· Fachbeitrag · MiLoG
So werden Zuschläge und Sonderzahlungen beim Mindestlohn berücksichtigt
von RiArbG Klaus Griese, Hamm
| Der ArbG schuldet den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Dieser Mindestlohnanspruch wird durch die Entgeltzahlungen als Gegenleistung für die geleistete Arbeit erfüllt. Die Erfüllungswirkung fehlt nur solchen Zahlungen, die der ArbG ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung des ArbN erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zum Beispiel § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhen. |
Sachverhalt
Der ArbN hat nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag Anspruch auf ein Monatsgehalt sowie besondere Lohnzuschläge für Überstunden, Nachtarbeit etc. Daneben hat er Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Im Dezember 2014 schloss der ArbG mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, wie die Jahressonderzahlungen ausgezahlt werden sollen. Seit Januar 2015 zahlt der ArbG dem ArbN monatlich neben dem Bruttogehalt in Höhe von 1.391,36 EUR je 1/12 des Urlaubs- und des Weihnachtsgelds, insgesamt 1.507,30 EUR brutto.
Der ArbN hat geltend gemacht, sein Monatsgehalt und die Jahressonderzahlungen müssten ebenso wie die vertraglich zugesagten Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 EUR brutto/Stunde geleistet werden. Er verlangt die Differenz zum tatsächlich gezahlten Bruttomonatslohn.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das LAG hat dem ArbN Nachtarbeitszuschläge in Höhe von 0,80 EUR brutto zugesprochen und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des ArbN hatte beim BAG keinen Erfolg. Der 5. Senat (BAG 25.5.16, 5 AZR 135/16, Abruf-Nr. 186541) ist der Ansicht, der ArbN habe aufgrund des MiLoG keinen Anspruch auf erhöhtes Monatsgehalt, erhöhte Jahressonderzahlungen sowie erhöhte Lohnzuschläge. Der gesetzliche Mindestlohn trete als eigenständiger Anspruch neben die bisherigen Anspruchsgrundlagen, verändere diese aber nicht. Der nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bemessene Mindestlohnanspruch des ArbN sei erfüllt, denn auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonderzahlungen komme Erfüllungswirkung zu.
Relevanz für die Praxis
Das Urteil bringt „Licht in das Dunkel“ und bestätigt die bisherige überwiegende Instanzrechtsprechung. Das MiLoG sichert einen Mindestlohnanspruch pro geleisteter Arbeitsstunde, verändert aber im Übrigen den Arbeitsvertrag nicht. Da in jedem Lohn „auch ein Stück Mindestlohn steckt“, soll das Gesetz nur gewährleisten, dass ArbN keinen geringeren als den Mindestlohn erhalten.
Welche Zuschläge und Sonderzahlungen sind anrechenbar?
- Nachtarbeitszuschläge sind wegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 6 Abs. 5 ArbZG auf das zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Dieses beträgt 8,50 EUR pro geleisteter Zeitstunde seit dem 1.1.15. Insoweit hat das LAG der ArbN zu Recht 0,80 EUR zugesprochen.
- Die übrigen im Arbeitsvertrag vereinbarten Zuschläge sind auf den Mindestlohn anrechenbar. Denn der ArbN hat keinen gesetzlichen Anspruch auf Sonn- und Feiertags-, Überstunden- und Spätschichtzuschläge.
- Einmalzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind anrechenbar, sofern die Normalarbeitsleistung vergütet werden soll. Jedoch nur in dem Monat, in dem die Zahlung erfolgt und auch nur dann, wenn die Zahlung vom ArbG nicht zurückgefordert werden kann, etwa bei vorzeitigem Ausscheiden des ArbN. Durch die Betriebsvereinbarung (Rechtsgrundlage ist § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG) ist die Sonderzahlung ratierlich jeden Monat gezahlt worden und somit anrechenbar.
- Wird die Einmalzahlung ohne Rücksicht auf die erbrachte Arbeitsleistung geleistet, ist diese nach BAG unter Umständen nicht anrechenbar. Ob damit auch solche Leistungen gemeint sind, die selbst dann geschuldet sind, wenn der ArbN dauerhaft arbeitsunfähig krank ist und keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach EFZG hat, ist zurzeit offen.
- Wird die „Normalleistung“ von 100 Prozent, etwa beim Prämien- oder Akkordlohn mit weniger als 8,50 EUR pro Zeitstunde vergütet, hat der ArbN einen Anspruch auf den Mindestlohn von 8,50 EUR. Damit wird dann aufgestockt. Akkordzulagen, die wegen einer „Mehrleistung“ über 100 Prozent gewährt werden, sind wohl auch weiterhin auf den Mindestlohn nicht anrechenbar. Dies bedeutet, dass der ArbG 8,50 EUR Grundlohn zuzüglich der Akkordzulage zahlen muss. Diese muss nach der oben genannten Betrachtung abhängig von 8,50 EUR gewährt werden.
|
ArbN A ist als Produktionsmitarbeiter im Akkord beschäftigt. Der Akkordlohn beträgt für 100 Prozent Arbeitsleistung 7,50 EUR pro Stunde bei 172 St./Monat.
Im November erbringt A die Normalleistung (100 Prozent) und hat Anspruch auf „Aufstockung“ auf 8,50 EUR pro Stunde (Mindestlohn = 1.462 EUR).
Im Dezember erbringt A 120 Prozent Leistung (= Stundenlohn inklusive Akkordzulage 8,50 EUR). Er hat Anspruch auf Mindestlohn in Höhe von 1.462 EUR + 292,40 EUR Akkordzulage. Denn mit der Akkordzulage wird nicht die Normalleistung vergütet, sondern die darüber hinaus erbrachte Leistung. |
Weiterführender Hinweis
- Wie werden Sonderzahlungen auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet? LAG Berlin-Brandenburg in AA 16, 46