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· Fachbeitrag · Erbunwürdigkeit

Aktive Sterbehilfe kann zur Erbunwürdigkeit führen

Erbunwürdig gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist auch der Erbe (hier: Ehegatte), der versucht, den seit Jahren nicht mehr geschäftsfähigen Erblasser zu töten (§§ 212 , 213 StGB). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Erblasser keine Patientenverfügung hinterlassen hat, keine Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB vorliegt, der Erbe nicht das Verfahren nach §§ 1901a ff. BGB eingehalten hat und sich auch sonst kein tatsächlich geäußerter Wille des Erblassers zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen ermitteln lässt (BGH 11.3.15, IV ZR 400/14, Abruf-Nr. 175840).

Sachverhalt

Die Eheleute hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben sowie ihre Kinder zu Schlusserben einsetzten. Die an Alzheimer erkrankte Erblasserin wurde 2002 nach einem Krankenhausaufenthalt in ein Alten- und Pflegeheim verlegt. Im Jahr 2003 erhielt sie nach einem epileptischen Anfall eine PEG-Sonde, über die ihr Nahrung, Flüssigkeit und Medikamente zugeführt wurden. Sie verließ das Krankenzimmer in der Folgezeit nicht mehr. Eine verbale Kommunikation mit ihr war nicht mehr möglich. Der als ihr Betreuer eingesetzte Ehemann besuchte sie regelmäßig. Der Ehemann war depressiv und hatte bereits einen Selbstmordversuch unternommen. Er durchtrennte mittels einer Schere den Verbindungsschlauch zur Magensonde der Erblasserin und widersprach einer erneuten Verbindung, nachdem das Pflegepersonal seine Handlung entdeckt hatte. Dem Pflegepersonal gelang es jedoch, die Verbindung zu reparieren. Die Erblasserin verstarb einen Monat später an einer Lungenentzündung, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Tat des Beklagten stand. Der Ehemann wurde wegen versuchten Totschlags in einem minder schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt.

 

Entscheidungsgründe

Gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist erbunwürdig, wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht hat. Die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit erfolgt durch Anfechtung des Erbschaftserwerbs im Wege der Anfechtungsklage gemäß §§ 2340, 2342 BGB. Anfechtungsberechtigt ist jeder, dem der Wegfall des Erbunwürdigen zustattenkommt (§ 2341 BGB).

 

Praxishinweis

Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB wird von den strafrechtlichen Tötungsdelikten i.S. des § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht erfasst. Dies rechtfertigt sich aus der Wertung des § 2343 BGB, weil eine Tötung auf Verlangen ebenso zu behandeln ist wie die Verzeihung. Hier liegt eine Tötung auf Verlangen nicht vor: Der Ehemann hat die Sonde durchschnitten, um sämtliche lebensverlängernden Maßnahmen zu beenden, obwohl es hierfür an einem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Einverständnis seiner Ehefrau gefehlt hat. Eine Patientenverfügung hatte die Ehefrau nicht. In dieser Lage bedarf die Einwilligung in den Abbruch der künstlichen Ernährung nach § 1904 Abs. 2 BGB grundsätzlich der betreuungsgerichtlichen Genehmigung.

Quelle: Ausgabe 10 / 2015 | Seite 166 | ID 43617715