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· Fachbeitrag · Vorweggenommene Erbfolge

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Erbschaftsteuer

von Steuerberater Hans Günter Christoffel, Bornheim

| Die Corona-Pandemie wirkt sich, ob wir wollen oder nicht, auch auf die Erbschaftsbesteuerung aus. Nachfolgend geht es nicht um Erbfälle, sondern um Fälle der vorweggenommenen Erbfolge. Dort stellt sich für den Berater die Frage, was er in Bezug auf das Kurzarbeitergeld bei der Lohnsummenregelung zu beachten hat, ob die Insolvenz eines von den Eltern übernommenen Unternehmens zu einer Nachversteuerung bei dem Erwerber führt und wie sich die Ertragsrückgänge steuerlich bei der Bewertung auswirken können. |

1. Auswirkungen auf die Lohnsummenregelung

Sowohl für die Ermittlung der Ausgangslohnsumme als auch für die Lohnsumme des Erwerbers kommt es auf den Begriff 0„Lohnsumme“ in § 13a Abs. 3 S. 6 ErbStG an. Danach setzt sich die Lohnsumme aus Löhnen und Gehältern einerseits sowie Bezügen und Vorteilen andererseits zusammen, die als Vergütungen im maßgebenden Wirtschaftsjahr an die auf den Lohn- und Gehaltslisten erfassten Beschäftigten gezahlt werden. Dabei sind Beschäftigte, die

  • sich in Mutterschutz oder in einem Ausbildungsverhältnis befinden,
  • Kranken- oder Elterngeld beziehen, aber auch
  • Saison- und Leiharbeiter

nicht einzubeziehen (§ 13a Abs. 3 S. 7 ErbStG).

 

MERKE | In R E 13a.5 ErbStR 2019 wird die Lohnsumme unter Bezugnahme auf die Definition in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1503/2006 der Kommission vom 28.9.06 (ABl. L 281/15) umschrieben. Die Finanzverwaltung beanstandet es nicht, wenn bei inländischen Gewerbebetrieben von dem in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Aufwand für Löhne und Gehälter ausgegangen wird. Dabei sind allerdings der Arbeitgeberanteil zu den gesetzlichen Sozialabgaben sowie tariflich vereinbarte, vertraglich festgelegte oder freiwillige Sozialbeiträge des Arbeitgebers auszunehmen.

 

Beachten Sie | Das vom Arbeitgeber von der Bundesanstalt für Arbeit ausgezahlte Kurzarbeitergeld ist von diesem Aufwand nicht abzuziehen, da hierfür das Saldierungsverbot des § 246 Abs. 2 HGB greift (R E 13a.5 S. 4 ErbStR 2019). Hierbei handelt es sich um ein Überbleibsel aus der Finanzkrise. In dieser Zeit wurde das Kurzarbeitergeld in erhöhtem Maße zur Sicherung von Arbeitsplätzen gezahlt. Dies gilt nun aktuell auch für die Corona-Krise. Dabei stellen sich zwei Fragen:

 

  • 1. Wie wirkt sich das Kurzarbeitergeld auf die Ausgangslohnsumme aus?
  • 2. Wie wirkt sich das Kurzarbeitergeld auf die Lohnsumme des Erwerbers aus?

 

Zu Frage 1: Bei der Ausgangslohnsumme handelt es sich um einen Durchschnittswert. Dieser Durchschnittswert ist stets aus den letzten fünf vor dem Besteuerungszeitpunkt endenden Wirtschaftsjahren zu berechnen (§ 13a Abs. 3 S. 2 ErbStG). Bei den Wirtschaftsjahren kommt es nicht darauf an, ob es sich um volle Wirtschaftsjahre oder um Rumpfwirtschaftsjahre handelt. Erfolgt die Übertragung eines Einzelunternehmens z. B. zum 1.5.20, und ermittelt der Einzelunternehmer seinen Gewinn für ein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr, ist für die Ausgangslohnsumme auf die Wirtschaftsjahre 2015 bis 2019 abzustellen. Diese Wirtschaftsjahre enden alle vor dem Besteuerungszeitpunkt 1.5.20.

 

Damit wirkt sich das Kurzarbeitergeld, das wegen der Corona-Krise in 2020 gezahlt wird, nicht auf die Ausgangslohnsumme aus. Nur dann, wenn die Generationennachfolge nach dem 31.12.20 erfolgt, ist auch das Wirtschaftsjahr 2020 in die Ausgangslohnsumme mit einzubeziehen. Für diesen Fall darf das Kurzarbeitergeld die in 2020 angefallene Lohnsumme nicht mindern. Dies ergibt sich m. E. bereits dadurch, dass sich das Kurzarbeitergeld nicht auf das Betriebsergebnis auswirkt. Denn die Buchungen lauten:

 

  • Bei Beantragung: sonstige Vermögensgegenstände an Verbindlichkeiten aus Lohn und Gehalt
  • Bei Auszahlung: Bank an sonstige Vermögensgegenstände

 

Das, was der Arbeitgeber den Beschäftigten über das Kurzarbeitergeld hat zukommen lassen, rechnet zur Lohnsumme und ist damit im Ausgangswert zu berücksichtigen. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass dem Arbeitgeber in Höhe des Kurzarbeitergelds sein von ihm getragener Lohnaufwand fehlt. Damit führt die Einbeziehung des Pandemie-Jahres 2020 in die Ermittlung des Durchschnittswerts für die Ausgangslohnsumme bei der Generationennachfolge ab 2021 zu einem für den Steuerpflichtigen günstigen Ergebnis.

 

Zu Frage 2: Wenn es um die Mindestlohnsumme geht, die der Erwerber innerhalb eines 5-Jahres-Zeitraums bzw. 7-Jahres-Zeitraums unter Ansatz von nach der Arbeitnehmerzahl gestaffelten Prozentsätzen der Ausgangslohnsumme gegenüberzustellen hat, tritt durch das Kurzarbeitergeld der umgekehrte Effekt ein, nämlich eine Schlechterstellung des Arbeitgebers, wenn er sich für eine Generationennachfolge in 2020 entscheidet und in diesem Wirtschaftsjahr Kurzarbeitergeld gezahlt wird.

 

  • Beispiel

Gehen wir von einer Betriebsübertragung zum 1.5.20 aus, dann beginnt der Zeitraum für die Ermittlung der Mindestlohnsumme ab dem Besteuerungszeitpunkt und endet genau fünf Jahre bzw. sieben Jahre danach. Wenn in dieser Phase z. B. in 2020 Kurzarbeitergeld gezahlt wird, fällt die vom Arbeitgeber getragene Lohnsumme in den Monaten, in denen Kurzarbeitergeld gezahlt wird, insgesamt oder teilweise aus.

 

PRAXISTIPP | Um dieses ungünstige Ergebnis zu vermeiden, sollte die Generationennachfolge so geplant werden, dass sie nach Ablauf der Kurzarbeiterzeit vorgenommen wird, sodass die vom Arbeitgeber gezahlten Löhne wieder voll in die Mindestlohnsumme einfließen. Damit könnte der 1.1.21 aus Sicht der Lohnsummenregelung ein idealer Übertragungszeitpunkt sein; das bedeutet weniger Arbeitslohn in der Ausgangslohnsumme und mehr Arbeitslohn in der Mindestlohnsumme.

 

2. Nachversteuerung durch Insolvenz

Nach § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 ErbStG kommt es wegen des Wegfalls des Verschonungsabschlags und des gleitenden Abzugsbetrags zu einer Nachversteuerung, wenn ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil veräußert wird. Als Veräußerung gilt auch die Betriebsaufgabe.

 

Für die Nachversteuerung kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Betrieb veräußert oder aufgegeben wurde. Selbst die Insolvenz wurde vom BFH (16.2.05, II R 39/03; bestätigt durch BFH 21.3.07, II R 19/06, BFH/NV 07, 1321) als Nachversteuerungstatbestand angesehen. Auch einen Billigkeitserlass der Erbschaftsteuer, die durch den Wegfall der Vergünstigungen nach § 13a Abs. 6 ErbStG infolge einer insolvenzbedingten Veräußerung des Betriebsvermögens anfällt, lehnt der BFH ab (BFH 4.2.10, II R 25/08; kritisch dazu Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Tz. 240 zu § 13a).

 

Diese restriktive Rechtsprechung zur Nachversteuerung im Fall der Generationennachfolge muss in Zeiten der Corona-Krise besonders kritisch gesehen werden, insbesondere wegen der hohen Fallzahl an Insolvenzen. Der BFH sollte daher bei den noch zur Entscheidung anstehenden Fällen seine bisherige Auffassung überdenken. Aufgrund zweier Entscheidungen des FG Nürnberg (26.4.18, 4 K 571/16 und 4 K 572/16) hat er dazu nochmals Gelegenheit. In den anhängigen Verfahren stellen sich die Fragen,

  • ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft einen anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags nach § 13a Abs. 5 S. 1 Nr. 1 ErbStG 2009 (entspricht § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 ErbStG 2016) bewirkt, und
  • ob als maßgebender Zeitpunkt für die Nachversteuerung im Sinne des § 13a Abs. 5 S. 2 ErbStG 2009 (jetzt § 13a Abs. 6 S. 2 ErbStG 2016) der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzusehen ist.

 

Für die Betroffenen bedeutet dies, dass sie auf jeden Fall gegen einen Erbschaft- oder Schenkungsteuerbescheid Einspruch einlegen sollten, um zumindest die BFH-Entscheidungen aufgrund der beiden Urteile des FG Nürnberg abzuwarten. Vor einer persönlichen Existenzvernichtung sollte auf jeden Fall ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden, wobei die Finanzverwaltung bei Gefährdung ihres Steueranspruchs Sicherheitsleistungen fordern könnte.

 

Auch der Gesetzgeber ist hier m. E. gefordert. Er sollte im Rahmen der Corona-Maßnahmen eine Gesetzesänderung dergestalt vornehmen, dass er die Insolvenz ausdrücklich als Nachversteuerungstatbestand in § 13a Abs. 6 ErbStG ausnimmt.

3. Geringere Ertragswerte nutzen

Grundlage für das vereinfachte Ertragswertverfahren ist der Durchschnittsertrag aus den Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre (§ 201 Abs. 2 S. 1 BewG). Zeichnet sich am Bewertungsstichtag ab, dass die Ertragsentwicklung in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Bewertungsstichtag liegt, für die Prognose des Zukunftsertrags bedeutsam ist, wird das Betriebsergebnis dieses Wirtschaftsjahrs an die Stelle des vorvorletzten Betriebsergebnisses in die Ermittlung des Durchschnittsertrags einbezogen. Dabei ist das Ergebnis im Übertragungsjahr auf einen Jahresbetrag hochzurechnen (R B 201 Abs. 3 S. 1 ErbStR 2019).

 

Unklar ist, in welchen Fällen das Betriebsergebnis des Übertragungsjahrs für die Herleitung des künftig zu erzielenden Jahresertrags von Bedeutung ist. Hier dürfte das Zeitmoment eine Rolle spielen, aber auch der Unterschied zwischen den beiden zu vergleichenden Betriebsergebnissen.

 

Beachten Sie | Das Zeitmoment hat Bedeutung für die Frage, wann das Betriebsergebnis für das Übertragungsjahr überhaupt sichtbar ist, so dass es für die Wertfindung „künftig zu erzielender Jahresertrag“ herangezogen werden kann. Hier gilt m. E. die Regel: Je näher der Bewertungsstichtag am Bilanzstichtag des Übertragungsjahrs liegt, desto eher sind die Auswirkungen auf den künftig zu erzielenden Jahresertrag sichtbar. Daher dürften Bewertungsstichtage im ersten Halbjahr unter Berücksichtigung der Zeitkomponente grundsätzlich zu keinem Austausch „Betriebsergebnis im Übertragungsjahr statt Betriebsergebnis des vorvorletzten Wirtschaftsjahrs“ führen. Diese Auffassung gilt vor allem für die Fälle, in denen sich das Betriebsergebnis im Laufe des Wirtschaftsjahrs unterschiedlich entwickelt. Denken Sie z. B. an Saisonbetriebe, Betriebe mit einem übermäßigen Weihnachtsgeschäft usw.

 

Des Weiteren ist zu klären, welche Abweichung im Vergleich der beiden Betriebsergebnisse „Übertragungsjahr“ und „vorvorletztes Jahr“ vorliegen muss, um einen Austausch dieser Betriebsergebnisse vorzunehmen. Hier dürfte es gerechtfertigt sein, auf die allgemeine Wertgrenze zurückzugreifen, die im Bewertungsrecht bei 20 % liegt. Denken Sie z. B. an die Abweichung bei der vereinbarten Miete zur ortsüblichen Miete (§ 186 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG).

 

Die vorstehenden Ausführungen haben besondere Bedeutung für das Wirtschaftsjahr 2020, in dem wegen der Corona-Krise im Vergleich zu den Vorjahren mit wesentlich geringeren Gewinnen zu rechnen ist. Hier dürfte bei einer Betriebsübertragung im zweiten Halbjahr 2020 das hochgerechnete Betriebsergebnis an die Stelle des Betriebsergebnisses für das Wirtschaftsjahr 2017 zu setzen sein. Für Übertragungsfälle im ersten Halbjahr 2020 kann dies nicht ohne Weiteres unterstellt werden, weil insbesondere in den Monaten März, April und Mai 2020 erhebliche Ertragseinbrüche eingetreten sind, die sich wegen der Lockerungen gegenüber dem Shutdown nicht so fortsetzen dürften.

 

PRAXISTIPP | Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte den Übertragungsstichtag auf den 1.1.21 legen. Dann wird auf jeden Fall das Betriebsergebnis 2020 mit in den Durchschnittsertrag eingerechnet.

 
Quelle: Seite 145 | ID 46586108