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· Fachbeitrag · Erbausschlagung

Wer nicht erben will, muss handeln

von RA Karl-Heinz Steffens, Berlin

| Das Thema Erben und Vererben ist von hoher gesellschaftlicher Bedeutung: 52 Prozent der Deutschen haben eine Erbschaft gemacht oder rechnen damit. Auf der anderen Seite sind immer mehr Menschen von Altersarmut bedroht. Dann kann das Erbe nach Abzug der Bestattungskosten und andere Verpflichtungen nur noch aus Schulden bestehen. In diesen Fällen ist es ratsam, die Erbschaft ausschlagen. Dabei ist allerdings einiges zu beachten. |

1. Motivation der Erbausschlagung

Die Gründe, warum jemand ein Erbe ausschlägt können vielfältig sein:

 

  • Die Hauptmotivation für die Erbausschlagung ist die Überschuldung des Nachlasses. Um dessen Wert zu ermitteln, werden die Vermögensgegenstände aufgelistet und die Nachlassverbindlichkeiten dagegen gesetzt.

 

  • Ausschlagungen erfolgen auch aus rein persönlichen Motiven, weil man mit dem Verstorbenen und seinen Angelegenheiten nicht zu tun haben will. Für Vormund und Betreuer gelten dabei aber Einschränkungen.

 

  • Die Erbschaft kann auch zugunsten eines anderen ausgeschlagen werden. Insbesondere, um unerwünschte Erbfolgen zu korrigieren. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dann die noch lebenden Eltern erben. Sind sie im Alten- oder Pflegeheim sind, wird sich u. U. nur das Sozialamt freuen.

 

  • Auch eine sanierungsbedürftige Immobilie im Nachlass kann ein Grund sein. Der Erbe sollte es sich dann genau überlegen, ob er das Erbe antritt.

 

  • Schließlich kann das Erbe sich in der Privatinsolvenz befinden. Befindet sich der Erbe in der Privatinsolvenz, fällt eine Erbschaft in der Wohlverhaltensperiode zur Hälfte an den Insolvenzverwalter (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

 

Allein wegen der Schulden ist es nicht erforderlich ein Erbe auszuschlagen. Man kann die Erbschaft auch aus Pietät dem Verstorbenen gegenüber annahmen und bei Überschuldung im Wege der Nachlassinsolvenz ordnungsgemäß abwickeln. Nach § 1975 BGB kann die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränkt werden, wenn entweder eine Nachlassverwaltung angeordnet oder ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Dies bringt aber Kosten mit sich.

2. Ausschlagen gegenüber dem Nachlassgericht

Die Ausschlagung der Erbschaft ist gegenüber dem Nachlassgericht zu erklären. Dabei ist Folgendes zu beachten:

 

a) Erbschaftausschlagung ist formbedürftig

Die Erbausschlagung ist formbedürftig und erfolgt zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form (§ 1945 Abs. 1 BGB).

 

b) Erbausschlagung ist fristgebunden

Die Ausschlagung der Erbschaft ist an folgende Fristen gebunden:

  • Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Wochen (§ 1944 Abs. 1 BGB).
  • Wohnte der Erblasser im Ausland oder hält sich der Erbe bei Fristbeginn im Ausland auf, beträgt die Frist sechs Monate (§ 1944 Abs. 3 BGB).

 

c) Der Erbe muss Anfall der Erbschaft und die Erbenstellung kennen

Die Ausschlagungsfrist beginnt, wenn der Erbe vom Anfall der Erbschaft und von seiner Berufung zum Erben erfahren hat. Bei der Berufung durch Verfügung von Todes wegen beginnt die Frist nicht vor der Verkündung des Testaments oder des Erbvertrags durch das Nachlassgericht ( § 1944 Abs. 2 BGB).

 

Voraussetzung für sichere Kenntnis

Erst die sichere Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und vom Berufungsgrund setzen die Frist in Gang.

 

Checkliste / Sichere Kenntnis von Erbschaft und Erbenstellung

Bei der gesetzlichen Erbfolge ist folgendes Wissen erforderlich:

  • der Eintritt des Erbfalls
  • die Verwandtschaft zum Erblasser und
  • keine vorrangige Erben vorhanden

 

Bei der gewillkürten Erbfolge gilt:

  • Die Kenntnis vom Anfall der Erbschaft kann schon vor der Verkündung der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht vorhanden sein. Sie setzt aber die Ausschlagungsfrist noch nicht in Lauf (§ 1944 Abs. 2 S. 2 BGB).
  • In der Regel finden aktuell solche Verkündungen wegen des damit verbundenen Zeitaufwands nicht mehr statt, da dies nicht praxisgerecht ist (vgl. „ 2260 Abs. 1 S. 2 BGB). In der Regel beginnt die Ausschlagungsfrist wie folgt:
    • Anfall der Erbschaft
    • Berufungsgrund
    • Eröffnung der Verfügung von Todes wegen (BGH NJW 91, 169)
 

Das Nachlassgericht übersendet den Beteiligten eine Kopie der Verfügung von Todes wegen und das Eröffnungsprotokoll. Die Kenntnis des Berufungsgrunds liegt vor, wenn der Erbe weiß, dass er als Erbe eingesetzt ist. Die Einzelheiten der Verfügung von Todes wegen braucht er aber nicht zu kennen.

 

Eine Person, die das Sorgerecht für minderjährige Kinder hat, kann die Ausschlagung auch für diese Kinder erklären. Steht das Sorgerecht beiden Elternteilen zu, müssen beide Eltern im Namen des Kindes ausschlagen. Unter bestimmten Umständen ist dazu die Genehmigung des Familiengerichts nötig (§ 1643 Abs. 2 BGB). Hierzu ist ein Urteil des OLG Brandenburg ergangen, was hier zu beachten ist (23.1.14, 9 UF 16/13, Abruf-Nr. 140898).

 

d) Ergebnis der Erbenausschlagung

Wenn der Erbe sein Erbteil ausschlägt, verliert er sämtliche Ansprüche auf die Erbschaft. Er ist dann auch nicht mehr berechtigt, seinen Pflichtteil einzufordern. Schlägt er aus, erbt automatisch der Nächstberufene. Wer ausschlägt, sollte seinen erbenden Angehörigen bei einem überschuldeten Erbe mitteilen, dass das Erbe verschuldet ist.

 

Ehegatten können die Erbschaft ausschlagen, ohne ihren Anspruch auf den Pflichtteil zu verlieren. Zu empfehlen ist dies immer dann, wenn der verstorbene Ehegatte einen besonders hohen Zugewinn erwirtschaftet hat. Für den überlebenden Ehegatten ist es dann manchmal günstiger, die Erbschaft auszuschlagen und den Ausgleich des Zugewinns zu verlangen. Zusätzlich bekommt er vom restlichen Erbe noch seinen Pflichtteil.

 

e) Anfechtung der Ausschlagung

Wer überhastet das Erbe angenommen hat kann bei genauerer Betrachtung des Erbes ins Schwitzen kommen. Oder der Erbe hat unüberlegt das Erbe ausgeschlagen. Ist nun alles zu spät? Nicht unbedingt. Das Gesetz ist hier sehr pragmatisch formuliert: „ Die Anfechtung der Annahme gilt als Ausschlagung, die Anfechtung der Ausschlagung gilt als Annahme.“ Dafür muss aber ein Anfechtungsgrund vorhanden sein, z. B.

  • Wenn sich der Erbe in irgendeiner Form geirrt hat, entweder über die Ausschlagung an sich oder wegen einer Eigenschaft der Erbschaft,
  • wenn der Erbe die Existenz von Miterben nicht kannte oder
  • nicht wusste, dass der Nachlass gar nicht überschuldet war.
  • Wenn der Erbe durch Täuschung oder Drohung die Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen hat.

3. Unterlagen und Gebühren

Die Ausschlagung kann beim Notar oder beim Gericht durchgeführt werden.

 

Checkliste / Das wird für eine Erbausschlagung benötigt

  • Personalausweis oder Reisepass mit Meldebescheinigung
  • Sterbeurkunde ‒ ist keine Sterbeurkunde vorhanden, genügt es, wenn der Erbe den vollständigen Namen samt Geburtsnamen, das Sterbedatum und den letzten gewöhnlichen Aufenthalt der verstorbenen Person angibt.
  • Daten zu weiteren Erben
  • Minderjährige Kindern: Meist ist eine Genehmigung des Familiengerichts erforderlich. Sie muss innerhalb der Ausschlagungsfrist dem Nachlassgericht nachgewiesen werden.
  • Betreuer schlägt aus: Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich. Sie muss innerhalb der Ausschlagungsfrist dem Nachlassgericht nachgewiesen werden.
 

Die Ausschlagung der Erbschaft ist beim Notar und beim Gericht gebührenpflichtig. Die Gebühr richtet sich nach dem Wert des Nachlasses. Sie beträgt mindestens 30 EUR. Beim Notar müssen zusätzlich die Mehrwertsteuer und weitere Kosten (z. B. für Kopien und Porto) bezahlt werden.

Quelle: Ausgabe 10 / 2016 | Seite 182 | ID 44294224