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· Fachbeitrag · PKH-Überprüfungsverfahren

PKH-/VKH-Prüfungsverfahren nach Ablauf von zwei Kalenderjahren

| Eine aktuelle Entscheidung des LSG Schleswig gibt Anlass dazu, eine streitige Frage anzusprechen: Ist die Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts im Verfahren auf Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten (§ 120a ZPO) eine gesondert zu vergütende neue Angelegenheit i. S. v. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG? Dies stellte das Gericht nun klar. Es versagte dem Rechtsanwalt die Festsetzung einer gesonderten Vergütung aus der Staatskasse. |

 

Relevanz für die Praxis

Das Ergebnis der Entscheidung ist insoweit richtig, als sich die Bewilligung von PKH bzw. VKH für die Hauptsache gerade nicht auf das PKH-/VKH-Überprüfungsverfahren erstreckt (LSG Schleswig 3.12.18, L 5 SF 92/18 B E, Abruf-Nr. 208355). Darüber hinaus kann PKH/VKH für das Überprüfungsverfahren auch nicht bewilligt werden. Denn eine solche findet nur für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, also für die Prozessführung in einem gerichtlichen Verfahren statt.

 

Falsch hingegen ist die Annahme, dass die Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts im PKH-/VKH-Überprüfungsverfahren keine gesondert zu vergütende neue Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ist. Diese Regelung ist so zu verstehen, dass die Frist für die zwei Kalenderjahre beginnt, wenn der Rechtsanwalt zu Recht davon ausgehen kann, dass in der Angelegenheit nichts mehr zu veranlassen ist. Ist die Frist demnach abgelaufen, entsteht für den Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG bei gesonderter Auftragserteilung gesondert. Allerdings ist diese vom eigenen Mandanten einzufordern.

 

MERKE | Zum PKH-/VKH-Prüfungsverfahren zählen vor allem die Fälle, bei denen das Gericht nach Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zunächst Ratenzahlungen anordnet und später die PKH-Bewilligung aufhebt (§ 124 Nr. 4 ZPO).

 
  • Beispiel: Ratenzahlungsanordnung, PKH-Aufhebung

Für einen Rechtsstreit auf Zahlung von 10.000 EUR erhält der Mandant M PKH im Jahr 2015 mit Ratenzahlung unter Beiordnung des Rechtsanwalts R bewilligt. Die Klage wird nach der Beweisaufnahme abgewiesen. Im Jahr 2019 ordnet das Gericht nach Anhörung des R im Rahmen einer Prüfung nach § 120a ZPO eine monatliche Ratenzahlung von 90 EUR an. M zahlt sieben Raten und stellt die Zahlungen dann grundlos ein. Das Gericht hebt daraufhin die PKH-Bewilligung auf (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). R legt gegen die Aufhebung der PKH Beschwerde ein. Was kann R abrechnen?

Lösung

Da zwischen der Beendigung des Hauptsacheverfahrens und des PKH-Prüfungsverfahrens zwei Kalenderjahre (Fristbeginn: 1.1.16) verstrichen sind, ist das PKH-Prüfungsverfahren eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit. Zunächst muss der Gegenstandswert ermittelt werden. Dieser bemisst sich nach dem Kosteninteresse (§ 23a Abs. 1 HS 2 RVG i. V. m. § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Das Kosteninteresse entspricht den Kosten, von denen M letztlich befreit werden möchte. Dazu zählen:

I. PKH-Gebühren, die die Staatskasse aus einem Wert von 10.000 EUR bereits an den Prozessbevollmächtigten nach § 49 ausgezahlt hat:

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

399,10 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

368,40 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

  149,62 EUR

937,12 EUR

II. Der Rechtsanwalt kann die Differenz der PKH-Vergütung zur Wahlanwaltsvergütung (weitere Vergütung, § 50) nach Aufhebung der PKH-Bewilligung nunmehr vom Mandanten verlangen, da die Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO weggefallen ist:

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG

725,40 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG

669,60 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    268,85 EUR

1.683,85 EUR

Weitere Vergütung somit (1.683,85 EUR ./. 937,12 EUR =)

746,73 EUR

III. Gerichtskosten, die der Mandant als Unterlegener zahlen muss:

Gemäß Nr. 1210 KV-GKG 3-fache Verfahrensgebühr

723,00 EUR

Gesamtsumme I. bis III.

2.406,85 EUR

./. bereits gezahlter 7 Raten zu je 90,00 EUR

   - 630,00 EUR

1.776,85 EUR

 

Ausgehend von einem Gegenstandswert von 1.776,85 EUR kann der Rechtsanwalt gemäß Nr. 3335 VV RVG vom Mandanten eine 1,0-Verfahrensgebühr (= 150 EUR) beanspruchen.

 

Beachten Sie | Das Beschwerdeverfahren können Sie zudem gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG gesondert gegenüber dem Mandanten mit einer 0,5-Verfahrensgebühr abrechnen (vgl. Nr. 3500 VV RVG).

 

Weiterführende Hinweise

  • Erstattungsansprüche im PKH-Prüfungsverfahren: Verschenken Sie keine Gebühren, RVG prof. 18, 106
  • PKH-Prüfungsverfahren: So können Sie Gebührenvorteile erzielen, RVG prof. 17, 75
Quelle: Seite 98 | ID 45851782