· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Übergang der Steuerschuld auf Bauleistungen
von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dortmund
| In seinem Urteil vom 23.2.2017 (V R 16/16, V R 24/16) hat der BFH entschieden, dass die in § 27 Abs. 19 UStG geregelte Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung in Bauträgerfällen unter Beachtung der nachfolgenden Voraussetzungen verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn das Bestehen und die Abtretbarkeit einer Forderung nicht erst im Anschluss an die Änderung des Umsatzsteuerbescheids, sondern bereits im Festsetzungsverfahren geklärt werden. Die bereits aus dem Unionsrecht abzuleitenden Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes sowie von Treu und Glauben erforderten zudem, dass der leistende Unternehmer einen Rechtsanspruch auf Annahme seines Abtretungsangebots hat. Das BMF positioniert sich zu den Auswirkungen der neuen Rechtsprechung. |
Hintergrund
Ursprüngliche Rechtsauffassung der Finanzverwaltung
Nach der früheren Verwaltungsauffassung waren Unternehmer, die eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebauen (z. B. Bauträger), Steuerschuldner für die von anderen Unternehmern an sie erbrachten Bauleistungen, wenn die Bemessungsgrundlage der von ihnen getätigten Bauleistungen mehr als 10 % der Summe ihrer steuerbaren und nicht steuerbaren Umsätze (Weltumsatz) beträgt.
Rechtsauffassung des BFH
Dagegen positionierte sich der BFH mit Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 14, 128, Abruf-Nr. 133742). Das Gericht hat die Regelungen zur Steuerschuld des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG wie folgt ausgelegt:
- Der Leistungsempfänger von Bauleistungen ist nur dann Steuerschuldner für die an ihn erbrachte Leistung, wenn er die nämliche Leistung seinerseits zur Erbringung einer Bauleistung verwendet (entgegen Abschn. 182 Abs. 11 UStR 2005, im Wesentlichen unverändert fortgeführt als Abschn. 13b.3 Abs. 10 UStAE).
- Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten Bauleistungen am Gesamtumsatz („Weltumsatz“) kommt es dabei nicht an (entgegen 182a Abs. 10 UStR 2005, fortgeführt als Abschn. 13b.3 Abs. 2 f. UStAE).
- Im Übrigen ist es nicht entscheidungserheblich, ob sich die Beteiligten über die Handhabung der Steuerschuldnerschaft ursprünglich einig waren oder nicht (entgegen der Vereinfachungsregelung in Abschnitt 13b.8 UStAE).
Neuregelung für die Zukunft
Die neue Rechtsprechung stellte an die Praxis schier unlösbare Anforderungen:
- Für den leistenden Unternehmer ist in der Regel nicht erkennbar, ob ein Kunde, an den Bauleistungen erbracht werden, tatsächlich ein Unternehmer ist, der ebenfalls solche Leistungen erbringt.
- Noch weniger kann der leistende Unternehmer wissen, ob der Leistungsempfänger die bezogene Bauleistung selbst für eine steuerpflichtige Bauleistung verwendet (Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf, BT-Drs. 18/1776 18.6.14, zu 23./Entwurf eines § 13b Abs. 5a UStG).
Die konsequente Umsetzung der BFH-Rechtsprechung hätte zu zahlreichen Fehleinschätzungen und damit zu fehlerhaften Rechnungen und Vorsteuerrisiken geführt.
Demgegenüber haben sich die von der Finanzverwaltung entwickelten Abgrenzungskriterien in der Praxis bewährt. Um den Status quo beibehalten zu können und die geschilderten negativen Folgen der BFH-Rechtsprechung zu vermeiden, erlangten diese Abgrenzungskriterien daher über die Neufassung des § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG den Gesetzesstatus (Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.7.14, BGBl I 14, 266).
PRAXISHINWEIS | Als „Faustregel“ gilt daher, dass man in der Praxis bei
mit Ausnahme der Bauträger eigentlich immer zum gleichen Ergebnis kommen müsste. Zumindest hat der Gesetzgeber das so gewollt; ob ihm dies tatsächlich auch gelungen ist, wird nicht zuletzt wieder die Rechtsprechung zeigen. Ausführlich hierzu Weimann, GStB 2014, 363. |
Regelung für „Altleistungen“ (Bauleistungen vor dem 15.2.2014)
Entscheidung der Leistungspartner für die Vereinfachung des BMF
Mit BMF-Schreiben vom 5.2.2014 (BStBl I 14, 233) und vom 8.5.2014 (BStBl I 14, 823) wurden die Finanzämter angewiesen, die Grundsätze des o. a. BFH-Urteils vom 22.8.13 in vollem Umfang für nach dem 14.2.2014 ( = Tag der Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 5.2.2014 im BStBl Teil I) ausgeführte Umsätze allgemein anzuwenden.
Beachten Sie | Die betroffenen Unternehmer können danach für die Vergangenheit an der bisherigen Handhabung festhalten. Die Notwendigkeit von Rechnungsberichtigungen besteht nicht.
Diese Vereinfachungsregelung (Nichtbeanstandungsregelung) gewährt beiden Unternehmern bei einvernehmlicher unveränderter Beibehaltung der bisherigen Handhabung uneingeschränkte Rechtssicherheit und Vertrauensschutz, sofern nicht zu einem späteren Zeitpunkt von der einvernehmlichen Handhabung abgewichen wird.
Entscheidung der Leistungspartner gegen die Vereinfachung des BMF
Mit BMF-Schreiben vom 31.7.2014 (BStBl I 14, 1073) waren Grundsätze zur Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG für die Fälle festgelegt worden, bei denen der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger bei einer vor dem 15.2.2014 erbrachten steuerpflichtigen Bauleistung davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger nach § 13b UStG die Steuer schuldet und sich diese Annahme nach dem BFH-Urteil vom 22.8.2013 im Nachhinein als unrichtig herausgestellt hat und die beteiligten Unternehmer keinen Gebrauch von der Vereinfachungsregelung/Nichtbeanstandungsregelung gemacht haben. Dazu hat der BFH mit Urteil vom 23.2.2017 entschieden.
BFH Urteil vom 23.2.17
Der BFH hat in seinem Urteil vom 23.2.17 entschieden, dass die in § 27 Abs. 19 UStG geregelte Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung in Bauträgerfällen unions- und verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn
- das Bestehen der Forderung und
- die Abtretbarkeit einer Forderung
- nicht erst im Anschluss an die Änderung des Umsatzsteuerbescheids,
- sondern bereits im Festsetzungsverfahren
geklärt werden (
BFH 23.2.17, V R 16/16, V R 24/16, astw.iww.de, Abruf-Nr. 194497).
Die bereits aus dem Unionsrecht abzuleitenden Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes sowie von Treu und Glauben erforderten zudem, dass der leistende Unternehmer für die in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG umschriebene Fallgestaltung (Annahme einer Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung und Mitwirkung des leistenden Unternehmers bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs)
- gegen die Finanzverwaltung
- einen Rechtsanspruch auf Annahme seines Abtretungsangebots
hat.
Auf eine mögliche Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG beim Leistenden bzw. eine analoge Anwendung der § 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 2 UStG beim Leistungsempfänger kommt es nach Ansicht des BFH daher nicht an (vgl. Rdnr. 62 des o. g. BFH-Urteils vom 23.2.17).
Auffassung des BMF vom 26.7.17
Nach Auffassung des BMF gilt daher Folgendes:
Besteuerung des leistenden Unternehmers
Das BMF-Schreiben regelt folgenden Sachverhalt:
- Vor dem 15.2.2014 wurde eine steuerpflichtige Bauleistung erbracht.
- Leistender Unternehmer und Leistungsempfänger sind davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger nach § 13b UStG die Steuer schuldet.
- Diese Annahme stellt sich nach dem BFH-Urteil vom 22.8.2013 im Nachhinein als unrichtig heraus.
- Die beteiligten Unternehmer machen keinen Gebrauch von der Vereinfachungsregelung/Nichtbeanstandungsregelung.
Die Rechtsfolge
Die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Umsatzsteuerfestsetzung ist nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG zu ändern, soweit
- der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner i. S. d. § 13b UStG zu sein, und
- die Besteuerungszeiträume noch nicht festsetzungsverjährt sind (§ 169 Abs. 1 AO) und
- dem leistenden Unternehmer ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht oder zugestanden hat.
Beachten Sie | Die Steuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer kann daher auch dann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG geändert werden, wenn dem leistenden Unternehmer im Zeitpunkt der Änderung deshalb kein zivilrechtlicher Anspruch gegenüber dem Leistungsempfänger mehr zusteht, weil dieser bereits durch Erfüllung oder Verzicht erloschen ist (BMF, a. a. O., Tz. 6).
Der Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung gegen den leistenden Unternehmer nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG steht § 176 AO nicht entgegen (§ 27 Abs. 19 Satz 2 UStG).
Rechtsgrundlage des zivilrechtlichen Anspruchs des Leistenden
Der leistende Unternehmer kann in den Fällen des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG die gesetzlich entstandene und von ihm geschuldete Umsatzsteuer zivilrechtlich gegenüber dem Leistungsempfänger zusätzlich zum Netto-Entgelt geltend machen.
Der Anspruch ergibt sich regelmäßig aus § 313 Abs. 1 BGB, wenn der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger bei der Leistungserbringung von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ausgingen und in der Rechnung des leistenden Unternehmers ein Entgelt ohne Steuerbetrag mit dem ausdrücklichen Verweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG ausgestellt und vom Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG abgeführt worden ist (
BMF, a.a.O., Tz. 6a; vgl. auch LG Köln 30.10.15, 7 O 103/15, astw.iww.de, Abruf-Nr. 189583).
Dieser Anspruch kann sich auch aus § 313 Abs. 2 BGB oder aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB ergeben. In den Fällen, in denen die Vertragspartner ein Abtretungsverbot vereinbart haben, ist dieses nach § 354a Abs. 1 Satz 1 HGB suspendiert und steht einer Anwendung des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG nicht entgegen.
Der Anspruch entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Leistungsempfänger einen Antrag auf Änderung seiner Umsatzsteuerfestsetzung aufgrund des BFH-Urteils vom 22.8.2013 stellt.
Mitwirkungspflicht des Leistenden
Das Bestehen und die Abtretbarkeit dieses Anspruchs des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger werden vom zuständigen Finanzamt im Rahmen des Festsetzungsverfahrens geklärt (BMF, a.a.O., Tz. 6b).
Dazu hat der leistende Unternehmer dem Finanzamt alle Informationen und Unterlagen zur Geltendmachung seiner Forderung auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer, die abgetreten werden soll, zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus ist er verpflichtet, alle ihm bekannten Umstände, die zu Einreden, Einwendungen und/oder Aufrechnungen der Forderung führen können, offenzulegen.
Beachten Sie | In den Fällen, in denen sich im Festsetzungsverfahren aufgrund der Verletzung der Mitwirkungspflicht des leistenden Unternehmers nicht klären lässt, ob diesem ein zivilrechtlicher Anspruch gegen den Leistungsempfänger zusteht oder zugestanden hat, ist davon auszugehen, dass ein zivilrechtlicher Anspruch besteht oder bestanden hat (BFH 15.2.89, X R 16/86, BStBl II, 462).
Rechtsanspruch auf Annahme des Abtretungsangebots
Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt hat nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG auf Antrag zuzulassen, dass der leistende Unternehmer den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf (nachträgliche) Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer dem Finanzamt abtritt, wenn
- die (ursprüngliche) Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und
- der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt.
Beachten Sie | Das in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG grundsätzlich eingeräumte Ermessen reduziert sich in diesen Fällen aus Gründen des Unionsrechts auf null (BMF, a.a.O., Tz. 7).
Die Rechnungserteilung mit Steuerausweis durch den leistenden Unternehmer ist keine Voraussetzung für die Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG, sondern nur Bedingung für die Erfüllungswirkung „an Zahlungs statt“ nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG.
Unerheblich ist auch, ob der sich aus der geänderten Steuerfestsetzung ergebende Anspruch des Finanzamts gegen den leistenden Unternehmer bereits durch Zahlung oder in anderer Weise getilgt wurde (Ersetzungsrecht des leistenden Unternehmers; vgl. BFH 23.2.17, V R 16/16, V R 24/16, s. o., Rdnr. 67, 11). Diese Abtretung erfolgt nach Maßgabe des Zivilrechts durch Angebot seitens des leistenden Unternehmers, mit dem er sich verpflichtet, bei der Durchsetzung des Anspruchs mitzuwirken, und der Annahme durch das Finanzamt. Die Mitwirkungspflicht des leistenden Unternehmers bezieht sich hierbei zuvorderst auf den Nachweis der Richtigkeit und das Bestehen seiner (abgetretenen) Forderung sowie die Wirksamkeit der Abtretung.
Voraussetzungen der Wirkung an Zahlungs statt
Die vorgenannte Abtretung wirkt nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG nur dann an Zahlungs statt und führt damit zum Erlöschen des Umsatzsteueranspruchs (§ 47 AO), wenn
- der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine erstmalige oder geänderte Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt, und
- die Abtretung an das Finanzamt wirksam bleibt, und
- dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis angezeigt wird, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat, und
- der leistende Unternehmer seiner Mitwirkungspflicht nachkommt.
Beachten Sie | Soweit der Anspruch des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger vor einer beabsichtigten Abtretung an das Finanzamt durch Erfüllung oder Verzicht erloschen ist, ist eine Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG nicht möglich. Die besondere Erfüllungswirkung des § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG kann damit nicht eintreten. § 27 Abs. 19 Satz 1 und 2 UStG bleiben anwendbar (BMF, a. a. O., Tz. 8 i. V. m. Tz. 6).
Antragsverfahren beim Finanzamt des Leistungsempfängers
Hat der Leistungsempfänger unter Berufung auf das o. a. BFH-Urteil vom 22.8.2013 die Erstattung der Umsatzsteuer gefordert, die er ursprünglich in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner i. S. d. § 13b UStG zu sein, sind die entsprechenden Umsätze an den Leistungsempfänger zu ermitteln.
Der Leistungsempfänger hat dem für ihn zuständigen Finanzamt dazu Folgendes im Einzelnen darzulegen (vgl. BMF, a. a. O., Tz. 10 f.):
- Name, Anschrift und Steuernummer des leistenden Unternehmers,
- Rechnungsdatum, Rechnungsnummer, Bezeichnung der erbrachten Bauleistung, Entgelt und ‒ soweit die Rechnung bereits berichtigt wurde ‒ Steuersatz und Steuerbetrag, Zeitpunkt der Zahlung und/oder der Schlusszahlung der hierüber erteilten Rechnungen oder Gutschriften,
- Zeitpunkt und Höhe der geleisteten Anzahlungen oder Teilzahlungen sowie Rechnungsdatum und Rechnungsnummer der hierüber erteilten Rechnungen oder Gutschriften,
- Zuordnung der bezogenen Bauleistung bzw. der geleisteten Anzahlung zu dem jeweiligen Ausgangsumsatz unter Angabe des konkreten Ausgangsumsatzes (Bauvorhabens) als objektbezogenen Nachweis dafür, dass die Eingangsleistung nicht zur Erbringung von selbst erbrachten Bauleistungen verwendet wurde.
Beachten Sie | Die Beleganforderung im Einzelfall bleibt hiervon unberührt!
Die vorgenannten Auskünfte sind zur Feststellung der für die Besteuerung erheblichen Sachverhalte sowohl beim Leistungsempfänger als auch beim leistenden Unternehmer erforderlich (§§ 90, 93 Abs. 1 AO). Der Leistungsempfänger ist darauf hinzuweisen, dass diese Auskünfte auch zum Zweck der Besteuerung der jeweils leistenden Unternehmer nach § 27 Abs. 19 UStG angefordert werden.
Überleitung auf das Finanzamt des Leistenden und dortiges Verfahren
Das für den Leistungsempfänger zuständige Finanzamt informiert umgehend das für den jeweiligen leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt über die Tatsachen, die jeweils zur Festsetzung der Umsatzsteuer nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG notwendig sind (vgl. BMF, a. a. O., Tz. 12 ff.).
Anschließend ist der jeweilige leistende Unternehmer unverzüglich von dem für ihn zuständigen Finanzamt darüber zu informieren, dass der Leistungsempfänger sich auf das BFH-Urteil vom 22.8.2013 (s. o., Gliederungspunkt 1.2) berufen und die Erstattung der Umsatzsteuer gefordert hat, die er ursprünglich in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner i. S. d. § 13b UStG zu sein.
Zugleich ist der leistende Unternehmer darauf hinzuweisen,
- inwieweit diese Umsatzsteuer nunmehr von ihm geschuldet wird,
- dass eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG beabsichtigt ist und
- dass er seine Umsatzsteuerschuld nach § 27 Abs. 19 Satz 3 und 4 UStG durch Abtretung seiner zivilrechtlichen Forderung gegen den Leistungsempfänger erfüllen kann, sofern die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte, er sich verpflichtet, bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitzuwirken, und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die Abtretung der zivilrechtlichen Forderungen gegen den Leistungsempfänger nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG kann schon vor einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG erfolgen.
Entscheidung über den Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers
Im Hinblick auf die Zielsetzung des § 27 Abs. 19 UStG soll die Entscheidung über den (anteiligen) Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers bis zur Rückmeldung des jeweils für den leistenden Unternehmer zuständigen Finanzamts über das Vorliegen einer (wirksamen) Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG zurückgestellt werden. Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt hat das für den Leistungsempfänger zuständige Finanzamt umgehend über das Ergebnis seiner Maßnahmen bzw. über mit dem leistenden Unternehmer getroffene Abtretungsvereinbarungen zu informieren (vgl. BMF, a. a. O., Tz. 15 f.).
Beachten Sie | Leistungsempfängern werden beantragte Umsatzsteuer-Erstattungen nur gewährt, soweit sie die nachträgliche Zahlung der fraglichen Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer nachweisen oder mit dem Erstattungsanspruch gegen nach § 27 Abs. 19 UStG vom leistenden Unternehmer an die Finanzbehörde abgetretene (zivilrechtliche) Forderungen aufgerechnet werden kann. Im Übrigen wird die Umsatzsteuererstattung abgelehnt.
Nachzahlungszinsen nach § 233a AO
Bei der Verzinsung der nachträglichen Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gilt der Antrag des Leistungsempfängers auf Erstattung der zunächst von ihm entrichteten Umsatzsteuer als rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 233a Abs. 2a AO.
Beachten Sie | Der Zinslauf von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO beginnt in diesen Fällen folglich erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist (vgl. BMF, a. a. O., Tz. 16).
Abtretung der zivilrechtlichen Forderungen innerhalb der Verwaltung
Die Finanzbehörden können gegen den Umsatzsteuererstattungsanspruch (oder andere Steuererstattungsansprüche oder Steuervergütungsansprüche) des Leistungsempfängers mit der vom leistenden Unternehmer durch Abtretung erworbenen zivilrechtlichen Forderung grundsätzlich ab deren Fälligkeit aufrechnen (§ 226 AO i. V. m. §§ 387‒396 BGB).
Der Beginn der Verjährung des Anspruchs des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger bestimmt sich nach § 195 BGB i. V. m. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Danach beginnt die zivilrechtliche Verjährung für die Nachforderung der Umsatzsteuer durch den leistenden Unternehmer gegen den Leistungsempfänger gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst mit Kenntniserlangung der den Anspruch begründenden Umstände. Die Verjährungsfrist beginnt demnach dann, wenn der leistende Unternehmer Kenntnis erlangt hat, dass der Leistungsempfänger einen Erstattungsantrag bei seinem Finanzamt gestellt hat (BMF, a. a. O., Tz. 17; vgl. auch LG Köln 30.10.15, 7 O 103/15).
Die für eine Aufrechnung erforderliche Gegenseitigkeit ist gewahrt, wenn die (durch Abtretung vom leistenden Unternehmer erworbene zivilrechtliche) Forderung derselben Körperschaft zusteht (§ 226 Abs. 1 AO) oder von derselben Körperschaft verwaltet wird (§ 226 Abs. 4 AO), die auch die Hauptforderung (Umsatzsteuererstattungsanspruch) schuldet. Soweit sich die Aufrechnungslage weder aus § 226 Abs. 1 AO aufgrund der Ertrags-berechtigung noch aus § 226 Abs. 4 AO aufgrund der Verwaltungshoheit ergibt, kann in geeigneten Fällen die erforderliche Gegenseitigkeit seitens der Finanzverwaltung dadurch hergestellt werden, dass die zivilrechtliche Forderung gegen den Leistungsempfänger zwecks Einziehung an die Körperschaft, die den Umsatzsteuererstattungsanspruch zu erfüllen hat, abgetreten und damit die Gläubiger-/Schuldneridentität i. S. d. § 226 Abs. 1 AO herbeigeführt wird (vgl. BFH 5.9.89, VII R 33/87, BStBl II 89, 1004).
Für die Erklärung der Aufrechnung ist die Finanzbehörde zuständig, die den Umsatzsteuererstattungsanspruch des Leistungsempfängers zu erfüllen hat.
Änderung des UStAE
Abschn. 27.1 Abs. 5 UStAE wird wie folgt gefasst: „(5) Zur Anwendung von § 27 Abs. 19 UStG vgl. BMF 26.7.17.“
PRAXISHINWEIS | Das neue BMF-Schreiben
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Fundstelle
- BMF 26.7.17, III C 3 ‒ S 7279/11/10002-09 astw.iww.de, Abruf-Nr. 196101 und IV A 3 ‒ S 0354/07/10002-10, 2017/0658012, Abruf-Nr. 197002