· Fachbeitrag · Umwandlungssteuerrecht
Verschmelzung als attraktives Gestaltungsmittel zur Verlustnutzung bei Kapitalgesellschaften
von Prof. Dr. Hans Ott, StB/vBP, Köln
| Verfügt eine GmbH über steuerliche Verluste bzw. Verlustvorträge, stellt sich immer die Frage, wie diese steuerlich genutzt werden können. Zeichnet sich ab, dass die Verlust-GmbH ihre Verlustvorträge nicht aus eigener Kraft, also durch künftige Gewinne, verwerten kann, kommt die Verschmelzung einer vorhandenen oder hinzuerworbenen Gewinn-GmbH auf die Verlust-GmbH in Betracht. Neben der Wahl der richtigen Verschmelzungsrichtung müssen noch weitere gesetzliche Einschränkungen der Verlustnutzung beachtet werden. So ist unter Berücksichtigung des aktuellen BFH-Urteils vom 17.11.20 (I R 2/18, BStBl II 21, 580) zu prüfen, ob ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO den Erfolg des Modells vereiteln kann. All diese Punkte kommen nachfolgend auf den Prüfstand. |
1. Ausgangsfall (Beispiel 1)
X und Y sind jeweils zu 80 % bzw. 20 % an einer Gewinn-GmbH (G-GmbH) und an einer Verlust-GmbH (V-GmbH) beteiligt. Die V-GmbH, deren Betriebsvermögen keine stillen Reserven enthält, verfügt über körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge, während die G-GmbH hohe Gewinne erzielt.

Nach den vorliegenden Ergebnisplanungen wird die V-GmbH auf Dauer weder nennenswerte Gewinne erzielen noch wird es möglich sein, z. B. durch Veräußerung von Wirtschaftsgütern stille Reserven zu „heben“.
2. Restriktionen bei der Verschmelzung von Verlust- mit Gewinngesellschaften
Die Gesellschafter überlegen, die Verlustvorträge der V-GmbH durch eine Verschmelzung mit der G-GmbH zu nutzen. Dabei kommt der Verschmelzungsrichtung entscheidende Bedeutung zu:
Bei der Seitwärts-Verschmelzung der Verlust-GmbH auf die Gewinn-GmbH ist der Übergang von steuerlichen Verlusten bzw. von Verlustvorträgen nach § 12 Abs. 3 i. V m. § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG ausgeschlossen, sodass nur der umgekehrte Fall, nämlich die Verschmelzung der Gewinn-GmbH auf die Verlust-GmbH zielführend ist. Auch hierbei sind jedoch Restriktionen zu beachten:
- Zunächst stellt sich die Frage, ob die Verschmelzung einer Gewinn-GmbH auf eine Verlust-GmbH als Gestaltungsmissbrauch anzusehen ist.
- Des Weiteren ist die Verlustausgleichsbeschränkung des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG zu beachten.
- Schließlich ist zu prüfen, ob bei der Verschmelzung bei einem schädlichen Anteilserwerb von mehr als 50 % ein Verlustuntergang nach § 8c KStG droht und wie ein solcher Untergang ggf. verhindert werden kann.
3. BFH-Urteil vom 17.11.20 zum Gestaltungsmissbrauch
Die Finanzverwaltung versucht regelmäßig, der Verlustnutzung durch Verschmelzung einer Gewinn-GmbH mit einer Verlust-GmbH mit dem Vorwurf des Missbrauchs i. S. von § 42 AO zu begegnen. Bereits im zeitlichen Anwendungsbereich des § 8 Abs. 4 KStG a. F. hatte der BFH (18.12.13, R 25/12, BFH/NV 14, 904) jedoch im sog. Autohaus-Fall einen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO a. F. verneint. In seiner aktuellen Entscheidung vom 17.11.20 hat sich der BFH nun erneut mit Fragen des Gestaltungsmissbrauchs bei solchen Verschmelzungen „nach neuem Rechtt“ befasst, ‒ vor dem Hintergrund der Änderung des § 42 AO durch das Jahressteuergesetz 2008 (BGBl I 07, 3510).
Dem Urteil lag eine im Bankenbereich verbreitete Transaktionsstruktur zugrunde, bei der die Anteile an einer Gesellschaft mit hohen laufenden Gewinnen aus der Realisation stiller Reserven an eine Verlust-Gesellschaft veräußert wurden und anschließend die veräußerte Gewinn-Gesellschaft mit steuerlicher Rückwirkung auf die Erwerbergesellschaft verschmolzen wurde. Vor Einführung der Ausgleichs- und Verlustverrechnungssperre in § 2 Abs. 4 S. 3 ff. UmwStG im Jahre 2013 konnten nämlich die im steuerlichen Rückwirkungszeitraum erwirtschafteten Gewinne der Gewinn-Gesellschaft mit den steuerlich ungenutzten Verlusten der Verlust-Gesellschaft verrechnet werden.
Im aktuellen Streitfall ist das Finanzamt von einem Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO ausgegangen. Dem ist das FG Hessen (29.11.17, 4 K 127/15, DB 18, 862) allerdings nicht gefolgt, weil § 12 Abs. 3 Hs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG und § 8c KStG als einzelsteuergesetzliche Missbrauchsverhinderungsregelungen die Anwendung von § 42 AO selbst dann ausschließen würden, wenn diese Regelungen tatbestandlich nicht erfüllt sind. Der BFH hat diese Entscheidung zwar im Ergebnis bestätigt ‒ jedoch mit anderer Begründung. Zu diesem Konkurrenzverhältnis hat sich der BFH nun wie folgt geäußert:
- Die allgemeine Missbrauchsvorschrift des § 42 AO kommt nicht zur Anwendung, wenn der Tatbestand einer speziellen Missbrauchsregelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt ist, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient (§ 42 Abs. 1 S. 2 AO). Die Rechtsfolgen bestimmen sich dann nach jener Vorschrift. Eine „automatische“ Abschirmwirkung einer einzelgesetzlichen Regelung ‒ wovon das FG Hessen ausgegangen ist ‒ besteht aber nicht, denn nach § 42 Abs. 1 S. 3 AO entsteht „anderenfalls“ der Steueranspruch nach § 42 Abs. 2 AO so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstehen würde.
- Nur dann, wenn eine einzelgesetzliche Missbrauchsregelung tatbestandlich nicht greift oder eine solche Regelung fehlt, liegt unter Rückgriff auf § 42 Abs. 2 AO ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Verhältnis zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt und der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung keine außersteuerlichen Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.
Der BFH hat im Streitfall auf die Wertungen des Gesetzgebers abgestellt und einen Gestaltungsmissbrauch verneint, weil keine unangemessene Gestaltung i. S. d. § 42 Abs. 2 AO vorliege. Die auf § 2 Abs. 1 UmwStG beruhende Berücksichtigung des im Rückwirkungszeitraum der Gewinn-Gesellschaft erzielten Einkommens bei der übernehmenden Verlust-Gesellschaft sei danach nicht rechtsmissbräuchlich. Denn nach Ansicht des BFH handelt es sich weder bei § 12 Abs. 3 Hs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG noch bei § 8c KStG um Regelungen zur Verhinderung missbrauchsverdächtiger Mantelkaufgestaltungen. Im Übrigen waren diese Regelungen im Streitfall auch tatbestandlich nicht einschlägig, weil sie den Übergang von Verlustvorträgen einer Verlust-Gesellschaft bei der Verschmelzung auf eine Gewinn-Gesellschaft ausschließen bzw. den Erwerb von Anteilen an einer Verlust-Gesellschaft regeln, während im Streitfall Gegenstand von Anteilserwerb und Verschmelzung eine Gewinngesellschaft war.
MERKE | Auch das Vorliegen einer unangemessenen Gestaltung i. S. d. § 42 Abs. 2 AO hat der BFH verneint. Er führt dazu wörtlich aus: „Der Steuerpflichtige darf seine Verhältnisse grundsätzlich so gestalten, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen und dabei zivilrechtliche Gestaltungen, die vom Gesetz vorgesehen sind, frei verwenden.“ Im Gegensatz zu den am Markt „eingekauften“ Fremdverlusten (z. B. Mantelkaufgestaltungen) stimmen Gestaltungen zum Ausgleich eines selbst erwirtschafteten „echten“ betriebswirtschaftlichen Verlusts ‒ wie im Streitfall ‒ im Kern mit den gesetzlichen Zielsetzungen (Leistungsfähigkeitsprinzip, § 10d EStG) überein und müssen auch nicht durch weitere außersteuerliche Motive gerechtfertigt werden. |
Die Nutzbarmachung von „echten“ betriebswirtschaftlichen Verlusten im Streitfall hat der BFH nicht beanstandet. Unerheblich war auch, dass die Gewinngesellschaft wirtschaftlich inaktiv gewesen ist und ihre Gewinne bereits an den bisherigen Anteilseigner ausgeschüttet hatte. Der Streitfall war nämlich dadurch gekennzeichnet, dass die erworbene GmbH noch über eine gewisse wirtschaftliche Substanz in Form von liquiden Mitteln bzw. Forderungen verfügte. Der Erwerb eines Verlustmantels stellt als Erwerb einer potenziellen Quelle positiver Einkünfte einen vom Steuergesetz grundsätzlich akzeptierten Vorgang der Einkünfteerzielung dar. Die Schwelle zur Unangemessenheit und damit zum Rechtsmissbrauch war daher noch nicht überschritten. Auch die anderen gegen die steuerliche Anerkennung der Verschmelzung vorgebrachten Argumente des Finanzamts, wie z. B. der fehlende wirtschaftliche Grund für die gewählte Vorgehensweise, der Erwerb einer inaktiven Gesellschaft, von einem Dritten erworbene positive Einkünfte sowie die Umgehung der Liquidationsbesteuerung der Gewinngesellschaft gem. § 11 KStG hat der BFH nicht gelten lassen.
4. Verlustausgleichsbeschränkung nach § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG
Die Besonderheit im Streitfall lag darin, dass die erworbene Gewinngesellschaft ihre positiven Einkünfte im steuerlichen Rückwirkungszeitraum erzielt hatte, die dann nach der Verschmelzung auf die Verlust-Gesellschaft von dieser im Wege der Verlustverrechnung genutzt werden konnten. Mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.6.13 (BGBl I 13, 1809) hat der Gesetzgeber genau für diesen Fall mit § 2 Abs. 4 S. 3 ff. UmwStG eine Verlustausgleichsbeschränkung für den übernehmenden Rechtsträger geschaffen, um eine sog. „Monetarisierung“ von Verlusten durch die Verlustverrechnung mit den Gewinnen im Rückwirkungszeitraum zu verhindern.
MERKE | Nach § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG ist z. B. bei einer Verschmelzung im Rückwirkungszeitraum gem. § 2 Abs. 1 UmwStG der Ausgleich oder die Verrechnung von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers mit verrechenbaren Verlusten, verbleibenden Verlustvorträgen, nicht ausgeglichenen negativen Einkünften und einem Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 S. 5 EStG des übernehmenden Rechtsträgers nicht zulässig. |
Zur Regelung des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG liegt inzwischen mit dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 22.10.20 (10 K 10192/19, BB 21, 1966, mit Anm. von Abele) ‒ soweit ersichtlich ‒ die erste finanzgerichtliche Entscheidung vor, die auch zu einigen Zweifelsfragen der Vorschrift Stellung nimmt. Danach findet die Regelung nicht nur in Missbrauchsfällen Anwendung, sondern auch dann, wenn eine derartige Gestaltung nicht vorliegt. Die vorstehende Entscheidung ist zu einem Einbringungsfall in eine neu gegründete GmbH ergangen, auf den nach § 20 Abs. 6 S. 4 UmwStG die Regelung des § 2 Abs. 4 UmwStG entsprechend Anwendung findet. Nach Ansicht des FG Berlin-Brandenburg bestehen gegen die Vorschrift auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Verlustausgleichsbeschränkung nicht zu einem endgültigen Wegfall der Verlustnutzung, sondern nur zu einer temporären Verlagerung in die nachfolgenden Perioden führt.
Des Weiteren hat das FG Berlin-Brandenburg sich in zwei Punkten der herrschenden Literaturmeinung angeschlossen und ‒ entgegen der Verwaltungsauffassung ‒ entschieden, dass
- bei einem Verlust in der Folgeperiode ein Verlustrücktrag in das Jahr der Umwandlung bzw. Einbringung vorgenommen werden kann (so z. B. Frotscher in: Frotscher/Drüen, § 2 UmwStG, Rz. 171; Klingberg in: Blümich, § 2 UmwStG, Rz. 55) und
- die Regelung des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG nach ihrem Wortlaut nur für Zwecke der Einkommen- oder Körperschaftsteuer, nicht jedoch auch bei der Gewerbesteuer Anwendung findet (vgl. nur Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, § 2 UmwStG, Rz. 164, m. w. N.; a. A. dagegen Dötsch in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 2 UmwStG, Rz. 95).
Generell erfordert die Regelung in § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG, dass die positiven Einkünfte des übertragenden Rechtsträgers für den Rückwirkungszeitraum ermittelt werden müssen. Der Rückwirkungszeitraum beginnt mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags und endet mit Ablauf des Tages der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister. Somit ist auf den Tag der Handelsregistereintragung der Verschmelzung ein Zwischenabschluss aufzustellen; ggf. ist das Ergebnis des Rückwirkungszeitraums zu schätzen. Bezogen auf den obigen Beispielsfall ergibt sich bei Anwendung des § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG somit:
- Die Verluste bzw. Verlustvorträge bei der V-GmbH gehen nicht unter, sondern stehen zur Verrechnung mit etwaigen positiven Einkünften zur Verfügung, welche die V-GmbH in den folgenden Wirtschaftsjahren (z. B. aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern aus dem von der G-GmbH übernommenen Vermögen) erwirtschaftet.
- Nach Ansicht des FG Berlin-Brandenburg stehen dagegen positive Einkünfte, die von der V-GmbH nach der Handelsregistereintragung im verbleibenden Rest des Wirtschaftsjahres erzielt werden, nach § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG nicht zum Verlustausgleich zur Verfügung. Diese positiven Einkünfte können aber ab dem folgenden Wirtschaftsjahr mit Verlusten oder Verlustvorträgen der V-GmbH verrechnet werden.
Schließlich sieht § 2 Abs. 4 S. 6 UmwStG eine Konzernausnahme vor. Danach ist die Verlustausgleichsbeschränkung nicht anwendbar, wenn der übertragende Rechtsträger und der übernehmende Rechtsträger vor Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags verbundene Unternehmen i. S. d. § 271 Abs. 2 HGB sind.
Beachten Sie | Entgegen dem Gesetzeswortlaut greift die Konzernausnahme nach überwiegender Auffassung im Schrifttum nur dann, wenn der übertragende und der übernehmende Rechtsträger am steuerlichen Übertragungsstichtag verbundene Unternehmen sind bzw. waren (vgl. nur Dötsch/Werner in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 2 UmwStG, Rz. 128). Die Konzernklausel kann somit z. B. bei der Abwärts-Verschmelzung einer Mutter-GmbH auf die Tochter-GmbH sowie bei der Seitwärts-Verschmelzung von Schwestergesellschaften zur Anwendung kommen.
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Im Gegensatz zum obigen Beispiel 1 hält die M-GmbH, an der X zu 80 % und Y zu 20 % beteiligt sind, jeweils 100 % der Anteile an der V-GmbH (Verlust-GmbH) und der G-GmbH (Gewinn-GmbH). Die V-GmbH, deren Betriebsvermögen keine stillen Reserven enthält, verfügt über körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge, während sowohl die M-GmbH als auch die G-GmbH jeweils steuerpflichtige Gewinne erzielt. |

Die Gesellschafter überlegen, die Verlustvorträge der V-GmbH durch eine Verschmelzung entweder mit der M-GmbH oder mit der G-GmbH zu nutzen.
Lösung: Ist die M-GmbH bereits am steuerlichen Übertragungsstichtag an der G-GmbH und der V-GmbH beteiligt, sind alle Gesellschaften verbundene Unternehmen i. S. d. § 271 Abs. 2 HGB, sodass wegen der Konzernausnahme sowohl bei einer Abwärts-Verschmelzung der M-GmbH auf die V-GmbH als auch bei der Seitwärtsverschmelzung der G-GmbH auf die V-GmbH die Verlustausgleichsbeschränkung nach § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG nicht greift. Die von der M-GmbH oder von der G-GmbH erzielten Gewinne können daher mit den steuerlichen Verlusten bzw. Verlustvorträgen der V-GmbH verrechnet werden.
Hat die M-GmbH die Anteile an der V-GmbH dagegen erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag erworben, kommt sowohl bei der Abwärtsverschmelzung der M-GmbH auf die V-GmbH als auch bei der Seitwärtsverschmelzung der G-GmbH auf die V-GmbH die Verlustausgleichsbeschränkung nach § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG zur Anwendung. Die im Rückwirkungszeitraum erzielten Einkünfte der übertragenden M-GmbH bzw. der G-GmbH können nicht mit den körperschaftsteuerlichen Verlusten bzw. Verlustvorträgen der V-GmbH verrechnet werden. Bejaht man eine Anwendung von § 2 Abs. 4 UmwStG auch für Zwecke der Gewerbesteuer, so ist auch die Nutzung der gewerbesteuerlichen Fehlbeträge nicht möglich.
PRAXISTIPP | Mit dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz vom 2.6.21 (BGBl I 21, 1259) wurde zur Verhinderung bekannt gewordener Steuergestaltungen bei der Übertragung von bestimmten Wirtschaftsgütern mit stillen Lasten im Rückwirkungszeitraum zwischenzeitlich mit § 2 Abs. 5 UmwStG ein weiteres Verlustausgleichs- und -verrechnungsverbot eingefügt. Danach ist ‒ unbeschadet anderer Vorschriften ‒ der Ausgleich oder die sonstige Verrechnung negativer Einkünfte des übernehmenden Rechtsträgers, die von diesem im Rückwirkungszeitraum erzielt werden, auch insoweit nicht zulässig, als die negativen Einkünfte auf der Veräußerung oder der Bewertung von Finanzinstrumenten oder Anteilen an einer Körperschaft beruhen. |
Nach § 27 Abs. 16 S. 1 UmwStG ist die Neuregelung erstmals auf Umwandlungen und Einbringungen anzuwenden, bei denen die Registeranmeldung bzw. bei Einbringungen der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach dem 20.11.20 erfolgt ist. Abweichend davon ist nach § 27 Abs. 16 S. 2 UmwStG die Regelung in § 2 Abs. 5 UmwStG auch in anderen offenen Fällen anzuwenden, in denen die äußeren Umstände darauf schließen lassen, dass die Verrechnung übergehender stiller Lasten wesentlicher Zweck der Umwandlung oder Einbringung war und der Steuerpflichtige dies nicht widerlegen kann. |
5. Anwendung von § 8c KStG
Neben der möglichen Anwendung von § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG sind bei der Verschmelzung einer Gewinn-GmbH mit einer Verlust-GmbH weitere Restriktionen zu beachten. So kann z. B. eine Verschmelzung zu einer schädlichen Anteilsverschiebung von mehr als 50 % i. S. d. § 8c KStG bzw. zu einer schädlichen Verkürzung der Beteiligungskette führen, sofern nicht ggf. die Konzernausnahme nach § 8c Abs. 1 S. 4 KStG, die Stille-Reserven-Klausel nach § 8c Abs. 1 S. 5 ff. KStG oder die Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG einen Verlustuntergang verhindert.
5.1 Abwärts-Verschmelzung
Bei der Abwärts-Verschmelzung überträgt die M-GmbH ihr Vermögen als Ganzes auf die V-GmbH mit der Folge, dass X und Y als Gesellschafter der M-GmbH unmittelbar Gesellschafter der V-GmbH werden. Gleichzeitig gehen auch die Anteile an der G-GmbH auf die V-GmbH über, sodass sich die Situation nach der Verschmelzung wie folgt darstellt:

Die Abwärtsverschmelzung kann steuerneutral vollzogen werden, wenn der übertragende Rechtsträger in der steuerlichen Schlussbilanz die Buchwerte ansetzt. Voraussetzung dafür ist aber gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG, dass sichergestellt ist, dass die stillen Reserven später bei der übernehmenden Gesellschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegen.
Bei einer Abwärtsverschmelzung gehören die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft (hier: die V-GmbH) nach dem BFH-Urteil vom 30.5.18 (I R 31/16, BStBl II 19, 136) zu den übergehenden Wirtschaftsgütern und gehen ohne Durchgangserwerb an die Gesellschafter der M-GmbH. Im Schrifttum ist umstritten, ob beim Übergang auf natürliche Personen (hier: X und Y) die Besteuerung mit Körperschaftsteuer sichergestellt ist (vgl. nur Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, § 11 UmwStG, Rz. 101). Nach anderer Ansicht soll eine konkrete Körperschaftsbesteuerung nicht erforderlich sein und eine künftige Besteuerung mit Einkommensteuer ausreichen (vgl. z. B. Edelmann in: Kraft/Edelmann/Bron, UmwStG, § 11 Rz. 250).
Fraglich ist, ob in diesem Fall die Billigkeitsregelung zur Organschaft gem. Rn. 11.08 UmwSt-Erlass entsprechend Anwendung findet. Danach ist die Besteuerung mit Körperschaftsteuer auch dann sichergestellt und eine Buchwertfortführung möglich, wenn bei der Verschmelzung auf eine Körperschaft als Organgesellschaft das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Besteuerung mit Einkommensteuer unterliegt und sich alle an der Verschmelzung Beteiligten übereinstimmend schriftlich damit einverstanden erklären, dass auf die aus der Verschmelzung resultierenden Mehrabführungen § 14 Abs. 3 S. 1 KStG anzuwenden ist.
Beachten Sie | Die Abwärts-Verschmelzung wird grundsätzlich auch von § 8c Abs. 1 KStG erfasst, weil nach dem BMF-Schreiben vom 28.11.17 (IV C 2 - S 2745-a/09/10002 :004, BStBl I 17, 1645, Rn. 7 und Rn. 43) eine schädliche Anteilsverschiebung durch Verkürzung der Beteiligungskette im Umfang von mehr als 50 % eintritt. Das FG Berlin-Brandenburg (18.10.11, 8 K 8311/10, Rev. BFH: I R 5/19) hatte zwar den zu weit geratenen Wortlaut des § 8c KStG teleologisch reduziert und ‒ entgegen der Verwaltungsansicht ‒ entschieden, dass weder die Verkürzung noch die Verlängerung der Beteiligungskette einen schädlichen Erwerbsvorgang darstellt und somit der steuerliche Verlustvortrag nicht untergeht. Abzuwarten bleibt aber der Ausgang der Revision beim BFH.
Zu prüfen ist, ob ein Verlustuntergang nach § 8c Abs. 1 KStG im vorliegenden Fall durch die vorhandenen Ausnahmeregelungen in Form der Konzernklausel gem. § 8c Abs. 1 S. 4 KStG, der Stille-Reserven-Klausel gem. § 8c Abs. 1 S. 5 ff. KStG oder der Sanierungsklausel nach § 8c Abs. 1a KStG verhindert werden kann.
5.2 Anwendung von Ausnahmeregelungen
Bei der Abwärts-Verschmelzung kommt die Konzernklausel gem. § 8c Abs. 1 S. 4 KStG oder die Stille-Reserven-Klausel gem. § 8c Abs. 1 S. 5 ff. KStG nicht zur Anwendung. Die Konzernklausel greift nämlich nur dann, wenn an der M-GmbH entweder eine natürliche Person oder eine Kapitalgesellschaft zu 100 % beteiligt wäre (vgl. BMF 28.11.17, IV C 2 - S 2745 - a/09/10002 :004, BStBl I 17, 1645, Rn. 39 ff.). Dies ist im Beispiel 2 nicht der Fall, weil beim Gesellschafter X ein schädlicher Anteilseignerwechsel von mehr als 50 % nach § 8c KStG eintritt (vgl. Leibner/Dötsch in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 8c KStG, Rz. 231). Aus demselben Grund hilft die Konzernklausel auch bei der Seitwärtsverschmelzung im obigen Ausgangsfall nicht weiter.
Eine Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen i. S. d. § 8c Abs. 1 S. 2 KStG wird von der Konzernklausel nicht begünstigt (vgl. Leibner/Dötsch in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 8c KStG, Rz. 218). Die Konzernklausel wäre jedoch anwendbar, wenn im Beispiel 2 an der M-GmbH entweder eine natürliche Person oder eine Kapitalgesellschaft zu 100 % beteiligt wäre.
Auch die Stille-Reserven-Klausel kommt mangels stiller Reserven weder im Ausgangsfall noch im Beispiel 2 zur Anwendung.
Ein Verlustuntergang kann ggf. durch die Sanierungsklausel gem. § 8c Abs. 1a KStG verhindert werden. Dies setzt einen Beteiligungserwerb (hierzu gehört auch die Verschmelzung) zum Zwecke der Sanierung des Geschäftsbetriebs der V-GmbH voraus, wenn im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs eine Sanierungsbedürftigkeit nachweislich vorhanden ist und die V-GmbH ihren Geschäftsbetrieb im Wesentlichen noch nicht eingestellt hat. Eine Sanierung ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten (zur Sanierungsklausel vgl. die nicht bundeseinheitlich abgestimmte Verfügung der OFD NRW v. 20.12.18, S 2745 a - 2015/0011 - St 135, DB 19, 26). Die Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen setzt dabei nach § 8c Abs. 1a S. 3 KStG alternativ voraus, dass
- 1. die Körperschaft eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung befolgt oder
- 2. die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen der Körperschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb 400 % der Ausgangslohnsumme beträgt (wobei § 13a Abs. 1 S. 3 und 4 ErbStG i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.08 sinngemäß gilt) oder
- 3. eine wesentliche Betriebsvermögenszuführung durch Einlagen des Anteilseigners innerhalb von zwölf Monaten nach dem Beteiligungserwerb erfolgt und die Einlagen in der Summe mindestens 25 % des Aktivvermögens betragen.
Maßgebend für eine wesentliche Betriebsvermögenszuführung sind die Steuerbilanzwerte des Aktivvermögens des dem schädlichen Anteilserwerb vorangegangenen Bilanzstichtags. Bei einem unter 100 % liegenden Anteilserwerb ist die 25 %-Grenze gem. § 8c Abs. 1a S. 3 Nr. 3 S. 3 KStG anteilig zu reduzieren. Begünstigte Einlagen können sich auch auf die Passivseite der Bilanz beziehen, sodass nach § 8c Abs. 1a S. 4 KStG auch der Erlass von werthaltigen Verbindlichkeiten eine Zuführung von Betriebsvermögen darstellt. Darüber hinaus nimmt die o. a. Verfügung der OFD NRW vom 20.12.18 (dort Rn. 21 und 22) eine Einlage auch an, soweit im Zuge einer Verschmelzung oder einer Auf- bzw. Abspaltung gem. §§ 11‒15 UmwStG Vermögen auf eine Verlustkörperschaft übergeht und sich hierdurch das steuerliche Eigenkapital der übernehmenden Körperschaft erhöht.
Beachten Sie | Die Sanierungsklausel findet nach § 8c Abs. 1a S. 4 KStG keine Anwendung, wenn die Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs im Wesentlichen eingestellt hat oder nach dem Beteiligungserwerb innerhalb von fünf Jahren ein Branchenwechsel erfolgt. Sind indes sämtliche Voraussetzungen der Sanierungsklausel erfüllt, ist der schädliche Erwerb nach § 8c Abs. 1 KStG unbeachtlich und die Verlustvorträge der V-GmbH können ‒ vorbehaltlich § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG ‒ nach der Verschmelzung genutzt werden.
Vor dem Hintergrund des Vorlagebeschlusses des FG Hamburg vom 29.8.17 zur Verfassungsmäßigkeit des § 8c KStG in der aktuellen Fassung (vgl. FG Hamburg v. 29.8.17, 2 K 245/17, Az. BVerfG: 2 BvL 19/17) ist es empfehlenswert, Bescheide bis zur Entscheidung des BVerfG offenzuhalten, wenn diese einen Verlustuntergang nach § 8c Abs. 1 KStG enthalten.
5.3 Fortführungsgebundener Verlustvortrag nach § 8d KStG
Der durch § 8c KStG bedingte Untergang kann auch durch einen Antrag auf Feststellung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d KStG verhindert werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Verlust-GmbH seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem schädlichen Beteiligungserwerb nach § 8c KStG vorausgeht, ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält und in diesem Zeitraum bis zum Schluss des Veranlagungszeitraums des schädlichen Beteiligungserwerbs kein Ereignis i. S. d. § 8d Abs. 2 KStG stattgefunden hat (vgl. BMF 18.3.21, IV C 2 - S 2745-b/19/10002 :002, BStBl I 21, 363).
Nach § 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 6 KStG liegt ein schädliches Ereignis dann vor, wenn auf die Verlust-GmbH Wirtschaftsgüter übertragen werden, die sie zu einem geringeren als dem gemeinen Wert ansetzt. Obwohl das Gesetz nur die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter anspricht, wird nach der Verwaltungsansicht auch die Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils im Rahmen einer Verschmelzung, Spaltung oder Einbringung erfasst. Selbst wenn bei der Verschmelzung die gemeinen Werte angesetzt werden sollten, scheidet die Anwendung des § 8d KStG bei der Verlust-GmbH aus, weil diese nach der Verschmelzung mit dem übernommenen Betrieb der Gewinn-GmbH einen zusätzlichen Geschäftsbetrieb aufnimmt (§ 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 3 KStG) oder zumindest nicht mehr denselben Geschäftsbetrieb wie vor der Verschmelzung unterhält (§ 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KStG).
6. Seitwärts-Verschmelzung der G-GmbH mit der V-GmbH
Bei der Seitwärts-Verschmelzung der G-GmbH auf die V-GmbH bleiben die steuerlichen Verlustvorträge beim übernehmenden Rechtsträger (V-GmbH) grundsätzlich erhalten. Damit können die Verlustvorträge der V-GmbH durch die ertragreichen Aktivitäten der G-GmbH künftig genutzt werden. Jedoch kann auch bei der Seitwärts-Verschmelzung die Vorschrift des § 8c KStG zur Anwendung kommen, wenn hierdurch ein schädlicher Beteiligungserwerb durch Anteilsverschiebung herbeigeführt wird. Eine solche schädliche Anteilsverschiebung kann bei der Verschmelzung von zwei Schwestergesellschaften mit jeweils beteiligungsidentischen Gesellschaftern oder einem jeweils zu 100 % beteiligten Gesellschafter (wie in den Beispielen 1 und 2) regelmäßig nicht eintreten.
Eine schädliche Anteilsverschiebung i. S. von § 8c KStG kann sich aber auch bei der Seitwärts-Verschmelzung ergeben, wenn bei Schwesterkapitalgesellschaften Gesellschafter mit unterschiedlichen Beteiligungsquoten beteiligt sind. Führt in einem solchen Fall die übernehmende V-GmbH im Rahmen der Verschmelzung eine Kapitalerhöhung durch, um die Beteiligungsverhältnisse unter Berücksichtigung des jeweiligen Wertes der verschmolzenen Gesellschaften richtig darzustellen, kann hierdurch unter Umständen eine schädliche Anteilsverschiebung von mehr als 50 % eintreten. Der Verlustuntergang kann auch in einem solchen Fall ggf. durch die Anwendung der Konzernklausel, der Stille-Reserven-Klausel, der Sanierungsklausel oder durch einen Antrag nach § 8d KStG verhindert werden.
7. Sonstige Möglichkeiten der Verlustnutzung
Anstelle einer Verschmelzung können Verluste generell auch genutzt werden, indem künftige Ertragspotenziale auf eine Verlust-Kapitalgesellschaft verlagert werden. Auch hierin liegt nach Auffassung des BFH kein Missbrauch, der eine Anwendung des § 42 AO rechtfertigt (vgl. BFH 7.8.02, I R 64/01, BFH/NV 03, 205). Bei der Übertragung steuerverstrickter Wirtschaftsgüter mit stillen Reserven bzw. von Einkunftsquellen lässt sich eine Gewinnrealisierung beim Übertragenden vermeiden, wenn die Übertragung nach Maßgabe des UmwStG steuerneutral erfolgt. Wird z. B. ein Betrieb oder ein Teilbetrieb nach § 20 UmwStG unter Fortführung der Buchwerte in die Verlust-GmbH eingebracht, können deren Verlustvorträge ‒ vorbehaltlich § 2 Abs. 4 S. 3 i. V. m. § 20 Abs. 6 S. 4 UmwStG ‒ mit künftigen Gewinnen aus dem eingebrachten Betrieb oder Teilbetrieb verrechnet werden.
Hat die Verlust-Kapitalgesellschaft nach einem schädlichen Anteilseignerwechsel i. S. d. § 8c KStG einen fortführungsgebundenen Verlustvortrag nach § 8d KStG beantragt, so geht dieser nach § 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 6 KStG unter, wenn in die Verlustgesellschaft Wirtschaftsgüter (auch ein Betrieb oder Teilbetrieb) unter Ansatz von Buch- oder Zwischenwerten eingebracht werden.
Bei der Einbringung von gewinnträchtigen Beteiligungen in die Verlust-Kapitalgesellschaft sind darüber hinaus die folgenden Aspekte zu beachten:
- Nach der Einbringung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft gem. § 20 UmwStG können künftige Gewinne bei der Verlust-Kapitalgesellschaft nur für Zwecke der Körperschaftsteuer berücksichtigt werden. Gewerbesteuerlich scheidet eine Verlustnutzung nach § 9 Nr. 2 GewStG aus.
- Nach der Einbringung einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung im Wege des qualifizierten Anteilstauschs nach § 21 UmwStG oder nach einer Abwärts-Verschmelzung auf die Verlust-Kapitalgesellschaft sind künftige Gewinnausschüttungen an die Verlustgesellschaft bei dieser grundsätzlich nach § 8b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 KStG zu 95 % steuerfrei und werden auch ‒ bei einer Mindestbeteiligung von 15 % zu Beginn des Erhebungszeitraums ‒ nach § 9 Nr. 2a oder Nr. 7 GewStG gewerbesteuerlich gekürzt. Eine vollständige Verrechnung mit Verlusten bzw. Verlustvorträgen lässt sich nur erreichen, wenn eine Streubesitzbeteiligung i. S. d. § 8b Abs. 4 KStG vorliegt, weil dann die erhaltenen Dividenden in vollem Umfang steuerpflichtig sind. Eine solche Streubesitzbeteiligung liegt vor, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals beträgt und auch kein unterjähriger Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % i. S. von § 8b Abs. 4 S. 6 KStG vorliegt. Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend, wenn Anteile an einer Gewinn-GmbH an die Verlust-GmbH veräußert werden.
- Beispiel 3
Die M-GmbH ist zu 100 % an der ertragsstarken G-GmbH und zu 100 % an der verlustträchtigen V-GmbH beteiligt. Die M-GmbH veräußert 9,9 % der Anteile an der G-GmbH an die V-GmbH.
Lösung: Die Veräußerung der Anteile an der G-GmbH ist bei der M-GmbH nach § 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG zu 95 % steuerfrei. Anschließend hält die V-GmbH eine Streubesitzbeteiligung, sodass künftig bei dieser nach § 8b Abs. 4 KStG steuerpflichtige Gewinnausschüttungen vorliegen, die mit Verlusten bzw. Verlustvorträgen verrechnet werden können. Zugleich können auch die gewerbesteuerlichen Verluste bzw. Verlustvorträge genutzt werden, weil die von der V-GmbH erworbenen Anteile auch unterhalb der maßgeblichen Schwelle des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs gem. § 9 Nr. 2a GewStG von 15 % liegen.
- Nach der Übertragung einer für die finanzielle Eingliederung erforderlichen Mehrheitsbeteiligung an einer Gewinn- auf die Verlust-Kapitalgesellschaft können künftige positive Einkünfte der Gewinn-Kapitalgesellschaft auch mittels einer Organschaft i. S. d. § 17 i. V. m. §§ 14 bis 16 KStG genutzt werden. Künftige Gewinnabführungen der Gewinn-Organgesellschaft können dann bei der Verlustgesellschaft (Organträgerin) sowohl mit neu entstehenden als auch mit deren vororganschaftlichen Verlusten verrechnet werden. Dagegen werden vororganschaftliche Verluste bei der Organgesellschaft nach § 15 S. 1 Nr. 1 KStG während der Dauer der Organschaft eingefroren.
FAZIT | Eine Verlust-GmbH kann bei richtiger Wahl der Verschmelzungsrichtung ihre steuerlichen Verlustvorträge grundsätzlich durch Verschmelzung mit einer Gewinn-GmbH nutzen. Sowohl die Seitwärts-Verschmelzung als auch die Abwärtsverschmelzung einer Gewinn-GmbH auf eine Verlust-GmbH ist grundsätzlich als Instrument zur Nutzung von echten betriebswirtschaftlichen Verlusten geeignet.
Nach dem aktuellen BFH-Urteil vom 17.11.20 stellt eine solche Verschmelzung auch keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO dar. Der BFH hat klargestellt, dass vorrangig zu prüfen ist, ob einzelsteuergesetzliche Missbrauchsverhinderungsvorschriften greifen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, ist ein Missbrauch i. S. d. § 42 Abs. 2 AO zu prüfen. Auf die vom BFH im Urteil vom 17.11.20 entschiedene Fallgestaltung hat der Gesetzgeber bereits im Jahre 2013 mit § 2 Abs. 4 S. 3 ff. UmwStG reagiert und eine Verlustausgleichsbeschränkung eingeführt. Dennoch bleibt die Verschmelzung einer Gewinn-GmbH auf eine Verlust-GmbH eine interessante Gestaltungsmöglichkeit, um echte betriebswirtschaftliche Verluste einer GmbH zu nutzen. In bestimmten Fällen kann jedoch ein Verlustuntergang nach § 8c KStG drohen, sofern nicht die inzwischen in § 8c KStG vorgesehenen Ausnahmeregelungen genutzt werden können oder ein Antrag nach § 8d KStG gestellt wird. |