Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Betreuung

Ohne Kenntnis vom Tod des Betreuten handelt der Betreuer als Vertreter der Erben

von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B.A., Leipzig

| Haftet ein Betreuer, wenn er für seinen kürzlich verstorbenen Betreuten noch Geldbeträge überweist? Das Hessische LSG sagt: Der Betreuer ist kein Verfügender, denn er handelt vertretungsweise. Dies gilt aber nur, wenn er noch nicht wusste bzw. auch noch nicht hätte wissen müssen, dass der Betreute verstorben ist. |

 

Sachverhalt

Eine Rechtsanwältin ist als Betreuerin für den B bestellt und hat Bankvollmacht. Am 28.10.10 verstirbt B. Sein Konto befindet sich zu diesem Zeitpunkt im Soll. Am 29.10.10 geht die Rentenzahlung des B für November ein (900 EUR). Die Betreuerin überweist noch am gleichen Tag 860 EUR vom Konto des B. Sie erfährt erst am 1.11.10 telefonisch von der Tochter des B, dass er verstorben ist. Noch am selben Tag informiert sie die Rentenversicherung über den Tod des B. Die Versicherung will die November-Rente zurückbuchen, erhält jedoch nur anteilig 40 EUR zurück, da das Konto nicht ausreichend gedeckt ist. Sie verlangt die Differenz von 860 EUR von der Betreuerin (Klägerin). Vor dem SG Kassel unterliegt die Rentenversicherung (Beklagte). Das Hessische LSG bestätigte jetzt die Entscheidung.

 

Der gesetzliche Betreuer eines Versicherten, der in Unkenntnis von dessen Tod Überweisungen von dessen Konto tätigt, ist nicht Verfügender im Sinne von § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI und deshalb dem Rentenversicherungsträger nicht zur Erstattung von Gelddienstleistungen verpflichtet, die nach dem Tod des Versicherten zu Unrecht erbracht worden sind (Abruf-Nr. 186964).

 

Entscheidungsgründe

Die Klägerin muss der Beklagten die überzahlte Rente nicht erstatten. Hat ein Berechtigter nach seinem Tod zu Unrecht Geldleistungen erhalten, sind gem. § 118 Abs. 4 SGB VI die Empfänger oder Verfügungsberechtigten heranzuziehen. Die Klägerin war zwar Betreuerin und hatte beide Beträge auch selbst vom Konto des Betreuten überwiesen. Sie tat dies allerdings nicht für sich, sondern handelte stets vertretungsweise für einen anderen. Damit hat sie nicht verfügt. Wird eine Person rechtsgeschäftlich oder gesetzlich vertreten, ist grundsätzlich nicht der Vertreter, sondern der Vertretene der Verfügende i. S. v. § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI.

 

Daran ändert nichts, dass der Betreute zu dem Zeitpunkt nicht mehr lebte, als die Klägerin die Beträge überwies. Aber: Wenn der Betreute stirbt, wird ein neues Vertretungsverhältnis zwischen dem Betreuer und den Erben begründet. Dieses besteht so lange, bis der Betreuer vom Tod erfährt oder davon Kenntnis haben müsste. Die Klägerin hat daher für die Erben gehandelt, als sie am 29.10.10 die Beiträge überwies. Deshalb sind die Erben hinsichtlich der überzahlten Rente gegenüber der Versicherung erstattungspflichtig.

 

Die Klägerin wäre nur Verfügende gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass der Betreute verstorben ist oder dies hätte wissen müssen. Sie handelte gutgläubig, denn sie erfuhr erst am 1.11.10, dass B verstorben war.

 

Relevanz für die Praxis

Erben sollten Betreuer unmittelbar nach dem Tod des Betreuten benachrichtigen. Geschieht dies telefonisch, kann im zusammen mit einem Zeugen bei dem Betreuer angerufen werden. Dies vor allem, wenn aufgrund des Todeszeitpunkts (hier Monatswende) mit Gutschriften zu rechnen ist, die im Voraus gezahlt werden und nicht behalten werden können. Das LSG hat auch erklärt, dass dasselbe für Banken gilt: Wissen sie, dass der Betreute verstorben ist, sind sie erstattungspflichtig und haben der Rentenversicherung Gelder zurückzuzahlen. Denn Geldleistungen, die nach dem Tod des Berechtigten eingehen, werden gem. § 118 Abs. 3 SGB VI unter Vorbehalt erbracht.

 

MERKE | Ein Betreuer wird nach dem VBVG (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz) taggenau bis zum Tod des Betroffenen vergütet. Ist der Betreuer zunächst weiter tätig, da er von dem Tod des Betreuten noch nichts weiß, kann allenfalls in analoger Anwendung von § 6 S. 1 VBVG und nicht pauschal nach den §§ 4, 5 VBVG vergütet werden (BGH 6.4.16, XII ZB 83/14).

 

 

Weiterführender Hinweis

  • Knapp daneben: Aufgabenkreise des Betreuers, SR 16, 2
Quelle: Ausgabe 07 / 2016 | Seite 115 | ID 44104782