· Fachbeitrag · Zwangsvollstreckung
Vollstreckungsbeginn nach Tod des Erblassers
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| In der vorherigen Ausgabe von EE wurden Vollstreckungsmöglichkeiten erläutert, wenn bereits zu Lebzeiten mit der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner begonnen wurde. Daran anknüpfend befasst sich der folgende Beitrag mit Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, wenn erst nach dem Tod des Erblassers mit der Vollstreckung begonnen wird. Insoweit gilt zu unterscheiden, ob die Erbschaft bereits angenommen wurde oder nicht. |
1. Erbschaft wurde angenommen
Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, so kann grds. in den Nachlass und das Eigenvermögen des Erben vollstreckt werden. Für Gläubiger führt dies zu einer Erweiterung der Vermögensmasse und besseren Befriedigungschancen.
|
Gläubiger G hat gegen den in Bonn lebenden Schuldner S (Erblasser) eine durch Urteil des LG Koblenz titulierte Forderung von 20.000 EUR; G hat zu Lebzeitengegen S noch nicht vollstreckt. S verstirbt und hinterlässt als Nachlass nur ein Sparbuch mit einem Betrag von 3.000 EUR. Der Erbe des S nimmt die Erbschaft an. E hat an Privatvermögen mehrere Eigentumswohnungen sowie 50.000 EUR Barvermögen. Durch die Annahme der Erbschaft vermischen sich quasi das Nachlassvermögen des S und das Vermögen des E zu einer großen Haftungsmasse. Insofern hat G deutlich bessere Chancen, seine Forderung durchzusetzen. |
Beachten Sie | Dies gilt jedoch nur so lange, bis der Erbe ggf. Haftungsbeschränkungen geltend macht. Dies führt nachträglich wieder zu einer Trennung von Eigen- und Nachlassvermögen!
a) Rechtsnachfolgeklausel erforderlich
Damit G im Beispiel auch tatsächlich gegen den Erben als ‒ neuen ‒ Schuldner in die erweiterte Vermögensmasse vollstrecken kann, muss er zunächst den vorhandenen, noch auf den Namen des S lautenden, Vollstreckungstitel mittels einer sogenannten Rechtsnachfolgeklausel umschreiben lassen. Bevor allerdings eine Titelumschreibung erfolgen kann, muss der Gläubiger dem zuständigen Prozessgericht des ersten Rechtszugs durch eine öffentliche oderöffentlich beglaubigte Urkunde die Rechtsnachfolge nachweisen (§ 727 ZPO). Um die Rechtsnachfolge nachzuweisen, bestehen folgende Möglichkeiten:
aa) Dem Gläubiger ist bekannt, dass die Erbschaft angenommen wurde
Ist ein Erbschein bereits erteilt, kann sich der Gläubiger mit Vorlage des Titels gemäß § 357 Abs. 2 FamFG eine Ausfertigung des Erbscheins vom Nachlassgericht aushändigen lassen. Nachlassgericht ist das AG, in dessen Bezirk der verstorbene Schuldner zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 343 Abs. 1 FamFG).
Im Beispiel wäre daher das AG ‒ Nachlassgericht ‒ Bonn für die Erteilung der Erbscheinsausfertigung zuständig.
MERKE | Befinden sich das zuständige Prozessgericht und das Nachlassgericht am selben Ort, ist es i. d. R. ausreichend, wenn der Gläubiger auf die entsprechenden Akten des Nachlassgerichts, das den Erbschein erteilt hat, verweist. Das zuständige Prozessgericht wird sich dann die Nachlassakten beiziehen und die Informationen für eine Titelumschreibung aus den Akten entnehmen können. |
bb) Erbe beantragt keinen Erbschein
Für den Fall, dass dem Gläubiger zwar ein Erbe bekannt ist, dieser allerdings keinen Antrag auf Erlass eines Erbscheins gestellt hat bzw. einen solchen aus irgendwelchen Gründen nicht stellen will, hat der Gläubiger die Möglichkeit, den Erbschein selbst nach § 792 ZPO anstelle der Erben beim Nachlassgericht zu beantragen. Hierzu reicht es aus, dass der Gläubiger dem Nachlassgericht eine Kopie des Titels vorlegt. Der Gläubiger hat also das gleiche Antragsrecht wie der Schuldner. Im Beispielsfall könnte daher G beim AG Bonn einen solchen Antrag stellen.
Beachten Sie | § 792 ZPO setzt voraus, dass der Gläubiger die Urkunde zum Zwecke der Zwangsvollstreckung benötigt. Erforderlich ist damit, dass der Gläubiger über einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel verfügt. Die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wird nicht geprüft (KG OLGRspr. 01, 346).
PRAXISTIPP | Diese Vorgehensweise hat zwar den Nachteil, dass der Gläubiger für seine Behauptungen Beweis antreten muss, etwa durch eine eidesstattliche Versicherung, Abschriften, ein Familienstammbuch etc. (vgl. §§ 2355 ff. BGB). Sie ist aber zu empfehlen, um zum Erfolg ‒ der Titelumschreibung ‒ zu kommen. In der Regel erteilen die Nachlassgerichte problemlos Erbscheine. Die hierfür notwendigen Kosten, z. B. Erbscheinskosten (Nrn. 12210, 23300 KV GNotKG) oder Rechtsanwaltskosten (Nr. 3100 RVG VV), muss der Schuldner tragen. Diese können dann mit dem vollstreckbaren Anspruch, d. h. nach erfolgter Titelumschreibung, entweder direkt beigetrieben oder verzinslich durch das Vollstreckungsgericht festgesetzt werden (§§ 788, 104 ZPO). |
cc) Verfügung von Todes wegen ist vorhanden
Existiert eine Verfügung von Todes wegen (Testament, Erbvertrag), kann der Gläubiger zum Nachweis der Rechtsnachfolge vom Nachlassgericht ebenfalls nach § 792 ZPO eine beglaubigte Abschrift der Verfügung von Todeswegen nebst Eröffnungsprotokoll verlangen (vgl. § 13 Abs. 1, 2 FamFG) und dadurch für den Erben das Erbscheinsverfahren in die Wege leiten.
b) Rechtsnachfolgeklausel muss vom zuständigen Organ erteilt werden
Bei Erteilung der Klausel ist darauf zu achten, dass diese vom richtigen Organ erteilt wird, da andernfalls Maßnahmen einer durch den Gläubiger durchgeführten Vollstreckung anfechtbar sein können. Dies führt dazu, dass kein Pfändungspfandrecht entsteht sowie dass die aufgewendeten Kosten (Rechtsanwalts- und Gerichtskosten) unnütz waren und somit dem Gläubiger zur Last fallen!
MERKE | Für die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel ist der Rechtspfleger (§§ 20 Nr. 12, 26 RpflG) des den Titel erlassenden Gerichts (§§ 795, 724 Abs. 2 ZPO) oder des Gerichts, welches die Urkunde aufbewahrt (§ 797 Abs. 1, 2 S. 2 ZPO), zuständig; bei notariellen Urkunden ist der Notar (§ 797 Abs. 2 S. 1 ZPO) zuständig. |
c) Erforderliche Zustellungen beachten
Es ist darauf zu achten, dass nach § 750 Abs. 2 ZPO der Ursprungsvollstreckungstitel und die Vollstreckungsklausel sowie, sofern die Vollstreckungsklausel aufgrund öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden erteilt ist, auch eine Abschrift dieser Urkunden, vor Beginn der Zwangsvollstreckung oder gleichzeitig mit Vollstreckungsbeginn durch den Gerichtsvollzieher (§ 192 ZPO) zugestellt werden müssen. Dies bedeutet für den Gläubiger im Einzelnen:
- Wurde die Rechtsnachfolgeklausel aufgrund eines Erbscheins erteilt, ist dieser in beglaubigter Abschrift dem Erben als neuem Schuldner zuzustellen.
- Wurde die Rechtsnachfolgeklausel aufgrund einer Verfügung von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) erteilt, muss eine Abschrift derselben nebst Eröffnungsprotokoll an den oder die Erben zugestellt werden.
d) Besonderheit: Erbengemeinschaft
Die Annahme der Erbschaft durch mehrere Erben hat zur Folge, dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in deren Eigenvermögen betreiben darf; dies setzt allerdings voraus, dass gegen jeden Erben eine Rechtsnachfolgeklausel zu erteilen ist. Zur Vollstreckung in den ungeteilten Nachlass ist ein Titel gegen alle Erben erforderlich. Ohne Titel gegen alle Erben ist nur eine Vollstreckung in den jeweiligen Erbanteil möglich (§ 859 Abs. 2 ZPO). Danach ist die Auseinandersetzung des Nachlasses durch den Gläubiger zu betreiben.
e) Unbedingt Dreimonatseinrede beachten
Aber selbst wenn der Erbe die Erbschaft angenommen hat, muss der Nachlassgläubiger die ‒ oft vergessene ‒ Dreimonatseinrede gemäß § 2014 BGB beachten. Hiernach kann nämlich der Erbe ggf. die Berichtigung einer Nachlassverbindlichkeit bis zu drei Monaten aufschieben.
MERKE | Die Dreimonatseinrede ist ein Einwand des Erben. Das vom Gläubiger beauftragte Vollstreckungsorgan (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht) hat diesen Einwand nicht von Amts wegen zu beachten. Er muss vielmehr gemäß §§ 782, 785, 767 ZPO im Wege der Vollstreckungsgegenklage durch den Erben als Schuldner geltend gemacht werden. |
Sobald der Erbe den Einwand erhebt und gegenüber dem Vollstreckungsorgan nachweist, bewirkt dies, dass die Vollstreckung in den Nachlass und das Eigenvermögen des Erben auf eine Sicherungsvollstreckung begrenzt wird(§ 782 ZPO). Das bedeutet, dass nur eine Pfändung, nicht aber eine Verwertung vorgenommen werden darf. Konkret heißt das für den Gläubiger:
- Bewegliche Sachen können durch den Gerichtsvollzieher nur gepfändet, nicht aber versteigert werden.
- Forderungen und Rechte dürfen durch das Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger) nur durch Pfändungsbeschluss gepfändet, aber nicht überwiesen werden, d. h. es darf kein Überweisungsbeschluss ergehen.
- Die Vollstreckung in unbewegliches Vermögen erfolgt nur durch Eintragung einer Zwangssicherungshypothek durch das Grundbuchamt.
Erfolgt dennoch im Einzelfall eine Verwertung, kann der Erbe sich mit einer Vollstreckungsabwehrklage (§§ 782, 785, 767 ZPO) wehren.
2. Erbschaft wurde noch nicht angenommen
Hat gegen den Erblasser als ursprünglichen Titelschuldner zu Lebzeiten noch nicht die Zwangsvollstreckung stattgefunden, so kann vor Erbschaftsannahme die Vollstreckung wegen einer Nachlassverbindlichkeit (Erblasserschulden, Pflichtteilsrechte, Vermächtnisse, Auflagen; § 1967 BGB) nur ineinen Nachlass erfolgen (§ 778 Abs. 1 ZPO). Ein Zugriff des Nachlassgläubigers auf das Eigenvermögen des Erben ist nicht möglich. Will ein Nachlassgläubiger in den Nachlass des Erblassers vollstrecken, muss ein Nachlasspfleger bestellt werden. Denn vor Annahme der Erbschaft kann ein gerichtliches Vorgehen gegen den Erben nicht erfolgen (§ 1958 BGB).
Die Nachlasspflegschaft ist durch den Gläubiger beim Nachlassgericht des Erblassers (Schuldner) zu beantragen (§§ 1960, 1961 BGB). Der Nachlasspfleger vertritt in diesem Fall den oder die (unbekannten) Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers, sodass der bestehende Titel nach § 727 ZPO gegen den Nachlasspfleger umgeschrieben werden kann (Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl., § 778 Rn. 6 m.w.N.).
PRAXISTIPP | Bevor allerdings eine Titelumschreibung erfolgt, müssen Gläubiger zunächst durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde demzuständigen Prozessgericht des ersten Rechtszugs die Rechtsnachfolge nachweisen (§ 727 ZPO). Hierzu dient der Beschluss des Nachlassgerichts, durch den der Nachlasspfleger amtlich bestellt wurde. In einem weiteren Schritt ist darauf zu achten, dass nach § 750 Abs. 2 ZPO vor Vollstreckung in den Nachlass sowohl der Titel als auch die Klausel als auch eine Abschrift des die Nachlasspflegschaft anordnenden Beschlusses ‒ durch den Gerichtsvollzieher (§ 192 ZPO) ‒ zugestellt sein bzw. spätestens bei Vollstreckungsbeginn zugestellt werden müssen. |
Haben bei einer Erbengemeinschaft Erben die Erbschaft (noch) nicht angenommen, darf nur in den Nachlass vollstreckt werden (§ 778 Abs. 1 ZPO). Zur Vollstreckung in den ungeteilten Nachlass ist daher ein Nachlasspfleger nur für die Erben zu bestellen, die die Erbschaft noch nicht angenommen haben. Die gegen alle Erben zu erwirkende Vollstreckungsklausel (§§ 747, 750 ZPO) hat daher sowohl gegen den Nachlasspfleger als auch gegen die Erben, welche die Erbschaft bereits angenommen haben, zu erfolgen (Zöller/Geimer, a. a. O. Rn. 10).
Gesamtübersicht / Vollstreckung bei Tod des Schuldners |
|
|