· Fachbeitrag · Wohnformen im Alter
Wohngemeinschaften: Die „Alten-WG“
von RA Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen
| Eine Wohngemeinschaft (WG) wird von älteren Menschen aus Schutz vor Vereinsamung gegründet, aber z.B. auch aus finanziellen Motiven, wenn ein betreutes Wohnen inklusive Pflegedienste für den Einzelnen zu teuer würde. Sie verstehen sich auch als Zweck- oder als Schutzgemeinschaften des täglichen Lebens mit den Aspekten des gegenseitigen Beistands und der gegenseitigen Fürsorge im Alltag. Der folgende Beitrag zeigt, worauf aus rechtlicher Sicht zu achten ist. |
1. Definition und rechtliche Grundlagen
Die Wohnform der WG, beschreibt eine Gemeinschaft mehrerer Personen in einer Wohnung mit gemeinsamer Nutzung der Funktionsräume wie Badezimmer und Küche, möglichen Gemeinschaftsräumen wie z.B. dem Wohnzimmer und eigenen abgeschlossenen Schlafräumen. Eine solche WG kann auf verschiedenen Rechtsformen basieren, insbesondere innerhalb einer Eigentumswohnung. Gebr äuchlicher sind allerdings Mietwohnungen als Basis. So kennt das Deutsche Mietrecht seit der Mietrechtsreform 2001 spezielle Vorschriften für Haushalts- und WGen, wenn nur das verstorbene Mitglied der Gemeinschaft Mieter war (§ 563 Abs. 2 S. 4 BGB). Den überlebenden Mitliedern steht dann ein besonderes Eintritts- und Fortsetzungsrecht in Bezug auf den Mietvertrag zu. Dabei hatte der Gesetzgeber insbesondere auch die „Alten-WG“ im Blick (BT-Drucksache 14/4553, S. 61, Sternel, ZMR 04, 716). Dabei genügt die Absicht einer langfristigen gemeinsamen Haushaltsführung. Auf eine Mindestlaufzeit kommt es nicht an (Blank/Börstinghaus, § 563 Rn. 50). Sie unterliegen im Regelfall nicht dem öffentlichen und zivilrechtlichen Heimrecht, es sei denn, dass sie „nicht selbstbestimmt“ sind (z.B. § 1 Abs. 3 und 4 NHeimG).
2. Vertragsformen bei einer Mietwohnung
In Bezug auf Mietwohnungen sind vertraglich verschiedene Konstellationen vorstellbar:
a) Hauptmieter - Untermieter
So kann es zunächst einen Hauptmieter geben, mit dem der Vermieter den Mietvertrag abschließt. Dieser vermietet seinerseits an mehrere Untermieter. Wird dieses Modell von Vermietung und Untervermietung praktiziert, geht jeder Wechsel der Belegschaft am Vermieter vorbei, ohne dass er das in irgendeiner Weise begleiten oder gar kontrollieren kann. Das kann extrem schwierig werden, wenn es z.B. zu Nachbarbeschwerden kommt. Das kann ebenso sehr problematisch sein, wenn sich jemand „daneben benimmt“ und verhaltensbedingt abgemahnt oder gekündigt werden muss. Jeder schiebt es dann im Zweifel auf den Anderen - keiner will es dann gewesen sein. Dann kann der Vermieter allerdings seinen Hauptmieter in die Pflicht nehmen, der für seine Untermieter verpflichtet werden kann (§ 278 BGB).
Ein weiterer Vorteil besteht auch darin, dass der Vermieter z.B. eine Betriebskostenabrechnung nur an seinen Mieter richten muss und es dann dessen Sache ist, sich die Nebenkosten anteilig bei seinen Mietern - den Untermietern - wieder zu holen.
b) Vermietung der einzelnen Zimmer
Ganz und gar abzuraten ist die zimmerweise Vermietung. Denn dann fertigt der Vermieter z.B. an jeden Mieter eines jeden Zimmers eine gesonderte Betriebskostenabrechnung. Nimmt man nun die Kosten mit in den Blick, die notwendig bei der Benutzung von Gemeinschaftseinrichtungen entstehen, ist Streit vorprogrammiert. Dieses Beispiel zeigt, dass der Vermieter parallel viele Mietverhältnisse nebeneinander zu betreuen, zu verwalten und im Streitfall auch zu kündigen hat. Die im Wohnungsmietrecht immer hoch anzusiedelnden Prozessrisiken bei der Durchsetzung solcher Kündigungen durch Räumungsklagen multiplizieren sich also.
c) Vermietung an mehrere Hauptmieter und an die WG selbst
Denkbar sind auch mehrere Hauptmieter, die gleichgeordnet in direkter vertraglicher Verbindung mit dem Vermieter stehen, also eine Vermietung an die WG selbst. Dann unterstellen die Gerichte, dass der Vermieter im Zweifel stillschweigend auch die Zustimmung zu dem typischerweise damit verbundenen Mieterwechsel gibt. Der Vermieter hat diesen Wechsel deshalb grundsätzlich hinzunehmen und kann deswegen den Mietvertrag auch nicht kündigen (LG Berlin GE 13, 1338). Von dieser Unterstellung rücken die Gerichte nur ab, wenn der neue Mieter unzumutbar ist, die Wohnung übermäßig belegt würde oder der Eintritt des neuen Mieters aus sonstigen Gründen nicht hinnehmbar ist. Diese Ausnahmen aber muss der Vermieter beweisen.
Deshalb liegt es in seinem Interesse, dieser unterstellten vorweggenommenen Zustimmung zum - unkontrollierten - Mieterwechsel entgegenzuwirken. Die Möglichkeit des Wechsels von Mitgliedern der WG „am Vermieter vorbeil“ kann also vertraglich ausgeschlossen werden (LG Berlin, a.a.O.).
Musterformulierung / Vermieterzustimmung |
Der Vermieter ist mit einem Mieterwechsel ohne seine ausdrückliche Zustimmung nicht einverstanden (Lützenkirchen, AHB-Mietrecht, Teil B Rn. 76, S. 262). |
Ergibt allerdings die Auslegung des Vertrags, dass die WG als solche Partei sein soll, was seit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR als Außengesellschaft denkbar erscheint (näher dazu: Jacobs. Haftung der WG nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR, NZM 08, 111), hat der Gesellschafterwechsel keine Auswirkung auf die Vertragspartei und wäre deshalb von der Zustimmung des Vermieters nicht abhängig. Unter Berücksichtigung der beidseitigen Interessenlage von Vermieter und Gemeinschaftsmitgliedern wird diese Auslegung im Zweifel zu den Mitgliedern selbst als Mietvertragspartei führen, nicht zur WG als solcher. Denn der Vermieter ist an der Bonität jedes einzelnen Mitglieds interessiert. Den WG-Mitgliedern dürfte an einer gesellschaftsrechtlichen und wirtschaftlichen Bindung an die Gemeinschaft über das unumgängliche Maß hinaus auch kaum gelegen sein. Dies wird besonders am Beispiel der gesellschaftsrechtlichen Nachhaftung ausscheidender Mitglieder der GbR augenfällig. Denn ein aus der GbR ausscheidender Gesellschafter haftet noch für fünf Jahre für die bis zu seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Die Frist beginnt mit der Eintragung des Ausscheidens (§ 736 Abs. 2 BGB). Diese Nachhaftung gilt für Mietrückstände aus Mietverträgen, die vor dem Ausscheiden des Gesellschafters abgeschlossen worden sind und zwar selbst dann, wenn diese Mietrückstände erst nach seinem Ausscheiden fällig geworden sind. Denn die Schuldverpflichtung (Mietforderung) ist mit dem Vertragsschluss entstanden, auch wenn sie als einzelne Verpflichtung erst später fällig wird.
Dies gilt nicht nur für unbefristete Mietverträge, sondern auch für befristete Mietverträge mit Verlängerungsklausel, wenn eine Kündigung oder ein Widerspruch gegen die Verlängerung unterblieben ist. Denn die Pflicht des Mieters zur Mietzahlung ist in den bestehenden Mietverhältnissen bereits so angelegt, dass die einzelnen Mieten entstehen und fällig werden, ohne dass es einer weiteren Handlung der Beteiligten bedarf. Deshalb erstreckt sich die Nachhaftung eines Gesellschafters auch auf die rückständigen Mieten, die nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft fällig geworden sind (BGH MK 02, 131. Auch für Beschädigungen an und in den Mieträumen hat der ausgeschiedene Mieter als Mitglied der GbR im Rahmen von §§ 276, 280, 538 BGB nach diesen Grundsätzen nachzuhaften.
Auslegungsprobleme können daher nur entstehen, wenn die „WG xy-Straße“ ohne Zusatz auf die einzelnen Mitglieder im Vertrag firmiert („Verlässt ein Mieter die WG und tritt ein neues Mitglied ein, so ist dies dem Vermieter anzuzeigen“ (Lützenkirchen, AHB-Mietrecht, Teil B Rn. 76, S. 262). Diese Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob im Abschluss eines Mietvertrags stillschweigend die Zustimmung zum Wechsel des Mieters zu sehen ist oder ob der Vertrag eine ausdrückliche entsprechende Regelung enthält. Denn dem Vermieter muss bekannt sein, welche Personen Mieter sind. Außerdem kann der Vermieter ohne Kenntnis der in die WG eintretenden Personen nicht beurteilen, ob es sich um zumutbare Ersatzmieter handelt oder nicht. Handelt es sich nicht um einen zumutbaren Ersatzmieter, so soll der weichende Mieter weiterhin der WG angehören, also unabhängig von einem etwa zwischenzeitlichen Auszug nicht ausscheiden.).
d) Jedes WG-Mitglied ist Mieter
Schließlich kommen Wohnformen vor, die sich auf einzelne Mietverträge mit jedem Bewohner gründen (Vermietung der gesamten Wohnung an alle einzelnen Mitglieder der WG). Dann kann z.B. ein Mitglied nie ohne Einverständnis des Vermieters ausscheiden. Für den Vermieter ist es vorteilhaft, nur ein Mietverhältnis betreuen und verwalten müssen, gleichzeitig aber über mehrere Mieter zu verfügen, die im Hinblick auf die Mietforderungen Gesamtschuldner sind: Der Vermieter kann sich also den im Zweifel wirtschaftlich solventesten Mieter aussuchen. Er kann dann die Miete von jedem Einzelnen verlangen - natürlich insgesamt nur einmal. Derjenige, der gezahlt hat, muss dann im Innenverhältnis zu seinen Mitbewohnern die Miete anteilig fordern.