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· Fachbeitrag · Wohnformen im Alter

Heimformen für unterschiedliche Ansprüche

von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen

| Seniorenwohnheim, Altenheim, Pflegeheim, Seniorenresidenz oder Seniorenheim werden umgangssprachlich als Begriffe synonym verwendet und bezeichnen eine Wohnform zur Betreuung und Pflege alter Menschen. Als Fachbegriffe eingeordnet, ergeben sich allerdings unterschiedliche Bedeutungen. |

1. Altenheime

Im Altenwohnheim liegt das Schwergewicht auf dem Wohnen selbst. Andere Leistungen, insbesondere Pflegeleistungen werden nur untergeordnet angeboten.

 

Der Begriff steht für eine Wohnform für Menschen mit einer noch geringeren Pflegebedürftigkeit, in der das selbstbestimmte Leben prägend ist. Allerdings wird kein eigener Haushalt geführt. Dienstleistungen wie Putzen des Zimmers sowie die Verabreichung zubereiteter Speisen und Getränke ergänzen und erleichtern den eigenen Alltag der Bewohner.

 

Das Altenpflegeheim wendet sich an ausgeprägt pflegebedürftige Menschen und bietet eine stationäre Pflege an, die für diese Wohnform prägend ist. Der eigentliche Wohnzweck steht im Hintergrund.

 

a) Gesetzliche Grundlage

Anlage und Finanzierung von Einrichtungen stationärer Altenpflege erfolgen auf der Grundlage des Pflegeversicherungsrechts (SGB XI) und des Sozialhilferechts (SGB XII). Sie sind ebenfalls Grundlage für alle Rahmenvereinbarungen zwischen dem Kostenträger und dem (gewerblichen) Betreiber des Heims (Heimträger). Heimträger sind die staatlichen (zum Beispiel Gemeinde oder Kreis) sowie die freigemeinnützigen Organisationen (zum Beispiel kirchliche karitativ-soziale Organisationen) oder schließlich private Betreiber.

 

Die Heimmindestbauverordnung (HeimMindBauVO) vom 11.5.83, BGBl I 83, 550) sowie die baurechtlichen Vorschriften der Bundesländer formulieren baurechtliche Mindestanforderungen. Das landesrechtlich geregelte Heimrecht, ansonsten das Heimrecht des Bundes, normiert die Betriebsbedingungen und enthält Mitbestimmungs- und Verbraucherrechte der Bewohner.

 

b) Heimaufsicht

Eine Heimaufsicht kontrolliert Alten- und Pflegeheime. Sie wird praktiziert durch die städtischen Sozialämter oder die Sozialämter auf Kreisebene, aber auch bei den Gesundheitsämtern. Funktionen der Heimaufsicht sind die Gewährleistung der gesetzlichen Mindestanforderungen an die personelle Ausstattung sowie Qualitätsprüfungen im Auftrag der Pflegekassen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK).

 

c) Kosten

Die Kosten für den Betrieb des Heims werden durch einen amtlich festgesetzten Vergütungssatz pro Tag und pro Bewohner definiert. Er enthält die Wohnungskosten (Unterkunfts- und Hotelkosten), die Kosten für Betreuung und Verpflegung sowie die Pflege als Leistung in Form einer Tagungspauschale, jeweils getrennt ausgewiesen. Der Bewohner ist Leistungsschuldner mit seinen Renteneinkünften: Reicht dies zur Deckung der Kosten - wie in der Regel - nicht aus, kann der Schuldner durch die Inanspruchnahme der staatlichen oder der privaten Pflegeversicherung mit deren Mitteln leisten. Reicht auch dies nicht aus, treten Sozialleistungen ergänzend hinzu. Der Sozialhilfeträger prüft in diesen Fällen die Möglichkeit seiner gesetzlichen Regressmöglichkeiten gegen unterhaltspflichtige Verwandte des Bewohners.

 

Müssen stationäre Pflegeleistungen erbracht werden, so sind im Hinblick auf die anfallenden Kosten Pflegekosten, Kosten für Unterkunft und Verpflegung, Investitionskosten und Zusatzkosten für Wahlleistungen zu unterscheiden. Aus diesem Kosten speist sich das Heimentgelt. Hinzu treten Refinanzierungskosten für Ausbildungskosten das Heimträgers. Kostenpflichtig ist ebenfalls der Heimbewohner. Zur Begleichung der Kosten kann er die Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen, muss aber üblicherweise aus dem privaten Vermögen oder Einkommen zuzahlen. Ist dies nicht möglich, müssen die Heimentgelte durch Unterhaltsleistungen unterhaltspflichtiger Angehöriger aufgebracht werden. Reicht auch dies nicht aus, so entsteht ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege als Leistung der Sozialhilfe.

 

d) Kündigungsrecht

Für den abzuschließenden Aufnahme- und Pflegeheimvertrag gilt das WBVG. Zwar enthält das Gesetz keine Verhaltenspflichten für die Bewohner eines Heims untereinander, doch ist das Persönlichkeitsrecht anderer Bewohner als Ausprägung einer vertraglichen Nebenpflicht immer zu achten. Deswegen gewinnt der Heimträger ein fristloses Kündigungsrecht gegen den Täter im Falle sexueller Belästigungen einer Mitbewohnerin (LG Essen 18.3.13, 1 O 181/12, SR 14, 1, Abruf-Nr. 140049)

 

Die in § 12 Abs. 1 WBVG genannten Kündigungsgründe für den Unternehmer sind nicht abschließend. Deshalb berechtigt auch der Verstoß gegen ein vertraglich vereinbartes Rauchverbot (LG Freiburg 5.7.12, 3 S 48/12, NZM 13, 286) zumindest bei einem beharrlichen Zuwiderhandeln zur fristlosen Kündigung. Ausspucken oder Hinauswerfen von Essensresten aus dem Fenster sollen ebenso wie das Betteln im Umfeld der Wohnanlage nicht ausreichen (LG Freiburg 5.7.12, 3 S 48/12, NZM 13, 286).

2. Stationäre Hausgemeinschaften

Stationäre Hausgemeinschaften kommen als weitgehend autarke Wohnformen ebenso wie als Teil von vollstationären Pflegeeinrichtungen vor. Hier handelt es sich um Heime für ältere und pflegebedürftige Menschen. Den Mitgliedern soll ein Leben in alltagsnaher Normalität ermöglicht und zugleich Sicherheit und Geborgenheit geboten werden. Dabei soll das alltägliche Leben in kleineren Gruppen von bis zu 14 Bewohnern gleichzeitig von immer anwesenden Bezugspersonen (Pflegekräfte) und - soweit vorhanden - den Angehörigen der Bewohner getragen werden. Auch diese Form des Wohnens setzt auf größtmögliche Selbstständigkeit. So soll zum Beispiel die kulinarische Versorgung weitgehend dezentral erfolgen: Im Unterschied zu anderen stationären Altenpflegeheimen gibt es keinen gemeinsamen Speiseplan. Speisen und Getränke sollen möglichst selbst zubereitet werden. Insgesamt sollen die Bewohner weitgehend selbstständig leben. Nur in den Bereichen des täglichen Lebens, in denen sie ein eigenes Management nicht mehr durchführen können, sollen sie durch Mitarbeiter als Bezugspersonen sowie ergänzend durch eigene Angehörige unterstützt werden. Wo dies aus gesundheitlichen - körperlichen und geistigen - Gründen notwendig erscheint, sollen ergänzende Pflegeleistungen durch die genannten Betreuergruppen erbracht werden. Besondere Vorsorge bieten Demenzwohngemeinschaften.

3. Seniorenstift

Auch der Seniorenstift (vgl. im Einzelnen Fachgruppe WiP - Wohnstifte im Paritätischen unter www.wip-wohnstifte.de) bezeichnet eine Form des gemeinschaftlichen Lebens im Alter, die modernen Ansprüchen insbesondere an die Wohnraumgestaltung, Größe und Ausstattung entspricht. Jeder Bewohner wohnt in einem von ihm selbst eingerichteten Apartment mit eigenem Zugang.

 

Zur Wohnstruktur gehören in der Regel eigene Telefonanschlüsse sowie Gemeinschaftseinrichtungen wie Café, Schwimmbad und Einkaufsmöglichkeiten im Haus, ferner zum Beispiel Bibliothek, Restaurant, Clubräume, Festsaal, Schwimmbad und Wellnessbereich. Insgesamt handelt es sich damit um eine anspruchsvolle Wohn- und Pflegeform mit betonter Selbstbestimmung des Alltags. Gleichzeitig soll Sicherheit durch Dienstleistungsangebote wie Betreuung, Reinigung der Wohnung, Notruf, Kommunikation, Kultur, Rezeptionsservice, wählbare Speisemenüs und eine zeitlich definierte Betreuung im Krankheitsfall geboten werden. Grundlage ist ein Pensionsvertrag, der zwischen dem Bewohner und dem Träger des Stifts zu Stande kommt.

 

Mit einem Vorsorgevertrag zwischen den Kranken- und Pflegekassen und einem hauseigenen ambulanten Pflegedienst werden Hilfen im Betreuungs- und Pflegefall „zusätzlich eingekauft.“ Denkbar sind auch stationäre Pflegebereiche.

 

Für die Einordnung von Seniorenstiften unter das Heimgesetz des Bundes bzw. die landeseigenen Heimgesetze gelten die obigen Ausführungen zum Geltungsbereich des Heimrechts. In diesem Umfang greift auch des WBVG.

 

Im Unterschied zum betreuten Wohnen bieten Seniorenstifte von vornherein vertraglich vereinbarte umfangreiche Serviceleistungen. Sie gewährleisten die Möglichkeit einer sehr selbstbestimmten Wohnform bei gesundheitlich uneingeschränkter Selbstständigkeit bis hin zu einer umfassenden Pflege im Falle einsetzender und fortschreitender Altersgebrechlichkeit sowie bei einer Demenzerkrankung.

4. Ausblick

Im Zuge fortschreitender demografischer Bedeutung altersgerechter Wohnformen soll das Heimrecht den durch die Vorgaben der Föderalismusreform gewonnenen Strukturen folgend vordringlich auf landesrechtlicher Ebene modernisiert und den Anforderungen des Wohnungsmarkts angepasst werden. Die hier vorgestellten Wohnformen sollen mit diesen Vorgaben neu geordnet werden. So plant das Bundesland Niedersachsen mit besonderer Betonung selbstbestimmter Wohnformen im Alter eine Novellierung des landeseigenen Heimgesetzes (Niedersächsisches Heimgesetz (NHeimG) vom 29.6.2011, Nbs. GVBl. Nr. 14/2011, Seite 196 ff). Unterschieden werden soll künftig zwischen vier Grundformen des Wohnens (vgl. die Pressemeldung des Nds. Sozialministeriums vom 11.11.13: „Cornelia Rundt: Wir unterstützen selbstbestimmte Wohnformen im Alter.“ - abzurufen unter http://www.ms.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/?cp=2) wie folgt:

 

a) Service Wohnen

Es handelt sich um ein ambulantes Angebot, bei denen die Pfleger zu den Menschen nach Hause kommen, und bei dem die Leistungen auf allgemeine Unterstützungsleistungen im Sinne des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes beschränkt bleiben. Das niedersächsische Heimgesetz soll dafür nicht gelten.

 

b) Selbstbestimmte Wohnformen

Darunter sollen ambulante Angebote, insbesondere Wohngemeinschaften, fallen, bei denen die Bewohner in einer häuslich pflegerischen Versorgungsumgebung leben. Zunächst sollen dabei die ambulanten Dienste frei wählbar sein. Ferner darf ein Wechsel des ambulanten Dienstes nicht die Verpflichtung zum Auszug aus der Wohnung zur Folge haben. Auch für diese Wohnform soll das niedersächsische Heimgesetz nicht gelten. Allerdings gelten Anzeigepflichten, Beratungsansprüche und ein anlassbezogenes Recht auf Prüfung vor Ort, ob es sich tatsächlich um eine selbstbestimmte Wohnform handelt.

 

c) Nicht selbstbestimmte Wohnformen

Innerhalb dieses ambulanten Angebots leben die Bewohner in einer häuslich-pflegerischen Versorgungsumgebung. Sie sind von den Anbietern ambulanter Leistungen abhängig und können diese Dienste nicht frei wählen. Wohnen und ambulante Dienstleistungen sind hier dauerhaft miteinander verbunden, was den Schutzbereich des landeseigenen Heimgesetzes eröffnet. Die Geltung von Rechtsverordnungen ist allerdings eingeschränkt: So wird der Zuschnitt der Mindestbauschuttvorschriften, der Heimpersonalverordnung und der Heimmitwirkungsverordnung beschränkt auf den notwendigen Verbraucherschutz in einer häuslichen Umgebung.

 

Weiterführender Hinweis

Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 123 | ID 43488099