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· Fachbeitrag · Preisermittlung

Unternehmensbewertungen im Überblick

von RAin und Datenschutzbeauftragte Anna Rehfeldt, LL.M.

| Erfolg und Misserfolg einer Unternehmensnachfolge sind, mit Ausnahme von Schenkungen, maßgeblich vom Preis abhängig. Der Verkäufer will naturgemäß oftmals einen höheren Preis erzielen. Der Käufer ist demgegenüber an einem niedrigeren Preis interessiert. Um diese gegensätzlichen Lager auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und der Unternehmensnachfolge somit zum Erfolg zu verhelfen, ist die Unternehmensbewertung ein entscheidender Schlüssel. Aber welche Möglichkeiten gibt es? Und welche sind praktikabel? |

1. Hintergrund

Ein Unternehmen besteht nicht nur aus materiellen Dingen wie Maschinen, Produkten, Fahrzeugflotte und Co., die in einer Inventur übersichtlich aufgestellt werden können und deren Preise sich am Markt relativ einfach ermitteln lassen. Zu einem Unternehmen gehören vielmehr auch noch immaterielle Güter und Rechte, Arbeitnehmer bzw. deren Leistungen, das Know-how, die Marktstellung, das Vertrauen bei Kunden und Geschäftspartnern sowie der Ruf und viele weitere Komponenten, die nicht ohne Weiteres einem Preis zugeordnet werden können.

 

PRAXISTIPP | Vor einem Verkauf sollte stets eine Due Diligence, d. h., eine genaue Analyse und Prüfung des Unternehmens in verschiedenen Bereichen (z. B. Finanzen, Verträge, Technik, Umwelt etc.) durchgeführt werden, um einen, für alle gleichen Kenntnisstand und infolgedessen eine gemeinsame Verhandlungsbasis sicherzustellen. Siehe hierzu den Beitrag „Preisfindung und Due Diligence in der Unternehmensnachfolge“, Abruf-Nr. 46942884.

 

2. Warum braucht es eine Unternehmensbewertung?

Der Unternehmensinhaber, der in sein Unternehmen über Jahre/Jahrzehnte seine ganze Arbeitskraft und Leidenschaft investiert hat, überschätzt den Wert seines Unternehmens aufgrund dieser subjektiven Ausgangslage in der Praxis regelmäßig. Demgegenüber ist der Käufer daran interessiert, möglichst wenig zahlen zu müssen, nicht zuletzt auch deswegen, um sich vor einer möglichen wirtschaftlichen Überlastung zu schützen. Letzteres ist auch für den Verkäufer von Bedeutung. Denn von einem insolventen Käufer kann keine Zahlung erwartet werden.

 

PRAXISTIPP | Beide Seiten sollten für die Sicht der jeweils anderen Partei sensibilisiert werden, um mögliche Konflikte zu vermeiden.

 

Liegen jedoch nachvollziehbare Zahlen und Fakten vor, ist es sowohl für den Unternehmensinhaber als auch für den Nachfolger einfacher, sich auf einen (objektiv) angemessenen Preis zu einigen. Für die Bewertung eines Unternehmens haben sich unterschiedliche Methoden etabliert, die nachfolgend (nicht abschließend) in einer Übersicht dargestellt werden:

 

2.1 Vergleichswertverfahren

Eine Möglichkeit der Unternehmensbewertung ist das sog. Vergleichswertverfahren. Hierbei wird als Verhandlungsbasis der Preis von vergleichbaren Transaktionen herangezogen, die in der Vergangenheit bei anderen Unternehmensnachfolgen realisiert werden konnten.

 

PRAXISTIPP | Dieses Verfahren kommt oftmals bei der Unternehmensveräußerung von kleinen Gastronomiebetrieben, freiberuflichen Einzelpraxen, Kleinstbetrieben, Reinigungen etc. zum Einsatz.

 

Beim Vergleichswertverfahren werden die Daten von anderen Unternehmen aus der gleichen Branche herangezogen, die insbesondere gleiche oder ähnliche Faktoren wie die nachfolgend Angeführten aufweisen:

 

  • a) Größe des Unternehmens
  • b) Anzahl der Filialen
  • c) Rechtsform
  • d) Zusammensetzung der Kapitalstruktur und der Vermögensbestandteile (Umsatz/Rohgewinn etc.)
  • e) Qualifikationen und Lohnniveau der Arbeitnehmer
  • f) Lieferanten- und Kundenstruktur
  • g) Geografische Lage
  • h) Möglicher Kundenkreis
  • i) Vielfalt der Produkte/Dienstleistungen (…)

 

PRAXISTIPP | Je nach Branche werden auch nur einzelne Faktoren herangezogen, die auf dem jeweiligen Markt besonders einschlägig sind.

 

2.2 Ertragswertmethode

Bei der Ertragswertmethode wird im Unterschied zum Vergleichswertverfahren vereinfacht gesagt danach geschaut, wie viel Gewinn das zu übertragende Unternehmen in Zukunft erwirtschaften wird.

 

MERKE | Die Ertragswertmethode wird seit Jahrzehnten im Rahmen der Unternehmensbewertung angewandt und ist auch von der Rechtsprechung anerkannt.

 

Bei der Ertragswertmethode ist die zukünftige Ertragskraft des zu übergebenden Unternehmens der maßgebliche Ausgangspunkt.

 

PRAXISTIPP | Verkäufer und Käufer sollten darauf hingewiesen werden, dass die zukünftige Ertragskraft auch für Banken von besonderer Bedeutung ist. Eine positive Gewinnprognose stellt eine gewissene Sicherheit für die Rückzahlung etwaig aufgenommener Darlehen (inkl. Zinsen) zur Finanzierung des Unternehmenskaufs dar.

 

Die wesentliche Frage bei der Bewertung nach der Ertragswertmethode ist unter Berücksichtigung dessen also: Welcher Kaufpreis kann verlangt werden, damit der Gewinn, den das Unternehmen erwirtschaftet, zugleich eine angemessene Verzinsung darstellt?

 

Die Antwort hierauf hängt wiederum von der zukünftigen Ertragskraft ab, wobei hierfür ca. ein Fünfjahreszeitraum herangezogen wird.

 

Beachten Sie | Die Ertragskraft des Unternehmens muss nicht nur die unternehmensinternen Investitionen, sondern auch die Zins- und Tilgungsleistungen aus dem Kauf des Unternehmens berücksichtigen.

 

Der Wert des Unternehmens wird bei der Ertragswertmethode durch eine Abzinsung/Verzinsung der zukünftig zufließenden Erträge berechnet, wobei die Abzinsung mit dem sog. Kapitalisierungszinsfuß erfolgt.

 

MERKE | Der Kapitalisierungszinsfuß ist ein Zinssatz für risikolose Kapitalanlagen zzgl. einem Aufschlag für das jeweilige unternehmerische Risiko.

 

Im Einzelfall hängt die Höhe des Werts also maßgeblich von der Risikobewertung des jeweiligen Unternehmens, der zukünftigen Entwertung des Geldes sowie von etwaigen Refinanzierungsmöglichkeiten des Käufers ab.

 

PRAXISTIPP | Die in Deutschland durchgeführten Bewertungen fußen i. d. R. auf dem Standard „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“ vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW). Die Anwendung dieses Standards insbesondere auf kleine und mittelständische Unternehmen wird von der Bundessteuerberaterkammer erläutert, www.iww.de/s4405.

 

2.3 Vereinfachtes Ertragswertverfahren

Das vereinfachte Ertragswertverfahren nach dem Bewertungsgesetz (BewG) wird insbesondere bei der steuerlichen Bewertung von Unternehmensnachfolgen im Wege der Erbschaft oder Schenkung angewandt.

 

Das vereinfachte Ertragswertverfahren wird in zwei Schritten vollzogen:

 

  • a) Im ersten Schritt werden alle Vermögensbestandteile, die betrieblich nicht notwendig sind (z. B. Wertpapiere, stillgelegte Anlagen etc.) selektiert, mit dem jeweiligen Verkehrswert angesetzt und später zum Ertrag hinzugerechnet.

 

  • b) Im zweiten Schritt wird sodann der Ertragswert des Unternehmens auf der Grundlage des betriebsnotwendigen Vermögens berechnet. Als Basis hierfür dient der durchschnittliche Ertrag der letzten drei Jahre, d. h., im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens der Gewinn i. S. d. Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

    • Exkurs: Gewinnermittlung nach dem EStG (stark vereinfacht)

    Betriebsergebnis der letzten drei Jahre

    ./.

    Außerordentliche Erträge (z. B. nicht abzugsfähige Betriebsausgaben, Zuschüsse)

    ./.

    Kalkulatorischer Unternehmerlohn

    +

    Außerordentliche Aufwendungen (z. B. Spenden, Sonderabschreibungen etc.)

    +/‒

    Sonstige, nicht unmittelbar dem betrieblichen Zweck dienliche Erträge/Aufwendungen

    =

    Durchschnittliches Betriebsergebnis

     
  • Das durchschnittliche Betriebsergebnis wird sodann mit dem Kapitalisierungsfaktor, der im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2016 auf 13,75 festgelegt wurde und der für alle Bewertungen nach dem Stichtag 31.12.15 gilt, multipliziert und man erhält schließlich den Ertragswert des Unternehmens.

 

2.4 Sonstige Bewertungsverfahren

Der Übersicht halber soll noch auf folgende weitere Bewertungsverfahren hingewiesen werden:

 

2.4.1 Bewertungsverfahren nach dem AWH-Standard

Das Bewertungsverfahren nach dem AWH-Standard ist eine abgewandelte Form der Ertragswertmethode und wurde durch die Arbeitsgemeinschaft der Wertermittelnden Betriebsberater im Handwerk (AWH) etabliert (siehe dazu den Beitrag „UN-Nachfolge: Spezifische Herausforderungen bei der Unternehmensbewertung im Handwerk“ unter Abruf-Nr. 46812360).

 

Diese Bewertungsmethode soll den besonderen Umständen von kleinen und mittelständischen Handwerksbetrieben gerecht werden, die meist vom Inhaber allein oder im Familienverbund geführt werden. Das Bewertungsverfahren nach dem AWH-Standard berücksichtigt demnach insbesondere folgende Punkte:

 

  • 1. Einfluss des Inhabers/seiner Persönlichkeit auf die Ertragslage
  • 2. Mögliche Gestaltungsvarianten aufgrund der Verflechtung von Betriebs- und Privatvermögen
  • 3. In der Regel kaum vorhandene betriebswirtschaftliche Planungen
  • 4. Nur begrenzte finanzielle Mittel für den Bewertungsaufwand

 

PRAXISTIPP | Das Bewertungsverfahren nach dem AWH-Standard sollte bei Unternehmensnachfolgen im Handwerk herangezogen werden, wenn es sich hierbei um kleine und mittelständische Betriebe handelt.

 

2.4.2 Discounted-Cashflow-Methode (DCF-Methode)

Die DCF-Methode wird in der Praxis oftmals bei großen (börsennotierten) Unternehmen angewandt, die innerhalb ihres Rechnungswesens eine Cashflow-Betrachtung integriert haben. Die DCF-Methode stellt ebenfalls eine abgewandelte Form der Ertragswertmethode dar. Anders als bei der Ertragswertmethode werden bei der DCF-Methode jedoch nicht die zukünftigen Gewinne der Berechnung zugrunde gelegt. Vielmehr wird hier auf den abgezinsten zukünftigen Cashflow abgestellt.

 

MERKE | Der Cashflow gibt an, wie viel selbsterwirtschaftetes Geld dem Unternehmen zur Verfügung steht, bspw. für Tilgungszahlungen, Investitionen, Ausgleich von Liquiditätsengpässen, Steuern etc. Er ist folglich aussagekräftiger hinsichtlich der Finanzkraft des Unternehmens als die Angabe des Gewinns. Die DCF-Methode ist aber auch mit einem erheblichen Rechenaufwand verbunden.

 

2.4.3 Unternehmensbewertung von Freiberuflern

Last but not least ist noch die Bewertung von Freiberuflern aufzugreifen. Die jeweiligen Berufsorganisationen empfehlen für die Bewertung eine Kombination aus dem Substanzwertverfahren und dem Multiplikatorverfahren(= Multiplikation eines Indikators, der sich aus dem Gewinn, dem Kunden-/Klientenstamm etc. zusammensetzt).

 

Beachten Sie | Diese Art der Unternehmensbewertung wird seit einiger Zeit immer mehr infrage gestellt, da die Bewertung überwiegend auf subjektive Parameter gestützt wird und u. a. mit der Ertragswertmethode bessere Verfahren zur Verfügung stehen.

 

FAZIT | Um den Wert eines Unternehmens zu bestimmen und um hierauf stützend sodann in die Preisverhandlung zu gehen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. In Abhängigkeit von Branche und Größe des Unternehmens sollte in der Praxis das jeweilige Bewertungsverfahren herangezogen werden. Ein Bewertungsverfahren, das für alle Unternehmen in allen Branchen einheitlich angewendet werden kann, existiert nicht. Die Auswahl des einschlägigen Bewertungsverfahrens sollte in Abstimmung mit den Parteien und unter Berücksichtigung von Branche, Größe, Zweck der Bewertung und sonstigen Umständen im Einzelfall individuell erfolgen, um eine zutreffende Verhandlungsbasis für alle zu schaffen.

 
Quelle: ID 47036910