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· Fachbeitrag · Betreuungsrecht

Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme

| Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf keiner betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901a Abs. 1 BGB) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. |

 

Im Übrigen differenziert § 1901a Abs. 2 S. 1 BGB zwischen den Behandlungswünschen einerseits und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen andererseits (BGH 17.9.14, XII ZB 202/13, MDR 14, 1319, Abruf-Nr. 172386). Der zulässige Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen setzt nicht voraus, dass eine Grunderkrankung mit einem „irreversibel tödlichen Verlauf“ vorliegt.

 

Dafür, ob der tatsächliche oder mutmaßliche Wille eines aktuell einwilligungsunfähigen Betroffenen verbindlich ist, kommt es nicht auf die Art und das Stadium der Erkrankung an, § 1901a Abs. 3 BGB. Dafür, wie der behandlungsbezogene Patientenwille festzustellen ist, gelten strenge Beweismaßstäbe. Sie müssen der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter Rechnung tragen. Dabei ist nicht danach zu differenzieren, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorsteht oder nicht (BGH MDR 14, 131 in Abgrenzung zu BGH FamRZ 03, 748).

 

Liegt eine bindende Patientenverfügung vor, muss der Betreuer diese umsetzen, § 1901a Abs. 1 S. 2 BGB. Das Genehmigungserfordernis des § 1904 Abs. 2 BGB greift, wenn nicht sämtliche Voraussetzungen einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901a Abs. 2 BGB) vorliegen oder diese nicht auf die konkrete Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Da in diesem Fall der bekundete Wille des Betreuten nicht unmittelbar bindend ist (Palandt/Götz, BGB, 74. Aufl., § 1901a Rn. 17), muss der Betreuer nach § 1901a Abs. 2 BGB entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme einwilligt. Dabei muss er den Behandlungswünschen oder dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen Geltung verschaffen.

 

MERKE | Will der Betreuer darin einwilligen, dass lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden, muss das Betreuungsgericht dies genehmigen, wenn nicht ein Einvernehmen zwischen Betreuer und behandelndem Arzt vorliegt, § 1904 Abs. 4 BGB. § 1904 Abs. 4 BGB soll sicherstellen, dass eine gerichtliche Genehmigung nur in Konfliktfällen erforderlich ist.

 

Liegt kein Verdacht auf Missbrauch vor, soll die Umsetzung des Patientenwillens nicht durch ein gerichtliches Verfahren belastet werden (BT-Drucks. 16/8442, S. 19). Das Betreuungsgericht muss den Abbruch genehmigen (§ 1904 Abs. 2 BGB), wenn einer der Handelnden bezweifelt, dass das Vorgehen dem Willen des Betroffenen entspricht (MüKo/Schwab, BGB, 6. Aufl., § 1904 Rn. 53). Im Hinblick auch auf die psychische Belastung der Angehörigen kann auch ein sog. Negativattest beantragt werden. Auch wenn ein Einvernehmen i. S. v. § 1904 Abs. 4 BGB vorliegt, muss das Gericht ein Negativattest erteilen, aus dem sich ergibt, dass keine gerichtliche Genehmigung erforderlich ist (MüKo/Schwab, a.a.O., § 1904 Rn. 56; a.A. Palandt/Götz, a.a.O., § 1904 Rn. 22).

 
Quelle: Ausgabe 05 / 2016 | Seite 77 | ID 43626931