· Fachbeitrag · Mindestlohn
So berechnen Sie bei Feiertagsvergütung und Nachtarbeitszuschlag den Mindestlohn richtig
von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA ArbR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen
| Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen bestimmt sich ‒ soweit kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergütungsanspruch besteht ‒ nach § 2 EFZG in Verbindung mit § 1 MiLoG. Sieht ein Tarifvertrag einen Nachtarbeitszuschlag vor, der auf den tatsächlichen Stundenverdienst zu zahlen ist, ist auch dieser mindestens aus dem gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen. |
Sachverhalt
Der ArbN ist langjährig beim ArbG beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis wird der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie (MTV) angewendet. Dieser sieht unter anderem einen Nachtzuschlag von 25 Prozent und ein Urlaubsentgelt in Höhe des 1,5-fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes vor.
Für Januar 2015 zahlte der ArbG dem ArbN den vertraglichen Stundenverdienst von 7,00 EUR bzw. 7,15 EUR. Aufgrund des Mindestlohns von 8,50 EUR zum 1.1.15 wurde zudem eine „Zulage nach MiLoG“ gezahlt. Darüber hinaus erhielt der ArbN Zuschläge für Feiertags- und Nachtarbeit, sowie Urlaubsentgelt nebst Urlaubsgeld für einen Urlaubstag. Die Berechnung dieser Positionen ist nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung erfolgt. Das gezahlte Urlaubsgeld wurde vollständig auf die Mindestlohnansprüche des ArbN angerechnet. Der ArbN verlangt mit seiner Klage, dass alle im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit 8,50 EUR brutto vergütet werden. Er ist der Ansicht, auch der Nachtarbeitszuschlag sei auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen.
Die Vorinstanzen gaben der Klage statt (unter anderem Sächsisches LAG 27.1.16, 2 Sa 375/15).
Entscheidungsgründe
Die Revision des ArbG blieb vor dem BAG erfolglos (20.9.17, 10 AZR 171/16, Abruf-Nr. 196958). Der 10. Senat begründete dies mit dem Gesetzeszweck des MiLoG, der auf die Unabdingbarkeit des Mindestlohns gerichtet ist. Das MiLoG stelle zwar direkt nur auf Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden ab. Der gesetzliche Mindestlohn sei jedoch aufgrund seiner Unabdingbarkeit die Berechnungsgrundlage für die hier im Streit stehenden weiteren Vergütungsbestandteile.
Nach dem Entgeltausfallprinzip des § 2 Abs. 1 EFZG habe der ArbG für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem ArbN das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Dies gelte auch für den gesetzlichen Mindestlohn. Ein Rückgriff des ArbG auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheide wegen der Unabdingbarkeit des Mindestlohns aus.
Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssten nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls mindestens auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns berechnet werden, da dieser Teil des tatsächlichen Stundenverdienstes im Sinne des MTV sei. Eine Anrechnung des gezahlten Urlaubsgelds auf Ansprüche nach dem MiLoG könne nicht erfolgen. Der Tarifvertrag gebe hierauf einen eigenständigen Anspruch, der nicht als Entgelt für die geleistete Arbeit entstehe. Daher sei Urlaubsgeld zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.
Relevanz für die Praxis
Das Urteil schafft weitere Klarheit im Umgang mit dem Mindestlohn. Seit dem allgemeinen und flächendeckenden Mindestlohn zum 1.1.15 erhielt das BAG mehrfach Gelegenheit, die Unabdingbarkeit der gesetzlichen Lohnuntergrenze von seinerzeit 8,50 EUR und nunmehr 8,84 EUR zu unterstreichen. Eine Verrechnung sonstiger Entgeltbestandteile ist danach grundsätzlich ausgeschlossen. Sie kann nur erfolgen, wenn die Vergütung für geleistete Arbeit gezahlt wird (BAG 25.5.16, 5 AZR 135/16, Abruf-Nr. 186541 ‒ Umlage von Jahressonderzahlungen in monatliche Zahlungen). Auch den Mindestlohn durch Nettoabzüge faktisch zu reduzieren, beanstandete das BAG (14.6.16, 9 AZR 181/15, Abruf-Nr. 187066 ‒ Kosten für Hygienekleidung).
Daher ist ausgehend vom Willen des Gesetzgebers, den Mindestlohn unabdingbar zu gestalten, mindestens dieser als Ausgangsbasis für die Berechnung weiterer Vergütungsbestandteile heranzuziehen. Diese stellen ja ebenfalls auf den Stundenlohn ab.
Checkliste / Mindestlohn und Vergütungsbestandteile |
|
Weiterführende Hinweise
- Ausschlussfristen mit Mindestentgelt: zu gefährlich und nicht empfehlenswert! BAG in AA 16, 167
- „Nachtarbeit“ versus „Schichtarbeit“ ‒ der Unterschied macht‘s: LAG München in AA 17, 41
- Nur tatsächliche Mehrarbeit im Bereitschaftsdienst ist „1 zu 1“ durch Freizeit auszugleichen: BVerwG in AA 17, 9
- Neues zum Anspruch der ArbN auf Vergütung von Arbeit bzw. Mehrarbeit: Griese in AA 16, 100