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· Fachbeitrag · Umsatzsteuer

Nun endlich: BMF-Schreiben zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung

| Das Thema der Rechnungsberichtigung war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung. Nunmehr hat das BMF in einem Schreiben vom 18.9.2020 zum EuGH-Urteil aus dem Jahr 2016 und der höchstrichterlichen Folgerechtsprechung Stellung genommen. |

1. Die neue Rechtsprechung im Überblick

Das BMF wertet die gesamte neuere Rechtsprechung von EuGH und BFH zur Problematik der rückwirkenden Rechnungsberichtigung aus:

 

  • Mit Urteil vom 15.9.2016 hat der EuGH (EuGH 15.9.16, C-516/14, Barlis 06)entschieden, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigert werden kann, weil die Rechnung, die der Steuerpflichtige besitzt, nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt, obwohl die Finanzbehörde über alle notwendigen Informationen verfügt, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts vorliegen.

 

  • Ebenfalls mit Urteil vom 15.9.2016 hat der EuGH (EuGH 15.9.16, C-518/14, Senatex) entschieden, dass der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe Rückwirkung zukommen kann, sodass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigte Rechnung für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde. Der BFH setzte dieses EuGH-Urteil mit Urteil vom 20.10.2016 (BFH 20.10.16,V R 26/15) um. Dabei hat der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass eine Rechnungsberichtigung nach § 31 Abs. 5 UStDV beim Rechnungsempfänger hinsichtlich seines Rechts auf Ausübung des Vorsteuerabzugs auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirken kann. Dies setzt nach dem BFH-Urteil allerdings voraus, dass das zu beurteilende Dokument bestimmte Mindestangaben enthält.

 

  • Dem Urteil des EuGH vom 12.4.2018 (EuGH 12.4.18,C-8/17, Biosafe) lässt sich entnehmen, dass im Fall eines in der ursprünglichen Rechnung zu niedrig ausgewiesenen Steuerbetrags erst nach einer entsprechenden Rechnungsberichtigung die materiellen und formellen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug vorliegen.

 

  • Ferner urteilte der EuGH am 21.11.2018 (EuGH 21.11.18, C-664/16, Vadan), dass ein Steuerpflichtiger, der nicht in der Lage ist, durch Vorlage von Rechnungen oder anderen Unterlagen den Betrag der von ihm gezahlten Vorsteuer nachzuweisen, nicht allein auf der Grundlage einer Schätzung in einem gerichtlich angeordneten Sachverständigengutachten ein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen kann.

 

  • Weiterhin führte der BFH im Urteil vom 15.10.2019 (BFH 15.10.19, V R 14/18) aus, dass auch unter Berücksichtigung der vorgenannten jüngeren Rechtsprechung des EuGH an den sich aus dem Urteil vom 29.4.2004 (EuGH 29.4.04, C-152/02, Terra Baubedarf-Handel) ergebenden Erfordernissen festzuhalten ist. Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug setzt demzufolge neben dem Vorliegen der materiellen Voraussetzungen auch weiterhin den Besitz einer Rechnung voraus. Insbesondere kann die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht durch bloßen Zeugenbeweis nachgewiesen werden oder eine Rechnung als formelle Anforderung für den Vorsteuerabzug komplett entfallen. Vielmehr ist der Fall der fehlenden Rechnung von dem Fall der Berichtigung einer zuvor fehlerhaft erteilten Rechnung abzugrenzen.

 

  • Zudem hat der BFH im Urteil vom 22.1.2020 (BFH 22.1.20, XI R 10/17) entschieden, dass die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug unabhängig davon gilt, ob sie zum Vorteil oder Nachteil des Leistungsempfängers wirkt. Weiterhin kann danach auch der Stornierung und Neuausstellung einer sie ersetzenden Rechnung eine Rückwirkung zukommen. Eine Rechnung ist danach auch dann „unzutreffend“ i. S. d. § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b UStDV, wenn sie im Einvernehmen aller Beteiligten vollständig rückabgewickelt und die gezahlte Umsatzsteuer zurückgezahlt wurde.

 

  • Schließlich hat der BFH im Urteil vom 12.3.2020 (BFH 12.3.20, V R 48/17), entschieden, dass ein Abrechnungsdokument keine Rechnung ist und deshalb auch nicht mit der Folge einer Ausübungsvoraussetzung für den Vorsteuerabzug rückwirkend berichtigt werden kann, wenn es wegen ganz allgemein gehaltener Angaben nicht möglich ist, die abgerechnete Leistung eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen.

2. Ordnungsmäßige Rechnung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug

2.1 Unionsrechtliche Regelungen

Unionsrechtlich wird zwischen der Entstehung und der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug unterschieden:

 

  • Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht nach Art. 167 MwStSystRL, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Materielle Voraussetzung für die Entstehung des Vorsteuerabzugsrechts nach Art. 168 Buchst. a MwStSystRL ist, dass der Leistungsempfänger Steuerpflichtiger (Unternehmer) i. S. d. Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie ist, die von ihm bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen in der nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und sie auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen (Unternehmer) geliefert oder erbracht wurden.

 

  • Formelle Voraussetzung, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, ist nach Art. 178 Buchst. a MwStSystRL, dass der Steuerpflichtige (Unternehmer) eine nach Art. 219 ff. MwStSystRL ausgestellte Rechnung besitzt.

 

Der Besitz einer Rechnung, die eine Steuerbelastung offen ausweist, ist dabei jedoch nicht lediglich eine formelle Voraussetzung. Sie ist zugleich materielle Voraussetzung (BFH 20.10.16, V R 26/15, Rn. 17), weil die Angabe der Steuerbelastung essenziell für den Gleichlauf der Steuerbelastung des Leistenden mit dem Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers ist (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin vom 30.11.17, C-8/17, Biosafe, Rn. 61).

 

Das Erfordernis des Besitzes einer Rechnung besteht auch nach den o. g. Urteilen des EuGH fort (EuGH, C-8/17, Biosafe, Rn. 32; C-664/16, Vadan, Rn. 40). Aus der jüngeren Rechtsprechung des EuGH folgt insbesondere nicht, dass ein Vorsteuerabzug gänzlich ohne Rechnung geltend gemacht werden kann (vgl. BFH 15.10.19, V R 14/18, Rn. 31 ff.; 12.3.20, V R 48/17, Rn. 37 und 38).

 

2.2 Nationale Umsetzung

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Der Besitz einer Rechnung nach §§ 14, 14a UStG ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts.

 

Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 UStG ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem erstmalig diese Voraussetzungen erfüllt sind (BFH 1.7.04, V R 33/01, BStBl II, 861; Abschnitt 15.2 Abs. 2 Satz 7 UStAE).

3. Ausnahme von dem Erfordernis des Besitzes einer ordnungsmäßigen Rechnung

Auch nach Ergehen der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache C-516/14, Barlis 06 (Rn. 46), der Rechtssache C-8/17, Biosafe (Rn. 32) und der Rechtssache C-664/16, Vadan (Rn. 43) ist das Recht auf Vorsteuerabzug im Regelfall durch eine ordnungsmäßige Rechnung nachzuweisen. Deren Funktion ist die Kontrolle sowohl des Leistenden als auch des Leistungsempfängers durch die Finanzverwaltung (C-516/14, Barlis 06, Rn. 27 unter Bezugnahme auf den Schlussantrag der Generalanwältin vom 18.2.16 sowie EuGH 15.11.17, C-374/16, C-375/16, Geissel und Butin, Rn. 41).

 

Ein Vorsteuerabzug gänzlich ohne Rechnung ist nicht möglich (s. o., Ziffer 2.1). Das Recht auf Vorsteuerabzug kann jedoch ausnahmsweise auch geltend gemacht werden, wenn der Unternehmer eine Rechnung besitzt, die nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt und die auch nicht berichtigt wurde (s. u., Ziffer 3). Der Vorsteuerabzug ist unter Anwendung eines strengen Maßstabes auch zu gewähren, wenn die Finanzverwaltung über sämtliche Angaben verfügt, um die materiellen Voraussetzungen zu überprüfen.

 

Der Unternehmer kann durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Unternehmer auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände oder Dienstleistungen geliefert bzw. erbracht haben, die seinen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen dienten und für die er die Umsatzsteuer tatsächlich entrichtet hat (vgl. C-664/16, Vadan, Rn. 44).

 

Der Nachweis der Steuerbelastung des Unternehmers auf der vorausgegangenen Umsatzstufe (tatsächliche Entrichtung der Steuer) kann nur über eine Rechnung oder deren Kopie (vgl. Abschnitt 15.11. Abs. 1 UStAE) mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer erfolgen. Ohne diesen Ausweis verbleiben Zweifel, ob und in welcher Höhe die Steuer in dem Zahlbetrag enthalten ist und damit, ob die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen.

 

Die anderen materiellen Voraussetzungen kann der Unternehmer auch durch andere Beweismittel nachweisen. Entscheidend ist, dass sie eine leichte und zweifelsfreie Feststellung der Voraussetzungen durch die Finanzbehörden ermöglichen, anderenfalls ist die Kontrollfunktion nicht erfüllt. Ist etwa auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Informationen unklar, über welche Leistung abgerechnet worden ist, verfügt das Finanzamt nicht über alle notwendigen Informationen um zu prüfen, inwieweit der als Vorsteuer geltend gemachte Betrag gesetzlich geschuldet war (vgl. BFH 12.3.20, V R 48/17, Rn. 39). Es besteht keine Pflicht der Finanzbehörden, fehlende Informationen von Amts wegen zu ermitteln. Zweifel und Unklarheiten wirken zulasten des Unternehmers (vgl. Abschnitt 15.11. Abs. 3 Satz 1 UStAE).

4. Rechnungsberichtigung oder Stornierung und Neuerteilung

Gelingt dem Unternehmer kein objektiver Nachweis i. S. d. Ziffer 3, kann er auch eine nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigte Rechnung vorlegen.

 

Eine Berichtigung kann auch dadurch erfolgen, dass der Rechnungsaussteller die ursprüngliche Rechnung storniert und eine Neuausstellung der Rechnung vornimmt (BFH 22.1.20, XI R 10/17, Rn. 18; EuGH 15.7.10, C-368/09, Pannon Gep Centrum).

 

Der Fall einer fehlenden Rechnung (dann kein Vorsteuerabzug möglich) ist von dem Fall einer fehlerhaft erteilten Rechnung abzugrenzen (BFH 15.10.19, V R 14/18, Rn. 33). Auf eine Rechnungsberichtigung kann für Zwecke des Vorsteuerabzugs jedenfalls alleine aus Vereinfachungsgesichtspunkten nicht verzichtet werden. Die Rechnung kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht berichtigt und vorgelegt werden.

 

Eine Rechnungsberichtigung erfordert eine spezifische und eindeutige Bezugnahme auf die ursprüngliche Rechnung (§ 31 Abs. 5 Satz 2 UStDV und Abschnitt 14.11. UStAE, so auch BFH 22.1.20, XI R 10/17). Diese kann durch den Hinweis auf eine Berichtigung, Änderung oder Ergänzung der bisherigen Rechnung erfolgen. Eine Rechnung ist auch dann „unzutreffend“ i. S. d. § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b UStDV, wenn sie im Einvernehmen aller Beteiligten vollständig rückabgewickelt und die gezahlte Umsatzsteuer zurückgezahlt wurde (vgl. BFH 22.1.20, XI R 10/17).

 

Ein Dokument ist dann eine rückwirkend berichtigungsfähige Rechnung, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält (vgl. BFH 20.10.16, V R 26/15). Hierfür reicht es aus, dass die Rechnung diesbezügliche Angaben enthält und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen.

 

Sind diese Anforderungen erfüllt, entfaltet die Rechnungsberichtigung immer Rückwirkung.

 

Kleinbetragsrechnungen nach § 33 UStDV müssen nur berichtigt werden, soweit diese Vorschrift die in Rede stehenden Angaben erfordert. Auf eine rückwirkende Korrektur von Voranmeldungen innerhalb eines Besteuerungszeitraums kann verzichtet werden. Die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug gilt unabhängig davon, ob die Berichtigung zum Vorteil oder zum Nachteil des Leistungsempfängers wirkt (vgl. BFH 22.1.20, XI R 10/17).

 

Im Einzelnen gilt Folgendes:

 

4.1 Leistender Unternehmer

Aussteller einer Rechnung i. S. d. §§ 14, 14a UStG kann

  • der leistende Unternehmer,
  • der Leistungsempfänger (Gutschrift) oder
  • ein Dritter in deren Namen und für deren Rechnung

 

sein. Unabhängig von der Person des Rechnungsausstellers ist es zwingend erforderlich, dass aus der Rechnung hervorgeht, wer die Leistung erbracht hat.

 

Eine Rechnung ist für Zwecke des Vorsteuerabzugs berichtigungsbedürftig, wenn und soweit sie hinsichtlich des leistenden Unternehmers Fehler enthält, die dessen eindeutige Identifizierung auch unter Berücksichtigung des § 31 Abs. 2 UStDV nicht zulassen.

 

Sie ist mit Rückwirkung berichtigungsfähig, wenn die vorliegenden Angaben zwar ungenau, aber grundsätzlich zutreffend sind und nicht fehlenden Angaben gleichstehen.

 

PRAXISTIPP | Es ist ausreichend und die Rechnung deshalb nicht berichtigungsbedürftig, wenn der leistende Unternehmer durch die Gesamtheit der vorliegenden Angaben in der Rechnung eindeutig identifizierbar und eine Verwechslungsgefahr mit anderen Unternehmern ausgeschlossen ist. Dieses gilt zum Beispiel für fehlende oder falsche Rechtsformzusätze nur dann, wenn jeglicher Zweifel an der Identität des Leistenden ausgeschlossen ist.

 

Bei Fehlern und Unklarheiten, die über die Regelungen in Abschnitt 15.2a Abs. 2 und Abs. 6 UStAE hinausgehen, sind die Voraussetzungen für eine rückwirkend berichtigungsfähige Mindestangabe nicht erfüllt. Die Angabe eines Unternehmers, der nicht der tatsächlich leistende Unternehmer ist, ist eine offensichtlich unzutreffende Angabe, die nicht rückwirkend berichtigt werden kann.

 

4.2 Leistungsempfänger

Die Ausführungen unter 4.1 gelten sinngemäß auch für den Leistungsempfänger. Wurden Name und Anschrift des Leistungsempfängers nur ungenau bezeichnet, kann zum Beispiel eine unzutreffende Bezeichnung der Rechtsform mit Rückwirkung für die Vergangenheit berichtigt werden.

 

PRAXISTIPP | Es ist ausreichend, wenn der Leistungsempfänger durch die Gesamtheit der vorliegenden Angaben in der Rechnung identifizierbar ist (vgl. BFH 20.10.16, V R 54/14, BFH/NV 2017 S. 488).

 

Bei Fehlern und Unklarheiten, die über die Regelungen in Abschnitt 15.2a Abs. 3 und Abs. 6 UStAE hinausgehen, sind die Voraussetzungen für eine rückwirkend berichtigungsfähige Mindestangabe nicht erfüllt. Die Angabe eines Unternehmers, der nicht der tatsächliche Leistungsempfänger ist, ist eine offensichtlich unzutreffende Angabe, die nicht rückwirkend berichtigt werden kann.

 

4.3 Leistungsbeschreibung

Die Leistungsbeschreibung muss, um rückwirkend berichtigungsfähig zu sein, jedenfalls so konkret sein, dass die erbrachte Leistung und ein Bezug zum Unternehmen des Leistungsempfängers erkennbar sind, vgl. Abschnitt 15.2a Abs. 4 UStAE. Eine unrichtige Leistungsbezeichnung, für die der leistende Unternehmer die gesondert ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet (vgl. Abschnitt 14c.2 Abs. 2 Nr. 3 UStAE), ist nicht mit Rückwirkung berichtigungsfähig. Dagegen kann eine nur ungenaue Angabe der Leistungsbezeichnung (vgl. Abschnitt 15.2a Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 UStAE) die Voraussetzungen für eine rückwirkend berichtigungsfähige Mindestangabe erfüllen.

 

Eine bloße Angabe wie z. B. „Beratung“ in der Rechnung eines Rechtsanwalts oder „Bauarbeiten“ in der Rechnung eines Bauunternehmens, die nicht weiter individualisiert ist, erfüllt zwar nicht die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG, eine entsprechende Rechnung ist unter den übrigen Voraussetzungen aber mit Rückwirkung berichtigungsfähig (vgl. BFH 20.10.16, V R 26/15).

 

Dagegen reicht eine allgemein gehaltene Angabe wie z. B. „Produktverkäufe“, die es nicht ermöglicht, die abgerechnete Leistung eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen, nicht aus (vgl. BFH 12.3.20, V R 48/17, Rn. 24). Abschnitt 15.2a Abs. 6 UStAE und Abschnitt 15.11 Abs. 3 Satz 6 UStAE bleiben unberührt.

 

4.4 Entgelt

Die Voraussetzung für eine rückwirkend berichtigungsfähige Mindestangabe ist bereits erfüllt, wenn durch die Angabe des Bruttorechnungsbetrags und des gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrags das Entgelt als Bemessungsgrundlage ohne Weiteres errechnet werden kann.

 

4.5 Gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer

Ein gesondert ausgewiesener Umsatzsteuerbetrag kann nicht dadurch ersetzt werden, dass neben dem Entgelt ein Bruttorechnungsbetrag angegeben wird.

 

Wird fälschlicherweise von einem Wechsel der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 und 5 UStG ausgegangen und deswegen in der Rechnung ein Hinweis nach § 14a Abs. 5 UStG erteilt, sind derartige Rechnungen gleichwohl unter den übrigen Voraussetzungen mit Rückwirkung berichtigungsfähig.

 

Weist der Rechnungsaussteller in einer Rechnung die Umsatzsteuer nicht oder zu niedrig aus, kann die Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt werden. Dabei sind die folgenden Fälle zu unterscheiden:

 

4.5.1 Bisher kein Steuerausweis

Ein bisher in einem Dokument fälschlicherweise nicht ausgewiesener Steuerbetrag (z. B. weil die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen oder einer Steuerbefreiung nicht vorliegen) kann nicht mit Rückwirkung berichtigt werden. Der erstmalige Steuerausweis in einer berichtigten Rechnung ist insoweit mit dem erstmaligen Erstellen einer Rechnung gleichzusetzen und entfaltet daher keine Rückwirkung (vgl. EuGH 29.4.04, C-152/02, Terra Baubedarf-Handel; C-8/17, Biosafe; sowie BFH 1.7.04, V R 33/01, BStBl II, 861).

 

Die gleichen Grundsätze gelten, wenn sich nachträglich herausstellt, dass zwischen bestimmten Personen keine Organschaft i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorlag und über die vermeintlichen Innenumsätze Belege ausgetauscht worden sind. Diese Belege sind Rechnungen i. S. d. § 14 Abs. 1 UStG, wenn sie einen Steuerausweis enthalten, weil mit ihnen tatsächlich über Leistungen abgerechnet worden ist. Sind diese Rechnungen nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellt, berechtigen sie zum Vorsteuerabzug. Belege ohne gesonderten Steuerausweis hingegen sind keine Rechnungen und daher einer Berichtigung mit Rückwirkung nicht zugänglich.

 

4.5.2 Bisher zu niedriger Steuerausweis

Ein unzutreffend in einer Rechnung zu niedrig ausgewiesener Steuerbetrag kann nicht mit Rückwirkung berichtigt werden. Der erstmalige zutreffende Steuerausweis in einer berichtigten Rechnung ist vielmehr insoweit mit dem erstmaligen Erstellen einer Rechnung gleichzusetzen. Das Recht zum Vorsteuerabzug in Höhe des Mehrbetrags kann somit erst in dem Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem der Leistungsempfänger im Besitz der Rechnung ist, die den Steuerbetrag in zutreffender Höhe ausweist (vgl. C-8/17, Biosafe).

 

PRAXISTIPP | Der Vorsteuerabzug des ursprünglich zu niedrigen Steuerbetrags bleibt bestehen!

 

5. Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs

Zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs gilt nach den Grundsätzen dieses Schreibens Folgendes:

 

5.1 Bei objektivem Nachweis (keine ordnungsmäßige Rechnung)

Der Vorsteuerabzug nach den unter Ziffer 3 genannten Voraussetzungen ist in dem Zeitpunkt zu gewähren, in dem die Leistung bezogen wurde und eine Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer vorlag.

 

5.2 Bei einer berichtigten Rechnung mit Rückwirkung

Wird eine Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV mit Rückwirkung berichtigt, ist das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich für den Besteuerungszeitraum auszuüben, in dem die Leistung bezogen wurde und die ursprüngliche Rechnung vorlag.

 

Abweichend hiervon kann bei einem zu niedrigen Steuerausweis in der ursprünglichen Rechnung das Recht auf Vorsteuerabzug in einer bestimmten Höhe erst dann ausgeübt werden, wenn der Leistungsempfänger im Besitz einer Rechnung ist, die einen Steuerbetrag in dieser Höhe ausweist.

 

5.3 Bei Storno und Neuerteilung einer Rechnung

Die Stornierung einer Rechnung und ihre Neuerteilung kann Rückwirkung entfalten. Dann gelten die Ausführungen unter Ziffer 5.2. Ansonsten kann das Recht auf Vorsteuerabzug erst für den Besteuerungszeitraum der Neuerteilung ausgeübt werden. Der Unternehmer ist dann nachweispflichtig dafür, dass aus der ursprünglichen Rechnung kein Vorsteuerabzug geltend bzw. ein solcher aufgrund des Stornos rückgängig gemacht worden ist.

 

5.4 Bei Rechnungen i. S. v. § 14c UStG

Die Berichtigung einer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldeten Umsatzsteuer entfaltet keine Rückwirkung, sondern unterliegt den Vorgaben des Abschnitts 17.1 Abs. 10 UStAE.

6. Kein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

Bei der Korrektur eines Steuerbescheids zur nachträglichen Berücksichtigung einer nach den vorgenannten Grundsätzen rückwirkend berichtigten Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV ist die Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht anwendbar. Denn die Berichtigung einer Rechnung mit Rückwirkung ist kein Ereignis, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit entfaltet (rückwirkendes Ereignis). Die Änderung eines Steuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist nur zulässig, wenn das rückwirkende Ereignis nachträglich, d. h., nach Entstehen des Steueranspruchs eingetreten ist. Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht jedoch gleichzeitig mit dem Steueranspruch nach Art. 167 MwStSystRL. Lediglich dessen Ausübung setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus (vgl. Art. 178 MwStSystRL), dass der Leistungsempfänger eine Rechnung besitzt (vgl. Senatex, C-518/14, Rn. 28 f). Da der materielle Anspruch auf Vorsteuerabzug unabhängig vom Vorliegen einer Rechnung entsteht, hat die Erteilung einer berichtigten Rechnung keine Auswirkung auf die Entstehung des Steueranspruchs.

7. Änderung des UStAE

Das BMF-Schreiben passt in Abschnitt II. den UStAE entsprechend an.

8. Anwendungsfragen

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

 

Es wird nicht beanstandet, wenn bei bis zum 31.12.2020 übermittelten Rechnungsberichtigungen nach § 31 Abs. 5 UStDV, die nach dem BFH-Urteil vom 20.10.2016, V R 26/15, Rückwirkung besitzen, der Vorsteuerabzug gleichwohl erst in dem Besteuerungszeitraum geltend gemacht wird, in dem die berichtigte Rechnung ausgestellt wird. Eine Berufung hierauf scheidet aus, wenn der Vorsteuerabzug bereits aus der ursprünglichen Rechnung gewährt wurde.

 

FAZIT |

  • Der BFH hat am 20.10.2016 (a.a.O., Rz. 19) unter anderem darauf erkannt, dass die rückwirkende Berichtigung eine berichtigungsfähige Rechnung voraussetzt.
  • Dazu muss das zu berichtigende Dokument folgende Mindestangaben enthalten:
    • Leistender Unternehmer
    • Leistungsempfänger
    • Leistungsbeschreibung
    • Entgelt
    • Steuerbetrag
  • Das Fehlen der anderen Rechnungspflichtangaben steht einer Rückwirkung nicht entgegen.
  • Das BMF-Schreiben folgt der Rechtsauffassung des BFH.
  • Abschließend geklärt ist nunmehr auch, dass eine Rechnungsberichtigung kein rückwirkendes Ereignis i. S .v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist, das eine steuerliche Wirkung für die Vergangenheit entfaltet.
  • Auf den Zinslauf des § 233a AO hat eine Rechnungsberichtigung daher keine Auswirkung.
 

Fundstelle

  • BMF 18.9.20, III C 2 - S 7286-a/19/10001 :001, 2020/0920350, iww.de/astw, Abruf-Nr. 217987
Quelle: Seite 884 | ID 46921886