· Fachbeitrag · Studiengebühren
Nicht so einfach: Die Anforderungen an eine wirksame Rückzahlungsklausel
| Rückzahlungsklauseln hinsichtlich vom ArbG verauslagter Aus- und Fortbildungskosten, die für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingreifen, sind unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn sie nicht hinreichend nach Grund und Sphäre der Beendigung differenzieren. In diesem Fall ist die Klausel in der Regel unwirksam und ein Rückzahlungsanspruch nicht gegeben. |
Sachverhalt
Die ArbN absolvierte an der X. Fachhochschule GmbH ein duales Studium. Zwecks Ausbildung traf sie mit dem ArbG in 2015 eine „Training-on-the-Job“-Vereinbarung. In dieser heißt es auszugsweise:
§ 1 Ziel des Training-on-the-Job
Das Training-on-the-Job vollzieht sich im Rahmen des 3,5-jährigen bzw. 6-semestrigen dualen Studiums an der X Fachhochschule (EUFH) in B. und dient dem Erwerb der praktischen Kompetenzen zur Erlangung des Abschlusses Bachelor of Arts (B.A.) oder Bachelor of Science (B. Sc.).
§ 2 Beginn und Dauer
Die Training-on-the-Job-Vereinbarung beginnt am 28.9.15 und endet am 30.9.18, spätestens jedoch mit dem Ablegen oder dem endgültigen Nichtbestehen der Bachelor-Prüfung. Das Training-on-the-Job umfasst Blöcke mit einer Dauer von je 12-14 Wochen. Näheres regelt der Terminplan der EUFH. Besteht der/die EUFH-Trainee die Prüfung zum Bachelor nicht, so verlängert sich das Training-on-the-Job-Verhältnis auf sein/ihr Verlangen bis zur nächsten Wiederholungsprüfung. Besteht der/die EUFH-Trainee die zulässige Wiederholungsprüfung nicht, so endet das Training-on-the-Job-Verhältnis mit dem Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung. An jeden Training-on-the-Job-Block schließt sich ein 11 bis 13-wöchiges Studium an der EUFH an. Die Probezeit beträgt sechs Monate; deren Ablauf wird durch Zeiten des Studiums an der EUFH gehemmt. Wird das Training-on-the-Job während der Probezeit um mehr als ein Drittel dieser Zeit unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung. (…)
§ 6 Bezüge
Der/die EUFH-Trainee erhält während des Training-on-the-Job eine Training-on-the-Job-Vergütung inkl. der Studiengebühren in Höhe von monatlich 1.300 EUR.
Zum 31.8.15 schlossen die Parteien eine weitere schriftliche Vereinbarung:
- „1. Die beiden Vertragsparteien schließen die Vereinbarung, dass das Unternehmen ab dem 1.10.15 die Zahlung der monatlichen Studiengebühren in Höhe von 660 EUR übernimmt.
- 2. Des Weiteren übernimmt das Unternehmen die Verwaltungsgebühr und die Prüfungsgebühr pro Semester.
- 3. Die Vereinbarung gilt bis zum Ende des Studiums.
- 4. Die Studiengebühren werden durch das Unternehmen darlehensweise übernommen.
- 5. Eine Rückzahlung des Darlehens entfällt, wenn der Studierende/die Studierende für die Zeit nach Beendigung des Studiums keine Übernahme seitens des Unternehmens angeboten bekommt.
- 6. Unterbreitet das Unternehmen jedoch bis spätestens drei Monate vor Beendigung des Studiums ein Übernahmeangebot, erfolgt die Tilgung in folgender Form: Für jeden vollen Beschäftigungsmonat, der von dem Studierenden/der Studierenden in dem Unternehmen geleistet wird, gilt 1/24 des Darlehens als getilgt.
- 7. Das Angebot seitens des Unternehmens muss in Tätigkeit und Position der Ausbildung entsprechen, es bewegt sich im Rahmen der sonstigen, im Unternehmen üblichen Vergütungsstrukturen.
- 8. Lehnt der Studierende/die Studierende das Angebot des Unternehmens ab bzw. kündigt der Studierende/die Studierende das Arbeitsverhältnis innerhalb von 24 Monaten, ist der verbleibende Darlehensbetrag innerhalb von vier Wochen nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen durch den Studierenden/die Studierende auf ein Konto des Unternehmens zu überweisen.
- 9. Das Gleiche gilt sinngemäß, wenn das Studium bzw. das Training-on-the-Job durch den Studierenden/die Studierende vorzeitig abgebrochen wird.“
Der ArbG zahlte Studiengebühren in Höhe von 17.040 EUR. Im Mai und Juni 2017 zog der ArbG von der „Auszubildendenvergütung“ in Höhe von monatlich 1.300 EUR brutto jeweils 255 EUR brutto ab. Eine Vergütung oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für Juli 2017 wurde der ArbN nicht gewährt. Die FH bestätigte am 15.8.17, dass die ArbN den Studienvertrag zum 30.9.17 gekündigt habe. Daraufhin kündigte der ArbG das Vertragsverhältnis am 28.8.17 fristlos. Die ArbN verfolgt die Ansprüche auf Zahlung rückständiger Vergütung nach erfolgloser Zahlungsaufforderung weiter. Sie trägt vor, „Minusstunden“ hätten nicht existiert, Anlass für einen Abzug in Höhe von jeweils 255 EUR brutto von der Vergütung für die Monate Mai und Juni 2017 habe es nicht gegeben. Seit Anfang Juli 2017 sei sie arbeitsunfähig erkrankt und der ArbG deshalb für diesen Monat zur Entgeltfortzahlung verpflichtet gewesen.
Entscheidungsgründe
Das LAG Rheinland-Pfalz (28.8.19, 7 Sa 6/19, Abruf-Nr. 213401) kam zum Ergebnis, dass die Berufung des ArbG hinsichtlich der Widerklage erfolglos sei. Die ArbN sei nicht zur Rückzahlung von 17.040 EUR nebst Zinsen verpflichtet. Der ArbG könne seinen Anspruch nicht auf die Vereinbarung vom 31.8.15 stützen.
Die Vereinbarung vom 31.8.15 sei nicht als Darlehensvertrag, sondern als Rückzahlungsvereinbarung anzusehen. Diese scheitere nicht schon daran, dass der ArbG der ArbN keinen Geldbetrag ausgezahlt, sondern die monatlichen Studiengebühren in Höhe von 660 EUR sowie die Verwaltungs- und Prüfungsgebühr pro Semester übernommen habe. Es könne vereinbart werden, dass die Rückzahlung übernommener Beträge als Darlehen geschuldet werden solle, wenn der geschuldete Geldbetrag unabhängig von der Laufzeit des Darlehens voll zurückzuzahlen sei.
Dieser letzten Anforderung entspreche die Vereinbarung jedoch nicht, denn sie verpflichte die ArbN nur dann zur ‒ zeitanteiligen ‒ Rückzahlung der übernommenen Zahlungen, wenn die Studierende für die Zeit nach Beendigung des Studiums ein Stellenangebot des ArbG erhalte, das den Anforderungen der Ziffer 7 der Vereinbarung entspreche, und unter den Voraussetzungen der Ziffern 8 und 9 vor Ablauf von 24 Monaten aus dem angebotenen Arbeitsverhältnis ausscheide. Damit weiche die Vereinbarung vom Darlehenscharakter ab, weil sich die Rückzahlungspflicht entsprechend der Dauer der Betriebszugehörigkeit mindere, ohne dass durch Einbehalte oder Rückzahlungen eine Schuldtilgung erfolge.
§ 307 BGB finde auf die vom ArbG vorformulierte „Training-on-the-Job“-Vereinbarung gemäß § 310 Abs. 3 BGB Anwendung. Nach § 310 Abs. 3 Ziffer 3 BGB fänden bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) § 305c Abs. 2 sowie die §§ 306, 307 bis 309 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt seien und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen könne. Eine einmalige Vorformulierung im Sinne von § 310 BGB liege vor, wenn sie von einer Seite vor Vertragsschluss aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert worden sei. Der ArbG habe weder behauptet, dass die ArbN die Vertragsbedingungen ihrerseits in den Vertrag eingeführt habe, noch, dass diese auf die Formulierung der Vereinbarung habe Einfluss nehmen können.
Die Regelung in den Ziffern 6 bis 9 der Vereinbarung benachteilige die ArbN unangemessen im Sinn von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weil sie die Kostentragungspflicht ausnahmslos an eine Ablehnung des Angebots des Unternehmens, eine arbeitnehmerseitige Kündigung innerhalb von 24 Monaten oder einen vorzeitigen Abbruch des Studiums bzw. des „Training-on-the-Job“ durch diese knüpfe.
Zwar benachteiligten Rückzahlungsabreden für vom ArbG verauslagte Aus- und Fortbildungskosten den ArbN nicht generell unangemessen. Die Vereinbarung unterscheide aber nicht danach, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus der Sphäre des ArbG oder der ArbN entstamme. Damit greife sie ohne Einschränkung auch ein, wenn die Kündigung durch den ArbG (mit-)veranlasst worden sei. Durch eine solche undifferenzierte Regelung werde die ArbN unangemessen benachteiligt. Eine Rückzahlungsklausel sei nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung, wenn es die ArbN selbst in der Hand habe, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen. Verluste aufgrund von Investitionen, die nachträglich wertlos werden, habe der ArbG zu tragen.
Relevanz für die Praxis
Auch andere Ansprüche bleiben erfolglos:
- Ergänzende Vertragsauslegung: Der ArbG habe kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der Rückzahlungsklausel mit einem zulässigen Inhalt. Im Zeitpunkt der Verwendung der Klausel sei bereits seit Langem bekannt gewesen, dass eine unwirksame Rückzahlungsklausel der Risikosphäre des ArbG zuzurechnen sei. Die Unwirksamkeit habe gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur Folge, dass der ArbG keinen Anspruch auf Rückzahlung der Studiengebühren habe.
- Verstoß gegen § 242 BGB: Es verstößt nicht gegen § 242 BGB, dass sich die ArbN auf die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklauseln beruft. Dass die Rückzahlungspflicht entfalle, entspreche dem Zweck der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn der Klauselverwender einen vertraglich vereinbarten Rückzahlungsanspruch infolge einer unangemessen benachteiligenden Vertragsgestaltung verlieren würde, sich dann aber gegenüber dem Vertragspartner auf § 242 BGB berufen und damit das nach §§ 305 ff. BGB missbilligte Ziel erreichen könne.
- Anspruch auf Rückzahlung der Studiengebühren aus einem kausalen oder deklaratorischen oder einem selbstständig verpflichtenden (abstrakten) Schuldanerkenntnis im Sinn von § 781 BGB: Ein selbstständig verpflichtendes Schuldanerkenntnis liege nur vor, wenn der Anerkennende erkläre, er wolle eine inhaltlich näher bestimmte Schuld ohne Rücksicht auf einen außerhalb der Erklärung liegenden Schuldgrund gegen sich gelten lassen. Im Streitfall habe der ArbG bereits nicht substanziiert vorgetragen, dass die Parteien eine Rückzahlung von 8.000 EUR durch die ArbN wann genau unter welchen Umständen mit welchem genauen Inhalt vereinbart hätten. Aus dem Vortrag könne ebenfalls nicht entnommen werden, ob die Parteien eine neue Anspruchsgrundlage hätten schaffen oder eine bestehende Schuld der ArbN lediglich bestätigen wollen.
- Anspruch auf Rückzahlung gemäß §§ 812 ff. BGB nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung: Dies hat der ArbG nicht geltend gemacht. Ein solcher sei auch nicht gegeben. Die ArbN habe die Studiengebühren nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Dieser bestehe in der „Training-on-the-Job“-Vereinbarung in Verbindung mit der Vereinbarung vom 31.8.15.

Weiterführende Hinweise
- Wenn sich das freie Dienst- als Arbeitsverhältnis herausstellt: BAG in AA 19, 202
- Auch Yoga kann Fortbildung sein: LAG Berlin-Brandenburg in AA 19, 93