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· Fachbeitrag · Mitbestimmungsrecht

Infostand der Gewerkschaft kann durch den Betriebsrat nicht verhindert werden

| Der Betriebsrat kann den ArbG nicht auf Unterlassung in Anspruch nehmen, im Betrieb beschäftigten Gewerkschaftsmitgliedern zu untersagen, einen gewerkschaftlichen Informationsstand aufzubauen und gewerkschaftliches Informationsmaterial zu verteilen. Der Betriebsrat hat insoweit kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. |

 

Sachverhalt

Der Betriebsrat und der ArbG streiten um einen Unterlassungsanspruch. Der ArbG betreibt ein Krankenhaus. Am „Internationalen Tag der Pflege“ bauten vier ArbN, die Mitglieder der Gewerkschaft ver.di sind, außerhalb ihrer Arbeitszeit vor der Krankenhauskapelle einen Informationsstand auf, an dem sie einen Aufruf zu einer Demonstration verteilten und Unterschriften für den NRW-Appell für mehr Krankenhauspersonal der Gewerkschaft sammelten. Die Pflegedienstleiterin untersagte diese Aktion. Mit seinem beim Arbeitsgericht Siegburg eingegangenen Antrag macht der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch geltend. Er vertritt die Ansicht, dass die von der Pflegedienstleiterin erteilte Weisung das Ordnungsverhalten der ArbN betreffe und somit nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG seiner Mitbestimmung unterlegen habe.

 

Das Arbeitsgericht wies die Anträge zurück. Der Betriebsrat könne nicht aus eigenem Recht vom ArbG verlangen, eine koalitionsspezifische Betätigung von ArbN zu dulden, bis der Betriebsrat einer Weisung, die konkrete Betätigung zu unterlassen, zugestimmt habe oder die Zustimmung durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden sei. Gegen diesen Beschluss geht der Betriebsrat nunmehr vor.

 

Entscheidungsgründe

Das LAG Köln (24.8.18, 9 TaBV 7/18, Abruf-Nr. 205131) hielt die Beschwerde des Betriebsrats für unbegründet.

 

Ein Betriebsrat könne zwar nicht nur die Beseitigung eines mitbestimmungswidrigen Zustands verlangen. Er könne sich auch gegen zu erwartende weitere Verstöße des ArbG gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG ‒ unabhängig von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG ‒ im Wege eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs wehren. Die Anweisung gegenüber Beschäftigten, den aufgebauten Informationsstand abzubauen und das Verteilen von Flugblättern sowie das Sammeln von Unterschriften für den NRW-Appell für mehr Krankenhauspersonal der Gewerkschaft ver.di zu unterlassen, unterliege jedoch nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das LAG argumentierte wie folgt:

 

  • Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehe nur bei kollektiven Tatbeständen. Die betreffende Angelegenheit müsse einen kollektiven Bezug haben. Ein solcher Tatbestand liege vor, wenn sich eine Regelungsfrage stelle, welche die kollektiven Interessen der Belegschaft berühre. Hier beständen erhebliche Zweifel. Betroffen sei hier nicht das kollektive Interesse der Belegschaft, sondern die gewerkschaftliche Betätigung von vier ArbN, die allenfalls Ausstrahlungen auf die übrige Belegschaft habe.
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  • Ein ArbG könne einzelnen ArbN aufgrund seines Direktionsrechts Anweisungen erteilen, selbst wenn diese sich auf ihr Verhalten bezüglich der betrieblichen Ordnung beziehen sollten. Gleiches gelte für Anweisungen, die in Ausübung des Hausrechts ergingen. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen habe die Pflegedienstleiterin den ArbN untersagt, vor der Krankenhauskapelle einen Informationsstand aufzubauen, um einen Aufruf zu einer Demonstration zu verteilen und Unterschriften für den NRW-Appell für mehr Krankenhauspersonal der Gewerkschaft zu sammeln. Damit habe die Pflegedienstleiterin, was die Untersagung der Nutzung des Betriebsgeländes vor der Krankenhauskapelle angehe, das Hausrecht des ArbG ausgeübt. Dabei handele es sich um eine auf einen bestimmten Anlass bezogene Maßnahme, die weder eine generelle Regelung zur Ausübung von Gewerkschaftsrechten im Betrieb treffe, noch präjudizielle Bedeutung für andere gewerkschaftliche Aktionen gehabt habe.

 

  • Die Anweisung, den vor der Krankenhauskapelle aufgebauten Informationsstand abzubauen und das Verteilen von Flugblättern sowie das Sammeln von Unterschriften für den NRW-Appell für mehr Krankenhauspersonal der Gewerkschaft ver.di zu unterlassen, betreffe zudem keine Frage der betrieblichen Ordnung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Ausübung von Gewerkschaftsrechten im Betrieb wie der Aufbau eines Informationsstands oder Untersagen würden keine Ordnungsfrage darstellen und seien damit nicht Gegenstand der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Gewerkschaft und Betriebsrat seien institutionell getrennt. § 2 Abs. 1 BetrVG sehe nur ein Zusammenwirken des Betriebsrats mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften vor. Die Bedingungen dieser Zusammenarbeit würden dabei nicht zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft ausgehandelt, sondern durch Gesetz oder Tarifvertrag festgelegt werden.

 

  • Selbst wenn eine gewerkschaftliche Betätigung und deren Ausgestaltung als Frage der betrieblichen Ordnung in Betracht käme, wäre diese gemäß § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats entzogen, weil ihm insoweit von Gesetzes wegen keine Regelungsbefugnis zustehe.

 

Relevanz für die Praxis

Die gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit ist hoch. Daher kann der Betriebsrat auch nicht ohne Weiteres vom ArbG verlangen, einzugreifen. Es fehlt in der Regel am kollektiven Bezug solcher Weisungen und an der Regelungsbefugnis des Betriebsrats. Solange nur der Betriebsrat ‒ und nicht die Gewerkschaft selbst ‒ gegen ihn vorgeht, befindet sich der ArbG, der entsprechende Anordnungen aufrechterhält, rechtlich auf der sicheren Seite.

Quelle: Seite 5 | ID 45648063