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· Fachbeitrag · Mitunternehmeranteile

Schenkung von KG-Anteilen ohne Sonder-BV in der Schnittmenge von § 6 Abs. 3 EStG und 13b ErbStG

von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

| Der BFH hat in zwei Urteilen vom 17.6.20 wichtige schenkungsteuerliche Aussagen zur Übertragung von Mitunternehmeranteilen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge getroffen. Die Entscheidung II R 33/17 bedarf einer Abgrenzung zur Entscheidung II R 38/17 und zugleich einer Klärung des Verhältnisses der Steuerverschonung gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zu § 6 Abs. 3 EStG. Ziel vieler vorweggenommener Erbfolgen wird es nämlich sein, die Steuerbegünstigung für inländisches Betriebsvermögen mit der Buchwertübertragung gemäß § 6 Abs. 3 EStG zu verknüpfen. |

1. Vom BFH aufgestellte „Leitplanken“

Zum einen hat der BFH entschieden, dass die Steuerbegünstigung für inländisches Betriebsvermögen nach §§ 13a, 13b ErbStG für eine Schenkung des im Sonder-BV des Schenkers befindlichen Grundstücks nicht zu gewähren ist, wenn die Schenkungsteuer für das Grundstück nicht gleichzeitig mit der Schenkungsteuer für den Kommanditanteil entsteht (BFH 17.6.20, II R 38/17, DStR 20, 2539 und hierzu Christoffel, ErbBstg 20, 308). Zum anderen hat er am selben Tag geurteilt, dass die Steuerbegünstigung für inländisches Betriebsvermögen nach §§ 13a, 13b ErbStG auch erfüllt ist, wenn ein Mitunternehmeranteil im ertragsteuerlichen Sinn vom Schenker auf den Beschenkten übergegangen ist und vor der Übertragung wesentliches Betriebsvermögen oder Sonder-BV dem Betrieb entnommen oder in ein anderes Betriebsvermögen überführt wird (BFH 17.6.20, II R 33/17, DStR 20, 2725).

2. Sachverhalt ‒ nach BFH II R 33/17

Tante M war alleinige Kommanditistin einer GmbH & Co. KG sowie Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH. Die KG betrieb ein Autohaus. Frau M überließ der KG in ihrem Eigentum befindliche Grundstücke, auf denen das Autohaus betrieben wurde. Die Grundstücke gehörten zu deren wesentlichen Betriebsgrundlagen ‒ und damit zum Sonder-BV I.

 

Tante M übertrug mit notariell beurkundetem Vertrag ihrem Neffen N unentgeltlich einen Restkommanditanteil von 60 % sowie einen entsprechenden Anteil an der Komplementär-GmbH. Vor zehn bzw. acht Jahren hatte sie dem Neffen bereits zweimal jeweils einen Kommanditanteil von 20 % sowie einen entsprechenden Anteil an der Komplementär-GmbH geschenkt. Die der KG zur Nutzung überlassenen Grundstücke brachte sie aufgrund notariell beurkundeten Vertrages vom selben Tag, aber vor der Schenkung des 60 %-KG-Anteils und des 60 %-GmbH-Anteils in eine zuvor von ihr neu gegründete Grundstücks-GmbH & Co. KG ein. Noch im Jahr der Schenkung verkaufte der Neffe 40 % der Anteile an der KG und an der Komplementär-GmbH an seinen Bruder.

3. Steuerverschonung gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG

Anders als in dem Sachverhalt des Verfahrens II R 38/17 ging es im Verfahren II R 32/17 nicht um die Frage der schenkungsteuerlich zeitgleichen Übertragung des Sonder-BV und des Gesellschaftsanteils an der KG (einschließlich der Anteile an der Komplementär-GmbH). Es ging vielmehr um die Frage, wie sich Umstrukturierungen im unmittelbaren Vorfeld der Schenkung eines KG-Anteils auf die Steuerbegünstigung gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG a. F. (vor 2009) bzw. § 13b Abs. 1 Nr. 2 EStG auswirken. Denn nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH sind die Steuerbegünstigungen nur zu gewähren, wenn das von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erworbene Vermögen durchgehend sowohl beim bisherigen als auch beim neuen Rechtsträger den Tatbestand der o. g. Steuerbegünstigungen erfüllt (siehe BFH 6.11.19, II R 34/16, BStBl II 20, 465 m. w. N.).

 

MERKE | Nach Auffassung des BFH ist der Gesellschaftsbegriff im Rahmen dieser Steuerbegünstigung nicht zivilrechtlich, sondern ertragsteuerlich zu verstehen. Dies ergibt sich für den BFH aus der erbschaftsteuerlichen Bezugnahme auf § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG sowie aus der bewertungssrechtlichen Bezugnahme in § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG, der über § 12 Abs. 5 ErbStG auch für die Erbschaftsteuer maßgeblich ist (so auch R E 13b.5 Abs. 3 ErbStR 2019).

 

Schenkung- und erbschaftsteuerlich entscheidend ist demnach allein, ob auf den Erwerber ein Mitunternehmeranteil im ertragsteuerlichen Sinne übergeht. Dabei kommt es nach Auffassung des BFH allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Übertragung des Anteils an. Werden funktional wesentliche Betriebsgrundlagen, z. B. das laut Sachverhalt im Sonder-BV gehaltene Grundstück, nicht mitübertragen, sondern vor der unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils ausgegliedert oder vom Übergeber entnommen, steht dies ertragsteuerlich einer begünstigten Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG nicht entgegen.

 

Beachten Sie | Der Tatbestand des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG a. F. (vor 2009) bzw. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist nach Auffassung des BFH daher erfüllt, wenn ein Mitunternehmeranteil im ertragsteuerlichen Sinn vom Schenker auf den Beschenkten übergegangen ist. Ob vor der Übertragung wesentliches Betriebsvermögen oder Sonder-BV dem Betrieb entnommen oder in ein anderes Betriebsvermögen überführt wurde, ist für die Gewährung der Steuerbegünstigung unbeachtlich, solange es sich bei dem übertragenen Anteil um einen Mitunternehmeranteil handelt.

4. Übertragung eines KG-Anteils gemäß § 6 Abs. 3 EStG

Der Verweis des BFH auf das Ertragsteuerrecht legt es nahe, die ertragsteuerliche Beurteilung der unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen im Hinblick auf ihre schenkungsteuerlichen Folgen unter die Lupe zu nehmen. Aufgrund der Rechtsprechung des BFH (2.8.12, IV R 41/11, BStBl II 19, 715 Rz. 18 ff.; BFH 9.12.14, IV R 29/14, BStBl II 19, 723 Rz. 19) hat die Finanzverwaltung ihre ertragsteuerliche Beurteilung geändert und sich im BMF-Schreiben vom 20.11.19 (BStBl I 19, 1291) der Auffassung des IV. Senats des BFH zu dieser Thematik angeschlossen. Ausgehend von dem Grundsatz, dass für eine unentgeltliche Übertragung gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 EStG alle im Zeitpunkt des Übertragungsvorgangs funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens und des Sonder-BV übertragen werden müssen, lassen sich aus dem BMF-Schreiben und der Rechtsprechung des BFH nunmehr folgende Aussagen ableiten:

 

a) Variante 1

Im Zeitpunkt der Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen wird funktional wesentliches Sonder-BV zurückbehalten und zeitgleich oder taggleich in das Privatvermögen des Übertragenden überführt.

 

  • Rechtsfolge Einkommensteuer: Eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG ist nicht zulässig, weil sich das funktional wesentliche Sonder-BV zum Zeitpunkt der Entnahme noch im Betriebsvermögen des Übertragenden befand und bei einer derartigen Konstellation gerade nicht alle im Übertragungszeitpunkt noch vorhandenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des vorhandenen Betriebs nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG übertragen werden (Rz. 9). Zeitgleiche oder taggleiche Veräußerungen oder Entnahmen sind ‒ mit Ausnahme von Überführungen und Übertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG ‒ für eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG schädlich (siehe auch BFH 29.11.17, I R 7/16, BStBl II 19, 738).
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  • Beachten Sie | Es liegt in diesem Fall insgesamt grundsätzlich eine tarifbegünstigte Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils vor (BFH 31.8.95, VIII B 21/93, BStBl II, 890). Die stillen Reserven im Gesamthandsvermögen und im Sonder-BV sind aufzudecken. § 6 Abs. 3 S. 2 EStG ist nicht anwendbar, da der Übertragende mit der Übertragung des (gesamten) Anteils am Gesamthandsvermögen nicht mehr Mitunternehmer ist.

 

  • Rechtsfolge Schenkungsteuer: Da es nach Auffassung des BFH allein darauf ankommt, ob funktional wesentliche Betriebsgrundlagen, z. B. das laut Sachverhalt im Sonder-BV gehaltene Grundstück, nicht mitübertragen, sondern „vor der unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils ausgegliedert oder vom Übergeber entnommen wird“, könnte eine Abgrenzung zwischen der zeitgleichen Entnahme (Steuerbegünstigung zu verneinen) und der vorherigen taggleichen Entnahme (Steuerbegünstigung zu bejahen) erforderlich sein.
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  • Beachten Sie | Da diese Variante gerade nicht Gegenstand der Entscheidung des BFH war, führt die ertragsteuerliche Wertung m. E. auch schenkungsteuerlich zur Versagung der Steuerbegünstigung. Es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass der II. Senat des BFH der Steuerbegünstigung ablehnend gegenübersteht, wenn notwendiges Sonder-BV zwar nicht zeitgleich, aber taggleich entnommen oder veräußert wird. Die vorherige taggleiche Entnahme sollte daher nicht nur aus ertragsteuerlichen Gründen, sondern auch aus schenkungsteuerlichen Gründen unbedingt vermieden werden.

 

b) Variante 2

Aufgrund einheitlicher Planung wird zeitlich vor dem Tag der Übertragung des Mitunternehmeranteils funktional wesentliches Betriebsvermögen/Sonder-BV unter Aufdeckung der stillen Reserven entweder entnommen (z. B. durch unentgeltliche Übertragung auf einen Angehörigen) oder zum gemeinen Wert veräußert, bei dem verbleibenden „Restbetriebsvermögen“ handelt es sich aber weiterhin um eine funktionsfähige betriebliche Einheit.

 

  • Rechtsfolge Einkommensteuer: Eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG ist zulässig (Rz. 13). § 6 Abs. 3 EStG ist anwendbar, weil das funktional wesentliche Betriebsvermögen/Sonder-BV bereits vor dem Zeitpunkt der Übertragung des Mitunternehmeranteils (aber nicht taggleich) entweder veräußert oder entnommen wurde (siehe auch BFH 9.12.14, IV R 29/14, BStBl II 19, 723).

 

  • Rechtsfolge Schenkungsteuer: Da es nach Auffassung des BFH allein darauf ankommt, ob funktional wesentliche Betriebsgrundlagen, z. B. das laut Sachverhalt im Sonder-BV gehaltene Grundstück, nicht mitübertragen, sondern „vor der unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils ausgegliedert oder vom Übergeber entnommen wird“, ist im Einklang mit der ertragsteuerlichen Beurteilung schenkungsteuerlich die Steuerbegünstigung zu gewähren (siehe auch Kugelmüller-Pugh, DStR 20, 2728).

 

c) Variante 3

Im Zeitpunkt der Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen wird funktional wesentliches Betriebsvermögen oder Sonder-BV nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG zum Buchwert übertragen oder nach § 6 Abs. 5 S. 1 oder S. 2 EStG in ein anderes Betriebsvermögen/Sonder-BV des Steuerpflichtigen überführt.

 

  • Rechtsfolge Einkommensteuer: § 6 Abs. 3 S. 1 EStG ist auf die Übertragung des reduzierten Mitunternehmeranteils anwendbar (Rz. 10). Die gleichzeitige Anwendung der beiden Buchwertprivilegien nach § 6 Abs. 5 EStG (Auslagerung von funktional wesentlichem Betriebsvermögen/Sonder-BV) und § 6 Abs. 3 EStG ist möglich, denn es steht der Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG zum Betriebsvermögen oder Sonder-BV der Mitunternehmerschaft gehörende Wirtschaftsgüter zeitgleich oder taggleich nach § 6 Abs. 5 EStG überführt oder übertragen werden (BFH 2.8.12, IV R 41/11, BStBl II 19, 715; 12.5.16, IV R 12/15, BStBl II 19, 726).
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  • Beachten Sie | Die gleichzeitige Anwendung der beiden Buchwertprivilegien darf jedoch keine Betriebszerschlagung zur Folge haben. Vielmehr muss auch nach Auslagerung von funktional wesentlichem Betriebsvermögen oder Sonder-BV noch weiterhin eine funktionsfähige betriebliche Einheit bestehen und die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt sein (Tz. 11 und 12).

 

  • Rechtsfolge Schenkungsteuer: Da es nach Auffassung des BFH allein darauf ankommt, ob funktional wesentliche Betriebsgrundlagen, z. B. das laut Sachverhalt im Sonder-BV gehaltene Grundstück, nicht mitübertragen, sondern „vor der unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils ausgegliedert oder vom Übergeber entnommen wird“, ist im Einklang mit der ertragsteuerlichen Beurteilung schenkungsteuerlich die Steuerbegünstigung zu gewähren (s. auch Kugelmüller-Pugh, DStR 20, 2728).
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  • Beachten Sie | Auch die taggleiche, aber vorherige Buchwertübertragung sieht der II. Senat bei dieser Variante als unschädlich an. Diskussionen über den Zeitpunkt lassen sich aber auch in dieser Variante am einfachsten ausschließen, wenn die nicht mitübergehenden funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen schon vor dem Tag der Schenkung des KG-Anteils überführt worden sind.

5. Zusammenfassende Übersicht zu § 6 Abs. 3 EStG und § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG

 

  • Einkommen- und schenkungsteuerliche Folgen
Vorgang
Einkommensteuer
Schenkungsteuer

Funktional wesentliches Betriebsvermögen oder Sonder-BV wird zeitgleich oder taggleich veräußert oder in das Privatvermögen überführt,

§ 6 Abs. 3 EStG (-)

§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (-)

Funktional wesentliches Betriebsvermögen oder Sonder-BV wird bereits vor dem Tag der Übertragung des Mitunternehmeranteils veräußert oder in das Privatvermögen überführt,

§ 6 Abs. 3 EStG (+)

§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (+)

Funktional wesentliches Betriebsvermögen oder Sonder-BV wird taggleich, aber vorher nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG zum Buchwert übertragen,

§ 6 Abs. 3 EStG (+)

§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (+)

Funktional wesentliches Betriebsvermögen oder Sonder-BV wird bereits vor dem Tag der Übertragung des Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG zum Buchwert übertragen.

§ 6 Abs. 3 EStG (+)

§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (+)

 

6. Verstoß gegen die Behaltensregelung?

Mit dem Verkauf von 40 % der Anteile an der KG und an der Komplementär-GmbH noch im Jahr der Schenkung an seinen Bruder hat Neffe N nicht gegen die Behaltensregelung des § 13a Abs. 6 Nr. 1 ErbStG verstoßen.

 

In Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH entschieden, dass für den rückwirkenden Wegfall der Steuerbegünstigung nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG a. F. (vor 2009) bei einer teilweisen Veräußerung regelmäßig davon auszugehen ist, dass der Erwerber zunächst die ihm bereits früher gehörenden Teil-Kommanditanteile veräußert hat (BFH 17.6.20, II R 33/17, DStR 20, 2725‒2727).

 

Da Neffe N schon mehr als sieben Jahre vor der Veräußerung mit 40 % an der KG und an der Komplementär-GmbH beteiligt war, liegt ein Verstoß nicht vor. Die Entscheidung bezieht sich zwar auch insoweit auf die Rechtslage vor 2009, gilt aber für die aktuelle Rechtslage des § 13a Abs. 6 Nr. 1 ErbStG gleichermaßen (siehe auch R E 13a.13 Abs. 1 S. 5 ErbStR 2019).

Quelle: Seite 68 | ID 47086896