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· Mutterschutz

Beschäftigungsverbot während der Stillzeit: Anspruch auf Mutterschutzlohn nur 12 Monate!

Bild: Pregnant woman / Sergio Santos / CC CC BY 2.0

von RA, FA für MedR und Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann und Dipl.-Jur. Christian Kroh, Dortmund, kanzlei-am-aerztehaus.de

| Ein rechtssicher verhängtes Beschäftigungsverbot für stillende angestellte Zahnärztinnen oder ZFA ist finanziell vorteilhaft, denn der von der Krankenkasse erstattete Mutterschutzlohn ist höher als das Elterngeld (Details in ZP 07/2020, Seite 15 ). Wichtig ist jedoch für Praxisinhaber, dass sie tatsächlich bestehende Gefahren für schwangere und stillende Arbeitnehmerinnen identifizieren und in einer Gefährdungsbeurteilung schriftlich festhalten, um sich vor Regressansprüchen abzusichern. Weiter sollten keine Entgeltfortzahlungen über den Zeitraum von zwölf Monaten hinaus erfolgen, da eine Erstattung durch die Krankenkasse dann in der Regel nicht mehr erfolgt, wie der folgende, vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt verhandelte Fall zeigt (Beschluss vom 15.01.2021, Az. S 34 KR 2391/20 ER). |

Der Fall

Der Antragsteller betreibt eine Praxis für ästhetische Zahnheilkunde. Eine angestellte Zahnärztin brachte im März 2019 ein Kind zur Welt und arbeitete in der Folge nicht. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) erhielt sie im Jahr nach der Entbindung Mutterschutzlohn, also bis Februar 2020. Der Praxisinhaber zahlte ihr diesen Lohn allerdings über das Jahr hinaus, da die Zahnärztin angab, weiterhin zu stillen. Als die Krankenkasse eine Erstattung nunmehr ablehnte, da das Mutterschutzgesetz (MuSchG) einen Schutz der stillenden Frau durch Gewährung von Stillpausen nur für einen Zeitraum von 12 Monaten vorsehe, begehrte der Zahnarzt Ende Oktober 2020 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Erstattung nach dem AAG für monatliche Mutterschutzlohnkosten in Höhe von jeweils knapp 25.000 Euro rückwirkend seit dem 01.03.2020 sowie für die Zukunft. Zunächst belief sich die Summe folglich auf 200.000 Euro für die Monate März bis Oktober.

Die Entscheidung

Das SG Frankfurt lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab und schloss sich der Argumentation der Krankenkasse an. Gemäß § 18 Satz 1 MuSchG erhält eine Frau, die wegen eines Beschäftigungsverbots außerhalb der Schutzfristen vor oder nach der Entbindung teilweise oder gar nicht beschäftigt werden darf, von ihrem Arbeitgeber Mutterschutzlohn. Aus § 13 MuSchG ergibt sich, dass ein Arbeitgeber dann, wenn unverantwortbare Gefährdungen festgestellt werden für die stillende Frau, Schutzmaßnahmen in folgender Rangfolge zu treffen hat:

 

  • 1. Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen für die schwangere oder stillende Frau durch Schutzmaßnahmen umzugestalten.
  • 2. Kann der Arbeitgeber unverantwortbare Gefährdungen für die schwangere oder stillende Frau nicht durch die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen ausschließen oder ist eine Umgestaltung wegen des nachweislich unverhältnismäßigen Aufwands nicht zumutbar, hat der Arbeitgeber die Frau an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz einzusetzen, wenn er einen solchen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen kann und dieser Arbeitsplatz der schwangeren oder stillenden Frau zumutbar ist.
  • 3. Kann der Arbeitgeber unverantwortbare Gefährdungen für die schwangere oder stillende Frau weder durch Schutzmaßnahmen noch durch einen Arbeitsplatzwechsel ausschließen, darf er sie nicht weiter beschäftigen.

 

Im vorliegenden Fall gelang es dem Zahnarzt, gemessen an diesen Vorgaben, nicht, ein Beschäftigungsverbot für die angestellte Zahnärztin nachzuweisen. Er konnte nicht belegen, dass eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen zur Vermeidung von gesundheitlichen Gefährdungen seiner Arbeitnehmerin nicht möglich oder aufgrund unverhältnismäßigen Aufwands unzumutbar gewesen wäre. Das vorgelegte frauenärztliche Attest gab ebenfalls keine Auskunft über die konkreten Stillzeiten oder eine drohende Gesundheitsgefährdung ausgehend von der Arbeit als Zahnärztin. Und auch die von der Angestellten abgegebene eidesstattliche Versicherung konnte keine Stillzeiten während der Arbeitszeit glaubhaft machen.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...

Der hier von der angestellten Zahnärztin genutzte ‒ und rechtlich zulässige ‒ Weg, statt eines der Höhe nach limitierten Elterngelds (der Höchstsatz liegt bei 1.800 Euro) über ein Beschäftigungsverbot letztlich das volle vorherige Gehalt zu erlangen, ist in der Beratungspraxis gerade bei zahnärztlichen Mitarbeiterinnen häufig anzutreffen.

 

Der Fall zeigt jedoch zugleich eine unrühmliche Gestaltung auf, die zu Recht mit sehr deutlichen Worten vonseiten des Gerichts getadelt wurde: Es sei nicht glaubhaft, dass die angestellte Zahnärztin regelhaft monatlich 25.000 Euro verdient habe. Dementsprechend erschloss es sich dem Gericht auch nicht, weshalb der Praxisinhaber die Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung bei gleichzeitiger Fortzahlung eines derart hohen Entgelts ohne Weiteres akzeptierte. Ohne es ausdrücklich zu schreiben, verdeutlicht das Gericht zudem erhebliche Bedenken, ob ab dem hier relevanten 13. Monat überhaupt eine noch relevante Stillzeit gegeben war. Diese Zweifel wurden dadurch bestärkt, dass weder in dem vorgelegten gynäkologischen Attest noch in der eidesstattlichen Versicherung der Zahnärztin regelmäßige Stillzeiten hinterlegt waren. Die Folgen einer falschen Versicherung an Eides statt sind strafrechtlich gravierend ‒ was wohl auch der angestellten Zahnärztin bekannt war. Die Vermutung, dass das Gehalt vorliegend gezielt in den maßgeblichen drei Monaten vor der Entbindung angepasst wurde, um eine entsprechende Mutterschutzlohnzahlung zu erlangen, schwingt (leider) mit.

 

FAZIT | Angesichts der aus solchen Gestaltungen letztlich bekannt werdenden „Ausnutzung“ gesetzlich an sich sinnvoller Regelungen steht zu befürchten, dass der Gesetzgeber künftig strengere Limitierungen verankert.

 
Quelle: Seite 14 | ID 47129543