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· Fachbeitrag · Reisekosten

Übernahme der Reisekosten der bedürftigen Partei

von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

| Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Der Partei aus Hamburg wird unter Beiordnung ihres Anwalts PKH bewilligt. Das Gericht in München beraumt einen Termin zur mündlichen Verhandlung um 9 Uhr morgens an und ordnet das persönliche Erscheinen der Partei an. Die PKH-Partei möchte, da mittellos, im Vorfeld die Reisekosten sowie die Kosten für eine günstige Übernachtungsmöglichkeit am auswärtigen Gerichtsort erhalten. Was ist zu tun? |

1. Grundsatz: PKH/VKH-Bewilligung umfasst notwendige Reisekosten

Die Gewährung von PKH/VKH erstreckt sich nach § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Bewilligungsbeschluss auf die notwendigen Reisekosten des Beteiligten (OLG Zweibrücken JurBüro 17, 489; OLG Dresden RVG prof. 14, 136; OLG Brandenburg AGS 13, 243; OLG Naum-burg MDR 13, 56; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 122 ZPO). Grund: Die Zahlungen an mittellose Personen gehören zu den Kosten des Verfahrens (vgl. Nr. 9008 Nr. 2, Nr. 9015 KV GKG, Nr. 2007 Nr. 2 KV FamGKG, Nr. 31008 Nr. 2 KV GNotKG).

 

MERKE | Es muss zuvor keine besondere richterliche Anordnung zur Kostenübernahme erlassen werden.

 

2. Staatskasse übernimmt vorab Kosten

Übernimmt die Staatskasse vorab die Kosten, gibt es i. d. R. keinerlei Probleme. Allerdings ist dies vor Reisebeginn zu beantragen, damit das Gericht (Kostenbeamter) rechtzeitig alles Notwendige veranlassen kann.

 

Die Staatskasse übersendet nämlich der PKH/VKH-Partei vor Reiseantritt eine Fahrkarte (2. Klasse) der Bahn AG. Ggf. werden auch Taxikosten vom Ankunftsbahnhof zum Gerichtsgebäude übernommen; dies gilt insbesondere bei hilfsbedürftigen (gehbehinderten) Personen.

 

PRAXISTIPP | Hinsichtlich erforderlicher Übernachtungskosten (im Ausgangsfall ist Terminsbeginn 9 Uhr, die Anreise erfolgt von Hamburg, sodass eine Übernachtung notwendig ist) ist darauf zu achten, dass die Kosten nicht die Kosten eines durchschnittlichen Hotels am Prozessort überschreiten. Dies sollten Sie zuvor mit dem Gericht (Kostenbeamter = mittlerer Dienst, nicht Richter) wie folgt abstimmen:

 

Musterformulierung / Antrag auf Übernahme von Reisekosten

An das …gericht ‒ Kostenbeamter ‒

 

Az. …

 

In der …sache

 

wird beantragt, der Partei zum Termin am … einen Fahrschein der Deutschen Bahn AG, 2. Klasse, für die Hin- und Rückfahrt von … nach … zu übersenden.

 

Begründung

Es wird Bezug genommen auf den richterlichen Beschluss vom …, wonach der Partei … Verfahrens-/Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Das Gericht hat auf den … Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und das persönliche Erscheinen der Partei angeordnet.

  • I. Angaben zur Person des/der Reisenden

Name, Vorname:

                                       

BahnCard vorhanden?

Nr. der BahnCard:

                                       

Art der Ermäßigung:

(z. B. BahnCard50, 2. Klasse)

                                       

BahnCard gültig bis:

                                       

Teilnahme BahnBonus ‒?

                                       

Keine BahnCard vorhanden?

Geburtsdatum:

                                       

Nr. BPA oder Reisepass:

                                       

Ausweis gültig bis:

                                       

  • II. Angaben zur Reise

Hinreise am:

                                       

von Bahnhof:

                        

nach Bahnhof:

                        

Uhrzeit ab Bahnhof:

                                       

Rückreise am:

                                       

von Bahnhof:

                        

nach Bahnhof:

                        

Uhrzeit ab Bahnhof:

                                       

2. Klasse

Cityticket gewünscht? ☐

Sitzplatzreservierung:

Abteil

☐ beliebig   ☐ Großraum   ☐ Großraum mit Tisch    ☐ Abteil

Platzlage:

☐ beliebig   ☐ Fenster   ☐ Gang (wenn möglich)

Sonstiges:

Der Termin ist am … um … Uhr; ( ) die Partei ist körperlich eingeschränkt.

 

 

3. Partei legt Kosten vor und rechnet später ab

Die Partei muss in den Fällen, in denen die Staatskasse die Aufwendungen nicht vorab übernommen hat (vgl. 2.), ihre Reisekosten gegenüber der Staatskasse abrechnen. Die Partei braucht sich die Ausgaben nicht vorher „genehmigen“ zu lassen (OLG Zweibrücken, a. a. O.).

 

Wichtig | Wird der Erstattungsanspruch trotz gewährter VKH/PKH abgelehnt, ist nur die Partei und nicht etwa der beigeordnete Rechtsanwalt beschwert und kann daher gemäß § 127 ZPO sofortige Beschwerde erheben (OLG Dresden, a. a. O.).

 

Die Kostenerstattung vorgelegter Auslagen ist rechtzeitig zu beantragen. Im Rahmen der Entscheidung über die später beantragte Reisekostenentschädigung muss das Gericht lediglich prüfen, ob die Bereitstellung dieser Mittel zur Prozessführung notwendig ist (vgl. OLG Brandenburg, a. a. O.; OLG Zweibrücken, a. a. O.).

 

PRAXISTIPP | In diesem Zusammenhang sollten Sie die Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Reiseentschädigungen (VwV Reiseentschädigung vom 20.1.14, Bundesanzeiger AT 29.1.14 B1) beachten:

 

  • Die Reiseentschädigung ist so zu bemessen, dass sie die notwendigen Kosten der Hin- und Rückreise deckt. Zu den Reisekosten gehören entsprechend den Vorschriften des JVEG neben den Fahrtkosten gegebenenfalls auch unvermeidbare Tagegelder (entsprechend § 6 Abs. 1 JVEG) und Übernachtungskosten (entsprechend § 6 Abs. 2 JVEG), ferner gegebenenfalls Reisekosten für eine notwendige Begleitperson sowie Kosten für eine notwendige Vertretung (entsprechend § 7 Abs. 1 S. 2 JVEG).
  •  
  • Wichtig | Eine Erstattung von Verdienstausfall kommt nicht in Betracht.

 

  • Regelmäßig sind Fahrkarten der zweiten Wagenklasse der Deutschen Bahn oder eines anderen Anbieters im öffentlichen Personenverkehr zur Verfügung zu stellen. Eine Auszahlung kommt nur im Ausnahmefall in Betracht.

 

  • Der Anspruch erlischt, wenn er nicht binnen drei Monaten nach der Verhandlung, Vernehmung oder Untersuchung geltend gemacht wird.
 

Weiterführende Hinweise

  • Reisekosten ‒ nicht zu lange mit dem Erstattungsantrag warten, RVG prof. 14, 136
  • Entschädigung für die Partei nach dem JVEG, RVG prof. 17, 179
  • JVEG: So wird die Partei im Einzelnen entschädigt, RVG prof. 17, 199
  • Zeugen- und Sachverständigenvorschuss, RVG prof. 17, 121
  • Aktuelles zu den Reisekosten einer Partei, RVG prof. 15, 51
  • Partei muss nicht mit ihrem Anwalt anreisen, RVG prof. 14, 38
Quelle: Seite 65 | ID 45737807