· Fachbeitrag · Steuerstrafverfahren
Wie die Aufgaben und Befugnisseder Finanzbehörden verteilt sind
von RAin Dr. Katharina Wild, FAin StR, Baker Tilly Roelfs, München
| Im Folgenden wird dargestellt, welche Aufgaben und Befugnisse die einzelnen Dienststellen des Finanzamts bzw. bestimmte, sachlich zuständige Finanzämter neben der Staatsanwaltschaft haben. |
1. Übersicht über die Ermittlungsbehörden
Im Steuerstrafverfahren kommt der Steuerpflichtige mit unterschiedlichen Ermittlungsbehörden in Kontakt. Je nachdem, um welche Ermittlungsbehörde es sich handelt, haben sowohl die Ermittlungsbehörde als auch der Beschuldigte unterschiedliche Rechte und Pflichten. So ist der Beschuldigte beispielsweise verpflichtet, auf Ladung der Bußgeld- und Strafsachenstelle zu erscheinen, wenn diese das Verfahren selbstständig gemäß § 386 Abs. 4 S. 2 AO i. V. mit § 163a Abs. 3 S. 1 StPO durchführt. Dagegen ist der Beschuldigte nicht verpflichtet, vor der Steuerfahndung zur Vernehmung zu erscheinen.

Zunächst muss zwischen Finanzverwaltung und Staatsanwaltschaft unterschieden werden. Innerhalb der Finanzbehörde können mit der Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) bzw. Strafsachen- und Bußgeldstelle (StraBu) und der Steuerfahndung verschiedene Dienststellen verantwortlich sein. Zum Teil kann die sachliche Zuständigkeit für Steuerstrafverfahren auch für mehrere Finanzämter in einem gesonderten Finanzamt gebündelt wird, wie beispielsweise dem Finanzamt für Fahndung und Strafsachen in NRW.
Ursache der von Bundesland zu Bundesland (teilweise) unterschiedlichen Bezeichnung oder Zuständigkeitszuweisung ist § 387 Abs. 2 AO bzw. § 17 Abs. 2 S. 3 und 4 FVG i. V. mit § 387 Abs. 1 AO, wonach die Länder die Zuständigkeit innerhalb der Landesfinanzverwaltung für das Steuerstrafverfahren regeln dürfen. In die Ermittlungen können auch Behörden der Zollverwaltung (Zollfahndung, Zollkriminalamt) eingebunden sein.
2. Aufgabenverteilung
Die Aufgabenverteilung zwischen Finanzbehörde (Bußgeld- und Strafsachenstelle) und Staatsanwaltschaft im Steuerstrafverfahren folgt aus § 386 Abs. 2 bis 4 AO und ist näher in den Nrn. 12 bis 18 AStBV (St) 2014 (Gleichlautender Ländererlass vom 1.12.16, BStBl I 16, 1338, Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) - AStBV (St) 2017) geregelt.
Die Finanzbehörde ermittelt bei dem Verdacht einer Steuerstraftat gemäß § 386 Abs. 2 Nr. 1 AO i. V. mit § 369 AO den Sachverhalt und ist für das Ermittlungsverfahren als Ermittlungsbehörde gemäß § 386 Abs. 2 AO selbstständig zuständig. Steuerstraftaten i. S. des § 369 AO sind insbesondere Steuerhinterziehung und versuchte Steuerhinterziehung, Begünstigung einer Person, die eine Steuerstraftat i. S. des § 369 AO begangen hat, sowie Anstiftung und Beihilfe zu einer Steuerstraftat.
Steuerstraftaten gleichgestellte Straftaten sind die ungerechtfertigte Erlangung von Altersvorsorgezulagen, Wohnungsbauprämien und Arbeitnehmersparzulagen, der Betrug in Bezug auf Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagegesetz und Investitionszulage nach dem Investitionszulagegesetz, Subventionsbetrug sowie Begünstigung, Anstiftung und Beihilfe zu einer der vorgenannten Taten (Nr. 19 AStBV (St) 2017).
Die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts ist nach § 399 Abs. 1 AO beauftragt, staatsanwaltschaftliche Aufgaben wahrzunehmen. Als „Staatsanwaltschaft“ innerhalb der Finanzverwaltung ist die Bußgeld- und Strafsachenstelle für alle verfahrensleitenden Entscheidungen zuständig und handelt in eigener Verantwortung. Dabei ist die Bußgeld- und Strafsachenstelle nicht an Weisungen der Staatsanwaltschaft gebunden. Vielmehr besitzt die Bußgeld- und Strafsachenstelle selbst die Rechte und Pflichten, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen (Jäger in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 399 Rn. 1).
MERKE | Im Fall des Eingangs von Selbstanzeigen i. S. des § 371 AO kann die Bußgeld- und Strafsachenstelle von der Einleitung eines Strafverfahrens nur dann absehen, wenn in der Selbstanzeige die Angaben erkennbar richtig und vollständig gemacht wurden, die nachzuzahlenden Steuern sowie die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO und die Zinsen nach § 233a AO, die auf die Hinterziehungszinsen angerechnet wurden, in voller Höhe entrichtet wurden (Nr. 11 Abs. 1 AStBV (St) 2017). |
2.1 Abgabe an die Staatsanwaltschaft
Die Bußgeld- und Strafsachenstelle kann jedoch nach § 386 Abs. 4 S. 1 AO das Verfahren jederzeit an die Staatsanwaltschaft abgeben. Eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft kommt insbesondere dann in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen.
|
Besondere Umstände sind nach Nr. 22 AStBV (St) 2017 gegeben, wenn
Auch wenn wegen der Größenordnung, der Persönlichkeit oder der Stellung des Beschuldigten oder wegen eines Sachzusammenhangs mit anderen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren besondere Umstände vorliegen, muss die Finanzbehörde nach Nr. 22 Abs. 2 AStBV (St) 2017 das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abgeben. |
Die selbstständige Ermittlungsbefugnis der Bußgeld- und Strafsachenstelle entfällt gemäß § 386 Abs. 3 AO, sobald gegen den Beschuldigten wegen der Tat ein Haftbefehl oder ein Unterbringungsbefehl erlassen wurde. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle muss das Ermittlungsverfahren auch an die Staatsanwaltschaft abgeben, wenn sie feststellt, dass keine Steuerstraftat vorliegt, aber Tatsachen gegeben sind, die auf andere Straftaten schließen lassen (Nr. 21 Abs. 2 AStBV (St) 2017).
2.2 Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft
Nach § 386 Abs. 4 S. 2 AO kommt der Staatsanwaltschaft ein Evokationsrecht zu, wonach sie das Verfahren jederzeit an sich ziehen darf. Mit dem Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft korrespondiert eine Unterrichtungspflicht der Finanzbehörden gegenüber der Staatsanwaltschaft. Zwar besteht keine gesetzliche Pflicht, wonach die Finanzbehörde die Staatsanwaltschaft über alle von ihr eingeleiteten Ermittlungsverfahren zu informieren hat. Damit die Staatsanwaltschaft jedoch ihr Evokationsrecht sachgerecht ausüben kann, muss sie nach der Rechtsprechung des BGH von der Finanzbehörde frühzeitig in die Ermittlungen eingebunden und im Rahmen regelmäßig stattfindender Kontaktgespräche frühzeitig unterrichtet werden (BGH 30.4.09, 1 StR 90/09, PStR 09, 176; Nr. 140 Abs. 1 AStBV (St) 2017).
MERKE | Wird die Staatsanwaltschaft nicht frühzeitig informiert und verzögert sich das Verfahren dadurch, ist dies im Rahmen der Strafzumessung strafmildernd zu berücksichtigen (BGH 30.4.09, 1 StR 90/09, PStR 09, 176; BGH 17.1.08, GSSt 1/07, BGHSt 52, 124). |
Die Bußgeld- und Strafsachenstelle kann
- das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO oder § 153a StPO einstellen,
- von der Strafverfolgung gemäß § 153b Abs. 1, § 398 AO, § 398a AO absehen,
- den Erlass eines Strafbefehls nach § 400 HS. 1 AO beantragen oder
- die Akten der Staatsanwaltschaft zur Erhebung der öffentlichen Klage nach § 400 HS. 2 AO vorlegen.
3. Stellung der Finanzbehörde im Steuerstrafverfahren
Nach Übergabe oder Übernahme des Steuerstrafverfahrens an die Staatsanwaltschaft kann die Staatsanwaltschaft die Finanzbehörde gemäß § 161 StPO mit den Ermittlungen beauftragen. Die Stellung der Bußgeld- und Strafsachenstelle beschränkt sich dann nach § 402 Abs. 1 AO, § 399 Abs. 2 S. 2 AO auf die Aufgaben der Polizei als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft mit der Folge, dass die Bußgeld- und Strafsachenstelle den Weisungen der Staatsanwaltschaft unterliegt. Beschuldigte, Zeugen und Sachverständige sind dann nicht mehr verpflichtet, auf Ladung vor der Bußgeld- und Strafsachenstelle zu erscheinen (Nr. 91 AStBV (St) 2017).
4. Zuständigkeit der Steuerfahndung
Die Steuerfahndung ist nach § 208 Abs. 1 AO zuständig für die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten und muss gemäß § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO auch die Besteuerungsgrundlagen ermitteln. Der Steuerfahndung stehen hierbei gemäß § 404 Abs. 1 AO die gleichen Rechte und Pflichten wie den Behörden und Beamten des Polizeidienstes nach den Vorschriften der StPO zu. Hierzu gehören insbesondere das Recht des ersten Zugriffs (§ 163 Abs. 1 StPO), der vorläufigen Festnahme (§ 127 Abs. 2 StPO), der Vernehmung des Beschuldigten (§ 163 Abs. 4 StPO), der Anhörung von Zeugen (§ 163 Abs. 3 StPO) sowie die Durchführung von Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Telekommunikationsüberwachungen. Bei der Durchführung ihrer Aufgaben unterliegt die Steuerfahndung gemäß § 404 AO, § 161 Abs. 1 S. 2 StPO, § 152 GVG den Weisungen der Staatsanwaltschaft bzw. der Bußgeld- und Strafsachenstelle.
Zahlreiche Maßnahmen, wie die Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme gemäß § 98 Abs. 1 StPO, § 105 Abs. 1 StPO oder die Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung gemäß § 100b Abs. 1 S. 1 StPO, dürfen nur durch das Gericht angeordnet werden. Nur bei Gefahr in Verzug darf auch die Steuerfahndung gemäß § 404 AO, § 152 GVG Maßnahmen der Durchsuchung, Beschlagnahme oder vorläufigen Festnahme anordnen (Nr. 60 Abs. 5 AStBV (St) 2017, Nr. 73 Abs. 2 AStBV (St) 2017).
Die örtliche Zuständigkeit einer Steuerfahndungsstelle beschränkt sich bei der Vornahme von Amtshandlungen nicht auf den Bezirk der jeweiligen Dienststelle. Zur Vermeidung von Doppelermittlungen sollen jedoch bei Amtshandlungen in anderen Bezirken die Steuerfahndungsstellen um Amtshilfe ersucht werden (Nr. 124 AStBV (St) 2017).
MERKE | Ermittlungshandlungen der Steuerfahndungen sind auch für das Festsetzungsverfahren von Bedeutung. Denn nur Ermittlungen der Steuerfahndung (oder der Zollfahndungsämter) führen nach § 171 Abs. 5 S. 1 AO zu einer Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist. Ermittlungen der Bußgeld- und Strafsachenstelle lösen dagegen keine Ablaufhemmung aus, da der Wortlaut des § 171 Abs. 5 S. 1 AO ausdrücklich auf die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden abstellt (BFH 8.7.09, VIII R 5/07, PStR 10, 3; BFH 17.12.15, V R 58/14, PStR 16, 86). Aufgrund der systematischen Trennung der Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung gemäß § 208 Abs. 3 AO, § 404 AO von den Aufgaben und Befugnissen sonstiger Dienststellen des Finanzamts und mangels ausdrücklich normierter Regelung sollen nach der Rechtsprechung des BFH Ermittlungshandlungen der Bußgeld- und Strafsachenstelle nicht der Steuerfahndung als eigene verjährungshemmende Ermittlungen zugerechnet werden können (BFH 8.7.09, VIII R 5/07, PStR 10, 3). |
5. Zuständigkeit der Zollfahndung
Nach § 208 Abs. 1 AO ist auch die Zollfahndung für die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten zuständig. Das Zollfahndungsamt untersteht gemäß § 1 ZFdG (Zollfahndungsdienstgesetz) dem Zollkriminalamt als Bundesmittelbehörde. Neben dem Hauptzollamt, dessen Aufgaben in § 12 Abs. 3 FVG geregelt sind, ist das Zollfahndungsamt jedoch nicht berechtigt, selbstständig zu ermitteln, sondern ist nur Hilfsorgan des zuständigen Hauptzollamts. Aufgaben der Zollfahndungsämter sind über die Verwaltung der Zölle und der Überwachung des Warenverkehrs hinaus nach § 1 Abs. 3c ZollVG die Bekämpfung von Geldwäsche und die Überwachung im Bereich des Außenwirtschaftsgesetzes gemäß § 21 AWG. Die Zollkriminalämter können nach § 3 Abs. 11 ZFdG auf Ersuchen der Finanzämter, Staatsanwaltschaften und Gerichte kriminalwissenschaftliche Gutachten erstellen.
MERKE | Nach Nr. 139 Abs. 2 AStBV (St) 2017 kann für die kriminaltechnische Untersuchung zur Überprüfung der Echtheit von Urkunden und des Alters von Schriftstücken insbesondere das Zollkriminalamt Köln in Anspruch genommen werden. |
Kontakt mit dem Zoll im übergeordneten Sinne wird der Betroffene aber eher mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) haben. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 SchwArbG liegt die Hauptzuständigkeit für die Bekämpfung der Schwarzarbeit bei der Zollverwaltung, die aus dem Personal der Bundesanstalt für Arbeit und der Zollbehörden die FKS bildet. Soll die Erfüllung steuerlicher Pflichten überprüft werden, bleibt die Finanzverwaltung zuständig, sodass die FKS lediglich an der Prüfung der Finanzverwaltung nach § 2 Abs. 1 S. 3 SchwArbG mitwirkt.