· Fachbeitrag · Zwangsvollstreckung
Pfändung eines Erbteils: Das sind die Wirkungen
von Prof. Dr. Jürgen Damrau, Konstanz
| Wird ein Erbteil gepfändet, besteht oft Unklarheit darüber, was dies für den Nachlass insgesamt und die Miterben bedeutet. Dazu im Einzelnen: |
1. Wirkungen der Pfändung allgemein
Durch die Pfändung des Erbteils erwirbt der Gläubiger ein Pfandrecht am Erbteil als einen Teil des Nachlasses (§ 804 Abs. 1 ZPO); dieses Pfandrecht gewährt dem Pfändungspfandgläubiger die gleichen Rechte, wie ein vertragliches Pfandrecht, § 857, § 804 Abs. 2 ZPO; § 1273 BGB.
MERKE | Es entstehen keine Pfandrechte an den einzelnen Nachlassgegenständen, z. B. der Nachlass-Kuh, dem Erblasser-Kontoguthaben, dem Nachlass-Haus; denn kein Miterbe hat einen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen, § 2033 Abs. 2 BGB. Dies bestätigt der Nachsatz des § 859 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 ZPO, der eine Pfändung eines einzelnen Nachlassgegenstands aufgrund eines Zahlungstitels gegen einen Miterben bei ungeteilter Erbengemeinschaft ausschließt. Folge: Da der Vollstreckungsgläubiger nicht einmal ein Pfandrecht an der Sache hat, kann er sie auch nicht verwerten. Anders verhält es sich, wenn bei der Nachlassteilung dem Miterben ein bestimmter Gegenstand übertragen wurde (dazu unten). |
Der Pfändungsgläubiger erlangt mit der Pfändung Auskunftsrechte gegenüber seinem Schuldner/Miterben, §§ 857, 836 Abs. 3 ZPO. Dieses Auskunftsrecht umfasst auch die Mitteilung von Auskünften Dritter, die Außenstehende den Miterben schon erteilt haben und die sich (zu Recht) weigern, diese Auskünfte dem Gläubiger gegenüber zu wiederholen; der Schuldner muss diese Auskünfte Dritter dem Gläubiger weitergeben. Mit dem Schuldtitel und dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) kann die Vollstreckung nach § 836 Abs. 3 S. 2, 3 ZPO auf Auskunft und Vorlage von Urkunden gegen den Schuldner betrieben werden.
Der Pfändungsbeschluss wird den Drittschuldnern/Miterben zugestellt. In die dafür vorgesehene Zustellungsurkunde muss die Aufforderung nach § 840 Abs. 2 ZPO (in entsprechender Anwendung, §§ 857, 852 ZPO) enthalten sein. Die Miterben werden aufgefordert mitzuteilen, ob sie das Erbrecht des Schuldners anerkennen, ob andere Personen den Miterbenanteil des Schuldners/Miterben ‒ nach ihrer Kenntnis ‒ erworben haben, ob er verpfändet oder gepfändet ist.
Ob in der Praxis der Vordruck der Zustellungsurkunde bei Miterben als „Drittschuldner“ (vgl. § 857 Abs. 1 ZPO) und damit Auskunftspflichtige angepasst wird, ist nicht ersichtlich.
Ein gepfändetes Recht kann durch Rechtsgeschäft nur mit Zustimmung des Gläubigers aufgehoben oder verändert werden, §§ 857, 804 ZPO, § 1276 BGB. Der Miterbe/Schuldner muss sich jeder Verfügung über den Erbteil enthalten, §§ 857, 829 ZPO. Daraus wird gefolgert:
Der Miterbe/Schuldner kann seinen Erbteil nur mit Zustimmung des Gläubigers übertragen (§ 2033 BGB) oder verpfänden (Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1674; Wieczorek//Schütze/Lüke, ZPO, 4. Aufl., § 859 Rn. 35); die Übertragung ohne Zustimmung des Gläubigers ist unwirksam.
Nach a.A. kann der Miterbe/Schuldner den Erbteil übertragen; die Übertragung des Erbanteils als solchen lasse aber das Pfandrecht am Erbteil unberührt; das Pfandrecht gehe als Belastung des Erbteils auf den Erwerber über, auch wenn er es nicht gekannt hat (BayObLG NJW 59, 1780).
Stellungnahme: Die zweite Ansicht wird abgelehnt. Sie ist zu eng an das Pfandrecht an bewegliche Sachen angelehnt. Es gibt keinen gutgläubigen Erwerb des Erbteils durch einen außenstehenden Dritten. Eine zweite Pfändung des Erbteils mit entsprechendem Nachrang bleibt möglich.
MERKE | Eine Abschichtungsvereinbarung (§ 738 Abs. 1 S. 1 BGB analog, vgl. BGHZ 138, 8) kann der Miterbe/Schuldner nicht zusammen mit den anderen Miterben ohne Zustimmung des Pfändungspfandgläubigers treffen, obgleich der Abgeschichtete kraft Gesetzes aus der Erbengemeinschaft ausscheidet. Die Erklärung, abzuschichten und damit die Folgen des § 738 Abs. 1 S. 1 BGB analog auszulösen, hebt den Erbteil auf und verstößt gegen §§ 857, 804 ZPO, § 1276 BGB.
Ein anderer Miterbe kann aber ohne Zustimmung des Gläubigers des Miterben abgeschichtet werden, weil dadurch (auch) der Erbteil dem Miterben/Schuldner anwächst. Zwar ändert sich dadurch der Erbteil des Schuldners, aber das Pfandrecht des Gläubigers wird verbessert, weil sich der Erbteil vergrößert; und nur Verschlechterungen will § 1276 BGB verbieten (a.A. Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1674). Es wächst die erbrechtliche Beteiligung des ausscheidenden Miterben allen anderen Miterben kraft Gesetzes anteilsmäßig zu. Aber eine mit der Abschichtung verbundene Pflicht, aus dem Nachlass (und nicht aus dem sonstigen Vermögen der anderen Miterben) eine Gegenleistung für das Ausscheiden zu erbringen, kann nicht aus dem Nachlass erfüllt werden, weil die Erfüllung einer Abfindungspflicht Verfügungen über Nachlassgegenstände erfordert, die der Gläubiger des Miterben neben den anderen Miterben vornehmen müsste. |
Die Erbteilspfändung erfasst auch die Nebenrechte des Miterben. Jeder Miterbe und auch der Gläubiger können Auskunft verlangen, und zwar nach § 2027 BGB vom Erbschaftsbesitzer über den Bestand der Erbschaft und den Verbleib von Erbschaftsgegenständen. Der Hausgenosse muss Auskunft darüber erteilen, welche erbschaftlichen Geschäfte er geführt hat und ob ihm der Verbleib von Erbschaftsgegenständen bekannt ist, § 2028 BGB. Die Pfändung des Erbteils umfasst diese Ansprüche, sodass es keiner ausdrücklichen Hilfspfändung bedarf. Zweckmäßig ist es aber, diese Rechte im Pfändungs-beschluss zu erwähnen (Stöber, Forderungspfändung, a.a.O., Rn. 1677). Die Auskunft ist allen Miterben gemeinschaftlich zu erteilen (§ 2039 BGB), da der Anspruch zum Nachlass gehört.
Der wirtschaftliche Wert eines Erbteils hängt sehr davon ab, ob zwischen den Erben Ausgleichungspflichten (§§ 2050 ff. BGB) bestehen. Daher ist jeder Miterbe zur Auskunft verpflichtet, § 2057 BGB. Die Auskunftspflicht trifft auch den Miterben/Schuldner dem Pfändungsgläubiger gegenüber. Der Anspruch ist vom Pfändungsbeschluss mitumfasst, was zweckmäßigerweise im Pfändungsbeschluss zur Klarstellung erwähnt wird.
2. Verwaltung des Erbteils nach dessen Pfändung
Die Verwaltung des Nachlasses besteht in allen Maßnahmen, den Nachlass zu erhalten und durch tatsächliches Handeln zu mehren, z. B. dem Anstrich eines Nachlass-Zaunes, durch schuldrechtliche Rechtsgeschäfte, z. B. dem Vermieten des Hauses des Erblassers, durch Verfügungsgeschäfte, z. B. der fristlosen Kündigung des Mieters des Nachlass-Hauses.
a) Allgemeine Verwaltung des Nachlasses
Die Nachlassverwaltung steht den Erben gemeinschaftlich zu (§ 2038 Abs. 1 BGB), wobei jeder Miterbe verpflichtet ist, bei allen Maßnahmen mitzuwirken, die zur ordentlichen Verwaltung erforderlich sind. Der Schuldner/Miterbe verliert durch das Pfandrecht des Gläubigers nicht sein Recht am Erbteil/Nachlass. Aber er kann nach der einen Auffassung nur mit Zustimmung des Gläubigers bei Verwaltungs-Rechtsgeschäften mitwirken (OLG Köln FamRZ 15, 441; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 859 Rn. 17; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 859 Rn. 33); dies wird aus §§ 857, 804 ZPO, § 1276 BGB gefolgert.
Nach einer anderen Ansicht übt der Pfandgläubiger alleine die Verwaltungsrechte des Miterben/Schuldners aus, §§ 857, 804 ZPO, § 1273 Abs. 2, § 1258 Abs. 1 BGB (Leinenweber in: Online-Großkommentar zum BGB, § 1274 Rn. 95).
Die zweite Meinung ist vorzuziehen, weil sonst der Schuldner Verwaltungsmaßnahmen eventuell blockieren könnte. Auf dieses Argument geht die Gegenansicht nicht ein, sagt auch nicht, wie Meinungsverschiedenheiten bereinigt werden sollen. Jedenfalls erstreckt sich das an den Miterben/Schuldner gerichtete Veräußerungsverbot (§§ 857, 829, 804 ZPO, § 1276 BGB) nicht nur auf den Erbteil, sondern es erfasst auch alle Nachlassgegenstände, weil sich, z. B. bei der Veräußerung eines Nachlassgegenstands, der Nachlass in seinem Bestand ändert und damit auch das Pfandrecht am Miterbenanteil.
|
Übereignen die Miterben gemeinsam, z. B. im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses, ohne die Zustimmung des Pfändungsgläubigers den Oldtimer des Erblassers zur Sicherheit, um Barmittel zu beschaffen, erwirbt der Erwerber des Autos nach § 929 BGB von den (gesamthänderischen) Mit-Eigen-tümern das Alleineigentum. Das Pfändungspfandrecht des Gläubigers am Anteil des einen Miterben/Schuldners erstreckt sich aber nicht mehr auf das Auto, das an den gutgläubigen Erwerber übereignet wird; der gute Glaube richtet sich auf das Verfügungsrecht aller Miterben nach § 135 Abs. 2, § 936 BGB, das der Miterbe/Schuldner aber wegen der Pfändung seines Erbteils nicht mehr hatte. |
Die Pfändung bewirkt eine Änderung der Verfügungsbefugnis des Miterben/Schuldners auch über Grundstücke im Nachlass (BayObLG NJW 59, 1780).Veräußern alle Miterben (ohne Zustimmung des Gläubigers) im Rahmen ihrer Verwaltung des Nachlasses (nicht anlässlich der Teilung ‒ wie im Fall des BGHZ 183, 131) das schon auf sie als Miterben im Grundbuch eingetragene Grundstück, wird der gute Glaube des Erwerbers an das Verfügungsrecht der Miterben nach § 135 Abs. 2, § 892 BGB geschützt. Trotz des Pfändungspfandrechts des Gläubigers am Erbteil wird lastenfreies Eigentum erworben. Um solche Beeinträchtigung des Gläubigers auszuschließen, kann die Pfändung des Erbteils im Grundbuch auf Antrag im Wege der Berichtigung nach § 894 BGB eingetragen werden.
Musterformulierung / Antrag auf Grundbuchberichtigung |
Der Anteil des Miterben … Abt. I Nr. … am Nachlass des (Erblasser) … ist durch Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom … zugestellt am … zugunsten des …(Gläubigers) gepfändet. |
Eintragbar ist bereits die Vorpfändung nach § 845 ZPO (Stöber, a.a.O., Rn. 1682). Der Gläubiger erbringt den Unrichtigkeitsnachweis (§ 22 GBO) durch Vorlage des Pfändungsbeschlusses und des Zustellungsnachweises an alle Miterben als Drittschuldner.
Ist noch der Erblasser und sind noch nicht die Miterben im Grundbuch eingetragen, muss der Gläubiger zunächst den Unrichtigkeitsnachweis des Grundbuchs mittels eines Erbscheins führen und sich ggf. einen Erbschein nach § 792 ZPO besorgen und dafür sorgen, dass die Miterben als Eigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft voreingetragen werden. Sodann kann die Pfändung des Erbteils eingetragen werden.
In der Einziehung von Nachlassforderungen, die jeder Miterbe auch alleine vornehmen kann (§ 2039 BGB), ist der Miterbe/Schuldner nicht durch die Pfändung nach § 1276 BGB beschränkt, weil diese den Nachlass zwar verändert, aber nur vorteilhaft ist (siehe oben); die Kosten eines verlorenen Rechtsstreits trägt der Miterbe/Schuldner selbst. Die Leistung kann mit befreiender Wirkung nur an alle Erben gemeinschaftlich erfolgen, sodass die Leistung also dem Nachlass und damit auch dem Gläubiger zugutekommt.
b) Mehrheitsverwaltung des Nachlasses
Nicht immer kommt es bei Verwaltungsmaßnahmen auf die Mitwirkung des Gläubigers anstelle des Miterben an, dessen Erbteil gepfändet wurde.
Nach heutiger weitgehend unbestrittener Meinung (vgl. BGHZ 183, 131) kann die Erbenmehrheit sowohl bei schuldrechtlichen Rechtsgeschäften als auch bei Verfügungsgeschäften nach außen gegenüber Dritten handeln. Die Mehrheit der Erben vertritt dabei die überstimmten Miterben ‒ dies gerade dann, wenn diese als überstimmte Miterben nicht gewillt sind, ihrer Pflicht zur Mitwirkung an der Verwaltung (§ 2038 BGB) nachzukommen und mitzuwirken.
PRAXISTIPP | Die Erbenmehrheit kann z. B. dem Pächter eines Nachlassgrundstücks ihr Vertretungsrecht, also die Mehrheitsverwaltung, durch Kopie des Erbscheins offenlegen. Klarstellend kann sie auch die schriftliche Mitteilung des Abstimmungsergebnisses in der Erbengemeinschaft vorlegen, unterschrieben von der Erbenmehrheit (und den zur Mitwirkung bereiten Minderheitserben). |
Wird der Pfandgläubiger am Erbteil in der Abstimmung in der Erbengemeinschaft durch die Mehrheit der Miterben überstimmt, hat die Pfändung des Erbteils keine Auswirkungen hinsichtlich des von der Erbenmehrheit mit dem Dritten vorzunehmenden Rechtsgeschäfts. Der Pfandgläubiger kann das Verwaltungsrechtsgeschäft nicht von seiner Zustimmung abhängig machen, wenn die Erbenmehrheit anders beschließt. Man würde sonst dem Pfandgläubiger aufgrund der Pfändung Rechte einräumen, die der betroffene Miterbe nicht hat. Voraussetzung ist, dass es sich um eine Maßnahme im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung handelt, und es sich nicht um eine Auseinandersetzung des Nachlasses handelt, wobei sich der Begriff der ordnungsgemäßen Verwaltung weitgehend mit dem der laufenden Geschäfte deckt.
Wenn ein Nachlassgrundstück im Rahmen der ordnungsgemäßen Grundstücksverwaltung veräußert werden soll (wie im Fall BGHZ 183, 131), wird befürchtet, dass diese Veräußerung ‒ die notariellen Urkunden werden nur von der Mehrheit der Miterben unterzeichnet ‒ am Grundstücksverfahrensrecht scheitert (Löhning in: Staudinger, BGB, 2016, § 2038 Rn. 29): Die Auflassung (§ 925 BGB), die die Erbenmehrheit, zugleich die Erbenminderheit vertretend, vornimmt, könne nicht die Grundlage der Eintragung des Eigentumswechsel im Grundbuch sein, da das Grundbuchamt (GBA) keine Tat-sachen ermitteln könne. Zur Begründung führt Löhning an, das GBA sei nicht berufen, die tatsächlichen Verhältnisse zu überprüfen.
Dem ist entgegenzuhalten: Dem GBA liegt der Erbschein vor. Daraus ergeben sich die Quoten der Miterben, die nicht im Grundbuch eingetragen sind. Das GBA kann leicht feststellen, ob jedenfalls die rechnerische Mehrheit der Miterben die Auflassungserklärung abgegeben hat. Mit der Vorlage des Erbscheins ist die Vertretungsmacht der Erbenmehrheit nachgewiesen, egal, ob alle Miterben ihrer Pflicht nach § 2038 Abs. 1 BGB nachkamen, den Vollzug der Beschlüsse beim Notar umzusetzen, oder ob nur die Mehrheit tätig wurde.
MERKE | Es muss also nicht "‒ wie man früher allgemein annahm ‒ die Erbenmehrheit gegen die -minderheit auf Abgabe der Auflassungserklärung klagen. Eine im Grundbuch auf Antrag des Gläubigers eingetragene Pfändung des Erbteils sperrt im Übrigen nicht das Grundbuch (BayObLG NJW 59, 1780, 1782).
Der Eintrag der Pfändung des Erbteils in Abt. II des Grundbuchs hindert also im oben genannten Beispiel ‒ schon unter Berücksichtigung des formalen Rechts ‒ nicht die Wahrung des Beschlusses der Erbenmehrheit im Grundbuch, nämlich die Auflassung des Nachlassgrundstücks an einen Erwerber. |
Weiterführender Hinweis
- Damrau, EE 18, 191 dazu, wie die Zwangsvollstreckung in einen Erbteil gelingt