vorzeitig zu beenden. Sie hatte in dem Mietvertrag weitreichende Pflichten (Zahlung der jährlichen Miete plus aller Nebenkosten, Dach-und Fachklausel für sämtliche Gebäude, Instandsetzung sämtlicher Beschädigungen, infolge des Rennbahnbetriebs am Mietgegenstand, Verzicht auf alle Schadenersatzansprüche gegen die Vermieterin) übernommen, die zu erheblichen finanziellen Belastungen der Gesellschaft führten. Die zur Erfüllung dieser Pflichten erforderlichen finanziellen Mittel konnte die GmbH in der Vergangenheit aus dem Rennsportbetrieb nicht erwirtschaften. Es war auch nicht zu erwarten, dass dies in der Zukunft anders sein würde. Dass sich der Zeuge H als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Mieterin unter diesen Voraussetzungen zur Beendigung des Mietverhältnisses entschloss, ist eine betriebswirtschaftliche Entscheidung, die nachvollziehbar ist und für sich genommen nicht als verwerflich beurteilt werden kann.
Relevanz für die Praxis
Der BGH macht den Weg frei für den Bau der DFB-Akademie auf dem Gelände der Frankfurter Galopprennbahn. Er stellt nach sorgfältiger Würdigung der zugrunde liegenden Interessenlage fest, dass der Mietaufhebungsvertrag nicht wegen Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Damit war das Hauptmietverhältnis beendet und die Beklagte gemäß § 546 Abs. 2 BGB zur Räumung und Herausgabe an die Klägerin verpflichtet.
Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Sittenwidrig ist nach BGH ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.
Beachten Sie | Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann.
Die Mitwirkung eines Dritten an dem Vertragsbruch einer Partei begründet hiernach für sich genommen nicht den objektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit; es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die sein Verhalten als sittenwidrige Schädigung erscheinen lassen. Das heißt: In dem Eindringen des Dritten in die Vertragsbeziehungen muss ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Geschädigten hervortreten. Dies ist etwa der Fall,
- wenn der Dritte eine Vertragspartei zum Vertragsbruch verleitet,
- kollusiv mit ihr zusammenwirkt
- oder die Verletzung vertraglicher ‒ beispielsweise gesellschaftsrechtlicher ‒ Treuepflichten bewusst unterstützt.
Beachten Sie | Einschränkend konstatiert der BGH, dass die Schwelle, von der ab der Einbruch in fremde Vertragsbeziehungen als Verstoß gegen die guten Sitten zu bewerten ist, jedoch nicht zu niedrig angesetzt werden darf.
Unter den in den Entscheidungsgründen beschriebenen Umständen schafft der BGH die Möglichkeit, ein Untermietverhältnis ‒ ebenso wie hier die Nutzungsüberlassung aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrags ‒ durch Abschluss eines Mietaufhebungsvertrag zwischen Vermieter und Hauptmieter (zumindest faktisch) zu beenden.
Wird das Hauptmietverhältnis aufgehoben, ohne dass zeitgleich das Untermietverhältnis zwischen Mieter und Untermieter beendet wird bzw. beendet werden kann, kann der Mieter diesem den Besitz an der Mietsache nicht mehr verschaffen (§ 275 BGB). Folge: Dem Untermieter, der sich bei vernünftigen Gründen für den Abschluss des Mietaufhebungsvertrags ‒ wie sie hier vorliegen ‒ nicht wehren kann (KG ZMR 88, 137), kann ein Schadenersatzanspruch aus § 536 Abs. 3, § 536a Abs. 1 BGB zustehen. Das kann für den Mieter ‒ anders als hier ‒ teuer werden.
Beachten Sie | Bei der Vertragsgestaltung sollte deshalb auf einen zeitlichen Gleichlauf von Haupt- und Untermietverhältnis geachtet werden (Burbulla, MietRB 18, 198). Bei einer Formularklausel sind die Hürden des AGB-Rechts zu beachten, wenn die Klausel hinsichtlich der Art des Beendigungsgrunds nicht danach differenziert, ob sie auf einer vom Hauptmieter (Untervermieter) „verschuldeten“ Kündigung oder aber auf einer Vertragsbeendigung in „sonstiger Weise“ beruht (instruktiv hierzu Burbulla, MietRB 18, 213).
Hier war dem Beklagten r‒ anders als der Hauptmieterin ‒ keine Option zur Verlängerung des Vertragsverhältnisses eingeräumt. Der Geschäftsbesorgungsvertrag war jedoch für beide Parteien halbjährlich mit einer Frist von 2 Monaten zum Halbjahresende kündbar. Der BGH hat die Auslegung der Vor-instanz gebilligt, dass die vereinbarte Vertragslaufzeit als eine Höchstlaufzeit zu verstehen sei, zu der der Geschäftsbesorgungsvertrag spätestens habe enden sollen, falls er nicht zuvor von einer der Vertragsparteien gekündigt worden sei. Damit war etwaigen Schadenersatzansprüchen des Beklagten der Boden entzogen.
Weiterführender Hinweis
- Zum Schadenersatzsanspruch und Fristsetzung, MK 18,130