· Fachbeitrag · Umwandlungssteuerrecht
Sperrfristverstöße als „Steuerfalle“ und Änderungen durch das zweite Corona-Steuerhilfegesetz
von Prof. Dr. Hans Ott, StB/vBP, Köln
| Wird ein Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil oder ein Teil davon gemäß § 20 UmwStG unter Ansatz der Buch- oder Zwischenwerte in eine Kapitalgesellschaft eingebracht, ist höchste Vorsicht geboten. Die hierfür erhaltenen Anteile stellen sog. originär sperrfristbehaftete Anteile nach § 22 UmwStG dar. Nun kann eine solche Einbringung bekanntlich auf entsprechenden Antrag maximal acht Monate zurückbezogen werden. Mit dem Corona-Steuerhilfegesetz vom 19.6.20 (BGBl I 20, 1385) wurden die steuerlichen Rückwirkungszeiträume des § 9 S. 3 UmwStG und § 20 Abs. 6 S. 1 und 3 UmwStG auf zwölf Monate verlängert, wenn die Anmeldung zur Eintragung oder der Abschluss des Einbringungsvertrages im Jahr 2020 erfolgen. Mit dem (ggf. rückbezogenen) Einbringungszeitpunkt gem. § 20 Abs. 6 UmwStG beginnt die siebenjährige Sperrfrist nach § 22 Abs. 1 UmwStG. |
1. Zur Gefahrensituation
Sperrfristbehaftete Anteile entstehen originär auch durch einen qualifizierten Anteilstausch i. S. d. § 21 Abs. 1 UmwStG, soweit dieser steuerneutral oder unter Ansatz von Zwischenwerten erfolgt und der Einbringende keine Körperschaft ist, bei der der Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre.
Im Anschluss an eine Einbringung nach § 20 UmwStG sind die siebenjährigen Sperrfristen nach § 22 UmwStG zu beachten, die entweder an die erhaltenen oder an die eingebrachten Anteile anknüpfen.
MERKE | Ein Sperrfristverstoß liegt nach § 22 Abs. 2 UmwStG vor, wenn sperrfristbehaftete Anteile innerhalb der Sperrfrist veräußert werden oder im Hinblick auf diese Anteile ein Ersatztatbestand i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 ‒ 6 UmwStG verwirklicht wird. Ein Sperrfristverstoß bewirkt stets die rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns zum ursprünglichen Einbringungszeitpunkt. Somit drohen zum Teil gravierende Steuerfolgen, die ein Hindernis für nachfolgende Dispositionen wie z. B. eine weitere Übertragung der sperrfristbehafteten Anteile darstellen können. |
In der Praxis stellt sich oft die Frage, ob auch durch die Weiter-Einbringung sperrfristbehafteter Anteile ein Sperrfristverstoß ausgelöst wird. Diese Frage wird in einem Folgebeitrag anhand von praktischen Beispielen beantwortet.
2. Sperrfristbehaftete Anteile und Sperrfristverstoß
Ein Sperrfristverstoß und damit die rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns auf den Einbringungszeitpunkt tritt in folgenden Fällen ein:
- Ein Einbringungsgewinn I wird nach § 22 Abs. 1 UmwStG ausgelöst, wenn die im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile innerhalb der Sperrfrist von sieben Jahren durch den Einbringenden veräußert werden (Grundtatbestand nach § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG) bzw. im Hinblick auf diese Anteile ein Ersatztatbestand i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 ‒ 6 UmwStG realisiert wird. Der Einbringungsgewinn I (zur Berechnung vgl. Rn. 22.08 UmwSt-Erlass) umfasst sämtliche im Zeitpunkt der ursprünglichen Einbringung vorhandenen stillen Reserven in der eingebrachten Sachgesamtheit.
- Ein Einbringungsgewinn II ist dagegen nach § 22 Abs. 2 UmwStG zu versteuern, wenn die im Zuge eines qualifizierten Anteilstausches i. S. d. § 21 Abs. 1 UmwStG eingebrachten Anteile innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist von der übernehmenden Kapitalgesellschaft veräußert werden oder von dieser ein Ersatztatbestand i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 6 i. V. m. Abs. 1 S. 6 Nr. 1 ‒ 5 UmwStG verwirklicht wird. Als Einbringungsgewinn II (zur Berechnung vgl. Rn. 22.14 UmwSt-Erlass) werden sämtliche im Zeitpunkt der ursprünglichen Einbringung vorhandenen stillen Reserven in den eingebrachten Anteilen an Kapitalgesellschaften erfasst, die Gegenstand des Anteilstausches waren.
- Erfüllt der Einbringende während der Sperrfrist seine in § 22 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UmwStG (für die erhaltenen Anteile) sowie in § 22 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 UmwStG (für die eingebrachten Anteile) angeordnete Nachweispflicht über die Zurechnung der Anteile nicht, gelten die erhaltenen bzw. eingebrachten Anteile als veräußert. Die bittere Konsequenz: Es ist rückwirkend ein Einbringungsgewinn I bzw. II zu versteuern.
Beachten Sie | Wird eine Sachgesamtheit i. S. d. § 20 UmwStG durch eine Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) eingebracht, gilt nach Rn. 22.02 UmwSt-Erlass (BMF 11.11.11, BStBl I 11, 1314) unter Hinweis auf das bei Mitunternehmerschaften geltende Transparenzprinzip Folgendes: Nicht nur die Veräußerung der sperrfristbehafteten Anteile durch die Personengesellschaft selbst gilt als Sperrfristverstoß gem. § 22 Abs. 1 UmwStG, sondern auch die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils an dieser Personengesellschaft, zu deren Betriebsvermögen die sperrfristbehafteten Anteile gehören. Ebenfalls erfasst wird die mittelbare Veräußerung eines derartigen Mitunternehmeranteils bei doppel- oder mehrstöckigen Personengesellschaften. Dementsprechend betrifft die Nachweispflicht nach § 22 Abs. 3 UmwStG in solchen Fällen gem. Rn. 22.28 UmwSt-Erlass auch die Anteile an einer Personengesellschaft. Entsprechendes gilt für die Mitunternehmeranteile weiterer vorgeschalteter Mitunternehmerschaften bei mehrstöckigen Personengesellschaften.
|
An der T-GmbH & Co. KG ist die M-GmbH & Co. KG als Mitunternehmerin beteiligt. Die T-GmbH & Co. KG hat zum 1.1.20 einen Teilbetrieb zu Buchwerten nach § 20 UmwStG in die X-GmbH ausgegliedert. In welchen Fällen kann sich ein Sperrfristverstoß ergeben? |
Lösung: Ein Sperrfristverstoß liegt vor, wenn innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist die T-GmbH & Co. KG ihren Anteil an der X-GmbH veräußert. Ein Sperrfristverstoß liegt ebenfalls vor, wenn die M-GmbH & Co. KG den Mitunternehmeranteil an der T-GmbH & Co. KG veräußert oder ein Mitunternehmeranteil an der M-GmbH & Co. KG veräußert wird. |
Die Besteuerung des Einbringungsgewinns I oder II wird jedoch zweifach eingeschränkt:
- Zum einen erfolgt eine Versteuerung des Einbringungsgewinns nur, „soweit“ sperrfristbehaftete Anteile veräußert werden (quotale Einschränkung).
- Daneben sehen sowohl § 22 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG vor, dass der quotal ermittelte Einbringungsgewinn I oder II zusätzlich um jeweils ein Siebtel für jedes nach dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr vermindert wird (zeitabhängige Einschränkung).
Während die zeitabhängige Einschränkung in Form der Siebtelung bestehen bleibt, entfaltet die quotale Einschränkung in der Regel keine Auswirkung, wenn die Nachweispflicht nach § 22 Abs. 3 UmwStG verletzt wird. Die drastischen Folgen im Falle eines nicht erbrachten Nachweises werden jedoch erfreulicherweise durch die Billigkeitsregelung in Rn. 22.33 UmwSt-Erlass beseitigt. Danach kann die Nachweisfrist zwar nicht verlängert werden, aber bei einem erst nach Ablauf der Frist erbrachten Nachweis können die Angaben noch berücksichtigt werden, wenn eine Änderung der betroffenen Bescheide verfahrensrechtlich noch möglich ist. Dies bedeutet, dass im Falle eines Rechtsbehelfsverfahrens der Nachweis längstens noch bis zum Abschluss des Klageverfahrens erbracht werden kann.
Beachten Sie | Die Einbringungsgewinnbesteuerung nach einem Sperrfristverstoß gilt nach § 22 Abs. 1 S. 2 UmwStG als rückwirkendes Ereignis § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, sodass die Verzinsung einer etwaigen Steuernachforderung gem. § 233a Abs. 2a AO erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres einsetzt, in dem der Sperrfristverstoß bewirkt worden ist.
3. Sonstige Rechtsfolgen bei einem Sperrfristverstoß
Die Kapitalgesellschaft, deren Anteile nach § 22 Abs. 1 UmwStG Gegenstand eines Sperrfristverstoßes waren, erhält zu Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem der Sperrfristverstoß erfolgt ist, nach § 23 Abs. 2 UmwStG auf Antrag in Höhe des versteuerten Einbringungsgewinns I eine steuerneutral als Einlage in der Steuerbilanz und als Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG zu erfassende Buchwertaufstockung (sog. Erhöhungsbetrag), die in zweifacher Hinsicht begrenzt ist.
- Zum einen wird der Erhöhungsbetrag nur insoweit gewährt, als der Einbringende die auf den Einbringungsgewinn entfallende Steuer entrichtet hat und dies durch Vorlage einer Bescheinigung des nach § 22 Abs. 5 UmwStG für den Einbringenden zuständigen Finanzamts nachgewiesen wurde. Ergibt sich in dem für die Einbringung maßgebenden Veranlagungszeitraum wegen eines Verlusts, Verlustvor- oder -rücktrags für den Einbringenden keine festzusetzende Steuer, gilt nach Rn. 23.12 UmwSt-Erlass die Steuer mit Bekanntgabe des (geänderten) Verlustfeststellungsbescheids als entrichtet.
- Darüber hinaus erfolgt nach § 23 Abs. 2 S. 2 UmwStG die Buchwertaufstockung nur, soweit das eingebrachte Betriebsvermögen noch zum Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft gehört. Sind Wirtschaftsgüter zuvor zum gemeinen Wert veräußert worden oder untergegangen, stellt der Erhöhungsbetrag nach Rn. 23.09 UmwSt-Erlass insoweit eine sofort abzugsfähige Betriebsausgabe dar. Im Falle der Weitereinbringung der Wirtschaftsgüter zu einem Wert unter dem gemeinen Wert scheidet eine Buchwertaufstockung insoweit aus.
Bei einem Sperrfristverstoß nach § 22 Abs. 2 UmwStG kann die übernehmende Gesellschaft auf Antrag den Einbringungsgewinn II im Wirtschaftsjahr der Veräußerung der eingebrachten Anteile als nachträgliche Anschaffungskosten dieser Anteile ansetzen, soweit der Einbringende die auf den Einbringungsgewinn II entfallende Steuer entrichtet hat und dies durch Vorlage einer Bescheinigung des zuständigen Finanzamts i. S. v. § 22 Abs. 5 UmwStG nachgewiesen wurde.
4. Gewinn aus der Anteilsveräußerung
Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung der sperrfristbehafteten Anteile unterliegt entweder der Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren gem. §§ 3 Nr. 40 i. V. m. 3c Abs. 2 EStG oder bei Körperschaften der Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG. Im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns oder -verlusts ist zu berücksichtigen, dass der Einbringungsgewinn I oder II (§ 22 Abs. 1 S. 4 UmwStG) ‒ ohne weitere Voraussetzungen ‒ als nachträgliche Anschaffungskosten der erhaltenen bzw. eingebrachten Anteile gilt. Dies gilt nach § 22 Abs. 1 S. 7 bzw. § 22 Abs. 2 S. 7 UmwStG auch für die auf einer Weiter-Einbringung dieser Anteile zum Buchwert nach § 20 Abs. 1 bzw. § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG beruhenden Anteile.
Beachten Sie | Wird nur ein Teil der sperrfristbehafteten Anteile veräußert, so werden nach überwiegender Meinung im Schrifttum auch nur die Anschaffungskosten der tatsächlich veräußerten Anteile nachträglich erhöht (vgl. Patt in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 22 UmwStG Rn. 61, Stand: März 2018).
5. Einbringungsgewinn und Gewerbesteuer
Grundsätzlich unterliegt der Einbringungsgewinn I nach § 7 S. 2 GewStG der Gewerbesteuer, sofern der Einbringende eine Kapital- oder Personengesellschaft ist. Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze. Daraus folgt, dass der Einbringungsgewinn I nicht zum Gewerbeertrag gehört, soweit er auf eine natürliche Person entfällt. Nach der Verwaltungsauffassung in Rn. 22.07 UmwSt-Erlass soll der Einbringungsgewinn I dagegen bei einer nur teilweisen (selektiven) Veräußerung der erhaltenen Anteile auch bei natürlichen Personen der Gewerbesteuer unterliegen. Darüber hinaus soll nach Rn. 22.13 UmwSt-Erlass der Einbringungsgewinn II bei Anteilen im Betriebsvermögen stets zum Gewerbeertrag gehören. In zwei Urteilen vom 11.7.19 ist der BFH dieser Verwaltungsauffassung nunmehr entgegengetreten (vgl. dazu Pflüger, GStB 20, 202):
- Mit Urteil vom 11.7.19 (I R 26/18, DStR 20, 441) hat der BFH ‒ der herrschenden Meinung im Schrifttum folgend (vgl. nur Schmitt: in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 8. Aufl. 2018, § 22 UmwStG, Rz. 61a) ‒ der Verwaltungsauffassung in Rn. 22.07 UmwSt-Erlass eine klare Absage erteilt. Er hat klargestellt, dass der Einbringungsgewinn I aus der Veräußerung nur eines Teils der nach der Einbringung eines Mitunternehmeranteils erhaltenen Anteile an einer Kapitalgesellschaft bei einer natürlichen Person nicht der Gewerbesteuer unterliegt, wenn auch die Einbringung zum gemeinen Wert nicht gewerbesteuerpflichtig gewesen wäre.
- Auch mit dem weiteren Urteil vom 11.7.19 (I R 13/18, DStR 20, 444) hat der BFH sich gegen die Verwaltungsauffassung gestellt. Danach soll auch der Einbringungsgewinn II, der aus der Veräußerung eines im Rahmen einer Sacheinlage nach § 20 Abs. 1 UmwStG oder eines Anteilstauschs i. S. d. § 21 Abs. 1 UmwStG unter dem gemeinen Wert eingebrachten Anteils an einer Kapitalgesellschaft resultiert, nicht der Gewerbesteuer unterliegen, wenn auch die Einbringung zum gemeinen Wert nicht gewerbesteuerpflichtig gewesen wäre.
6. Ausnahmefall: Einbringung und Gewerbesteuer nach § 18 Abs. 3 UmwStG
In einem Sonderfall unterliegt ausnahmsweise der Einbringungsgewinn I auch bei natürlichen Personen der Gewerbesteuer. Diese Ausnahme besteht, wenn die aus der „Gewerbesteuerfalle“ des § 18 Abs. 3 UmwStG resultierende fünfjährige Sperrfrist (vgl. ausführlich dazu Ott, GStB 19, 25) mit der Sperrfrist des § 22 Abs. 1 UmwStG zusammentrifft.
Wird nämlich nach der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in ein Personenunternehmen der Betrieb der Personengesellschaft oder der natürlichen Person innerhalb von fünf Jahren aufgegeben oder veräußert, so unterliegt der Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn nach § 18 Abs. 3 UmwStG der Gewerbesteuer. Entsprechendes gilt, wenn ein Teilbetrieb oder ein Anteil an der Personengesellschaft innerhalb der fünfjährigen Sperrfrist aufgegeben oder veräußert wird. Die Gewerbesteuer, die grundsätzlich nach § 4 Abs. 5b EStG nicht als Betriebsausgabe abziehbar ist, ist nach § 18 Abs. 3 S. 3 UmwStG zudem von der Anrechnung auf die Einkommensteuer gem. § 35 EStG ausgeschlossen. Damit stellt § 18 Abs. 3 UmwStG innerhalb der fünfjährigen Sperrfrist ein beachtliches Veräußerungshindernis dar.
Beachten Sie | Nach dem BFH-Urteil vom 7.3.19 (IV R 18/17, BFH/NV 19, 619) kann die Gewerbesteuer in diesen Fällen auch nur ausnahmsweise als Veräußerungskosten berücksichtigt werden (z. B. bei unmittelbarer Zahlung an den Erwerber der Sachgesamtheit).
Eine Veräußerung i. S. v. § 18 Abs. 3 UmwStG liegt grundsätzlich nach Rn. 18.07 UmwSt-Erlass auch dann vor, wenn der im Zuge der Umwandlung übergegangene Betrieb nach § 20 UmwStG bzw. § 24 UmwStG in eine Kapital- bzw. Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht wird. Allerdings sieht die Finanzverwaltung bei der Einbringung zum Buchwert nach den §§ 20 und 24 UmwStG eine Ausnahme vor:
MERKE | Die übernehmende Gesellschaft tritt hier ohne weitere Folgen in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein und ist nach § 23 Abs. 1 UmwStG bzw. § 24 Abs. 4 UmwStG für den Rest der Fünfjahresfrist der Vorschrift des § 18 Abs. 3 UmwStG unterworfen. Damit tritt die Sperrfrist nach § 18 Abs. 3 UmwStG neben die Sperrfrist für die im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile nach § 22 Abs. 1 UmwStG. Beide Sperrfristen können sich auch überlappen, wobei über § 22 Abs. 1 UmwStG die Anwendung des § 18 Abs. 3 UmwStG faktisch deutlich verlängert werden kann. |
Tritt z. B. im Anschluss an eine Buchwerteinbringung nach § 20 UmwStG ein Sperrfristverstoß ein, so unterliegt der rückwirkend nach § 22 Abs. 1 UmwStG zum Einbringungszeitpunkt anzusetzende und ggf. abgeschmolzene Einbringungsgewinn I nach § 22 Abs. 1 UmwStG der Gewerbesteuer nach § 18 Abs. 3 UmwStG, wenn der Einbringungszeitpunkt innerhalb der noch laufenden Sperrfrist des § 18 Abs. 3 UmwStG liegt (vgl. z. B. Schießl in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 18 UmwStG, Rz. 231). Dies gilt unabhängig davon, ob der eigentliche Sperrfristverstoß (z. B. die Veräußerung der sperrfristbehafteten Anteile) innerhalb oder außerhalb des Fünfjahreszeitraums nach § 18 Abs. 3 UmwStG erfolgt (vgl. Trossen in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 18 Rz. 462 f.; a. A. aber Bohnhardt in: Haritz/Menner/Bilitewski, UmwStG, 5. Aufl. 2019, § 18 Rz. 153).
Beachten Sie | Der Sperrfristverstoß führt dazu, dass die Einbringung nach § 20 UmwStG rückwirkend in eine gewinnrealisierende Veräußerung des Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils umqualifiziert wird.
|
Zum 31.12.16 erfolgte die Umwandlung der X-GmbH auf ihren Alleingesellschafter A nach § 3 ff. UmwStG unter Fortführung der Buchwerte (auf A übergegangene stille Reserven: 1 Mio. EUR). Mit Wirkung zum 1.1.19 wurde das Einzelunternehmen (stille Reserven zu diesem Zeitpunkt 1,4 Mio. EUR) wieder nach § 20 UmwStG zu Buchwerten in die Y-GmbH eingebracht. Am 1.7.20 veräußert A sämtliche Anteile an der Y-GmbH.
Variante: A veräußert ‒ bei ansonsten gleichem Sachverhalt ‒ sämtliche Anteile erst am 1.7.24.
Lösung zum Beispiel: Die zum 31.12.16 erfolgte Umwandlung der X-GmbH hat im Hinblick auf den übergegangenen Betrieb die fünfjährige Sperrfrist nach § 18 Abs. 3 UmwStG ausgelöst. Die zum 1.1.19 erfolgte steuerneutrale Einbringung in die Y-GmbH hat dazu geführt, dass diese nach Rn. 18.07 UmwSt-Erlass für die restliche Fünfjahresfrist des § 18 Abs. 3 UmwStG in die Rechtsstellung des A eintritt. |
Die Veräußerung der Anteile an der Y-GmbH am 1.7.20 stellt einen Sperrfristverstoß nach § 22 Abs. 1 UmwStG dar, der rückwirkend zum 1.1.19 zur Versteuerung des Einbringungsgewinns I führt. Der wegen Ablauf eines Zeitjahres um 1/7 gekürzte Einbringungsgewinn I beträgt 1,2 Mio. EUR und unterliegt der Gewerbesteuer.
Der rückwirkend zum 1.1.19 entstehende Einbringungsgewinn I, der innerhalb der fünfjährigen Sperrfrist des § 18 Abs. 3 UmwStG entsteht und höher ist als die zum 31.12.16 auf A übergegangenen stillen Reserven, unterliegt der Gewerbesteuer nach § 18 Abs. 3 UmwStG. Nach Rn. 18.09 UmwSt-Erlass werden von der Gewerbesteuer auch die stillen Reserven erfasst, die erst nach der Umwandlung der X-GmbH neu gebildet wurden.
Lösung zur Variante: Erfolgt die Veräußerung der Anteile an der Y-GmbH erst am 1.7.24, so ergibt sich rückwirkend zum 1.1.19 ein um 5/7 geminderter Einbringungsgewinn I von 0,4 Mio. EUR, der nach § 18 Abs. 3 UmwStG gewerbesteuerpflichtig ist. Obwohl § 18 Abs. 3 UmwStG keinerlei zeitanteilige Kürzung des steuerpflichtigen Gewinns vorsieht, hat das Zusammenwirken von § 18 Abs. 3 UmwStG und § 22 Abs. 1 UmwStG im Fall der Buchwerteinbringung nach § 20 UmwStG hier einen positiven Effekt. Die Abschmelzungsregelung in § 22 Abs. 1 UmwStG sorgt dafür, dass aufgrund der Kürzung des Einbringungsgewinns I um 5/7 im Vergleich zum Umwandlungsstichtag am 31.12.16 sowie im Vergleich zu einer „normalen“ Betriebsveräußerung am 1.1.19 weniger stille Reserven von § 18 Abs. 3 UmwStG erfasst werden. |
Bei der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft verlängert sich somit die Fünfjahresfrist des § 18 Abs. 3 UmwStG, weil sieben Jahre lang noch rückwirkend ein der Gewerbesteuer unterliegender Einbringungsgewinn I entstehen kann. Im Extremfall kann z. B. eine rückwirkend zum 1.1.20 erfolgte Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in ein Personenunternehmen noch zur Anwendung des § 18 Abs. 3 UmwStG führen, wenn anschließend eine Buchwerteinbringung in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG mit einem Einbringungszeitpunkt zum 31.12.24 erfolgt und die im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile bis zum 31.12.31 veräußert werden. Der in diesem Fall rückwirkend zum 31.12.24 (steuerlicher Übertragungsstichtag) entstehende und um 6/7 gekürzte Einbringungsgewinn I ist dann nach § 18 Abs. 3 UmwStG gewerbesteuerpflichtig.
FAZIT | In der Praxis wird das Augenvermerk verstärkt darauf gelegt, die steuerlichen Voraussetzungen nach § 20 UmwStG für die Einbringung in eine Kapitalgesellschaft zu erfüllen, damit der Einbringungsvorgang steuerneutral vollzogen werden kann. Oftmals wird aber die Tatsache vernachlässigt, dass im Zuge der Einbringung sperrfristbehaftete Anteile entstanden sind. Abgesehen davon, dass sieben Jahre lang bis spätestens zum 31. Mai eines Jahres der Nachweis im Hinblick auf diese Anteile zu erbringen ist, müssen auch etwaige Sperrfristverstöße stets im Auge behalten werden, wenn weitere Umstrukturierungsmaßnahmen geplant sind. Erfolgt nämlich ein solcher Sperrfristverstoß innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist, so können sich rückwirkend auf den Einbringungszeitpunkt gravierende Steuerfolgen ergeben. Der vorstehende Beitrag, der für diese Steuerfolgen sensibilisieren will, wird in der nächsten Ausgabe fortgesetzt. Dann geht es um die Problematik der Weiter-Einbringung von sperrfristbehafteten Anteilen. |