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· Fachbeitrag · Urlaub

Die Abgeltung von Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

von Rechtsanwältin Dr. Viktoria Winstel, Osborne Clarke, Köln

| Kann ein Arbeitnehmer ihm zustehende Urlaubstage wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr nehmen, so muss der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch abgelten. So bestimmt es § 7 Abs. 4 BUrlG. Klingt einfach. Doch die Tücken stecken im Detail. |

Voraussetzung für die Abgeltung des Urlaubsanspruchs

Damit ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht, muss das Arbeitsverhältnis beendet worden sein. Die Gründe für die Beendigung spielen keine Rolle. Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung besteht selbst dann, wenn der Arbeitnehmer einen Grund für eine (außer-)ordentliche Kündigung setzt. Auch wenn das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers endet, entsteht der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Dieser geht dann auf die Erben über (EuGH, Urteil vom 12.06.2014, Rs. C-118/13 ‒ Bollacke, Abruf-Nr. 141844).

 

Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses darf der Urlaubsanspruch noch nicht oder zumindest nicht vollständig erfüllt worden sein.

 

  • Beispiel

Ein Arbeitgeber schließt Mitte November 2018 mit einem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag. Das Arbeitsverhältnis endet zum 31.12.2018. Bis dahin soll der Arbeitnehmer noch arbeiten. Der Arbeitnehmer hat Mitte November 2018 noch 10 Tage Urlaub.

 

Der Arbeitgeber muss die 10 Tage Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelten.

 

Umfang und Höhe der Urlaubsabgeltung

Liegen die obigen Voraussetzungen vor, so ist der gesamte Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers abzugelten. Die Abgeltung bezieht sich nicht nur auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch (§§ 1, 3 BUrlG), sondern z. B. auch auf individual- oder tarifvertragliche Urlaubsansprüche, soweit die Parteien nichts Anderweitiges geregelt haben.

 

Nach § 11 BUrlG bemisst sich das Urlaubsentgelt und damit auch die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs danach, was der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen durchschnittlich pro Tag verdient hat. Beim Gesamtverdienst berücksichtigt wird insbesondere das Arbeitsentgelt, der Akkordlohn, Sachbezüge für Verpflegung, Schmutz-, Gefahren-, Nacht-, Auslandszulagen, Zulagen für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft, Provisionen, die nicht für das gesamte Jahr gezahlt werden.

 

  • Beispiel

Ein Arbeitgeber hat einem Arbeitnehmer zum 30.09.2018 gekündigt. Der Arbeitnehmer hat noch einen Urlaubsanspruch von 6 Tagen. Seine regelmäßige Arbeitszeit beträgt 5 Tage pro Woche. Sein Grundlohn beträgt 600 Euro pro Woche. Seine Schichtzulagen sind variabel und schwanken daher wöchentlich. Im Schnitt betragen sie 100 Euro pro Woche. Der Urlaubsabgeltungsanspruch berechnet sich wie folgt:

 

Berechnung des Gesamtarbeitsentgelts im 13-Wochen-Zeitraum

Summe

Grundlohn

13 x 600 Euro

7.800 Euro

Zulagen

13 x 100 Euro

1.300 Euro

Gesamt

9.100 Euro

 

Berechnung des Abgeltungsanspruchs für 6 Urlaubstage

9.100 Euro x 6 Tage : (13 x 5 Tage)

=

840,00 Euro

 

Der Arbeitgeber muss 840,00 Euro als Urlaubsabgeltung zahlen.

 

Erhielt der Arbeitnehmer innerhalb des 13-Wochen-Zeitraums eine Lohnerhöhung, so ist der höhere Verdienst zugrunde zu legen (§ 11 Abs. 1 S. 2 BUrlG). Verdienstkürzungen infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis werden jedoch nicht berücksichtigt (§ 11 Abs. 1 S. 3 BUrlG).

Fälligkeit, Verfall und Ausschlussfristen

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung wird zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort fällig (§ 271 BGB). In der Praxis zahlt der Arbeitgeber den Betrag mit dem letzten Gehalt aus.

 

Verfall und die Ausnahmen

§ 7 Abs. 3 BUrlG sieht vor, dass der Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden muss und allenfalls auf die ersten 3 Monate des folgenden Kalenderjahrs übertragen werden kann. Sonst verfällt er. Allerdings darf laut EuGH der Urlaubsanspruch erst nach 15 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahrs verfallen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahrs und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist (EuGH, Urteil 20.01.2009, Rs. C-350/06 ‒ Schultz-Hoff, Abruf-Nr. 090312). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Urlaub bei wieder eintretender Arbeitsfähigkeit innerhalb der genannten Frist von 15 Monaten zu gewähren.

 

Wichtig | Für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses heißt das: Der Arbeitgeber muss den Urlaub abgelten, wenn der Arbeitnehmer bei Ende des Arbeitsverhältnisses noch arbeitsunfähig ist. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer angewiesen hat, bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu arbeiten, statt ihm den Urlaub zu gewähren. Auch dann kann er den Urlaub aus von ihm nicht beeinflussbaren Gründen nicht nehmen.

 

Arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen

Arbeits- oder Tarifverträge können Ausschlussfristen vorsehen, die den Arbeitnehmer nach einer gewissen Zeit hindern, den Urlaubsabgeltungsanspruch geltend zu machen. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krank ist und den Urlaub nicht nehmen kann.

 

  • Beispiel

Eine Arbeitnehmerin ist von Oktober 2017 bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2018 arbeitsunfähig erkrankt. Erst im Dezember 2018 verlangt sie von ihrem ehemaligen Arbeitgeber schriftlich die Urlaubsabgeltung für 2017 sowie für 2018. Die tarifvertragliche Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beträgt 6 Monate.

 

Die Arbeitnehmerin kann im Dezember 2018 keine Urlaubsabgeltung mehr verlangen. Ihr Anspruch war am 31.03.2018 sofort fällig. Die tarifvertragliche Ausschlussfrist von 6 Monaten ist im Dezember 2018 abgelaufen.

 

Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruchs

Sofern keine arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen vereinbart sind, gilt die gesetzliche Verjährungsfrist. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein reiner Geldanspruch. Er unterliegt als solcher der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§§ 195, 199 BGB). Er erlischt nicht mit Ablauf des Kalenderjahrs, wenn der Arbeitnehmer in dem Jahr keinen Urlaub beansprucht hat (BAG, Urteil vom 19.06.2012, Az. 9 AZR 652/10, Abruf-Nr. 130177).

Freistellung und Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche

In der Praxis stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder bei einem Aufhebungsvertrag häufig sofort von der Erbringung der Arbeitsleistung frei.

 

PRAXISTIPP | Soll die Freistellung unter Anrechnung etwaiger noch bestehender Urlaubsansprüche erfolgen, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unwiderruflich freistellen. Nur dann kann der Arbeitnehmer damit rechnen, dass er nicht mehr zur Arbeitsleistung zurückgerufen wird, sodass der beabsichtigte Erholungseffekt eintritt. Der Arbeitgeber kann durch eine unwiderrufliche Freistellung eine Urlaubsabgeltung verhindern, wenn die Anzahl der Tage der Freistellung die verbleibenden Urlaubstage des Arbeitnehmers übersteigt und der Arbeitnehmer innerhalb des Freistellungszeitraums nicht arbeitsunfähig erkrankt.

 
  • Beispiel

Ein Arbeitgeber kündigt einem Arbeitnehmer im September 2018 ordentlich zum 31.12.2018. Er stellt ihn sofort und unwiderruflich von der Arbeit frei, wobei er die noch bestehenden Urlaubsansprüche von 10 Urlaubstagen auf die Freistellung anrechnet. Der Arbeitnehmer reicht auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber ein, sodass dieser damit die verbleibenden Urlaubsansprüche erfüllt. Er muss also keine Urlaubsansprüche nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelten.

 
Quelle: Seite 178 | ID 45454866