· Fachbeitrag · Betreuungsrecht
Hier muss ein Verfahrenspfleger bestellt werden
| Umfasst eine Betreuung weitgehend alle wesentlichen Lebensbereiche, muss das Gericht grundsätzlich einen Verfahrenspfleger bestellen. Unerheblich ist, wenn der Betroffenen in kleineren Bereichen noch entscheiden darf, so der BGH. Bestellt das Gericht keinen Verfahrenspfleger, muss es dies begründen. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Die Betroffene litt an einer paranoiden Schizophrenie. Das AG hatte eine Betreuung mit weit reichendem Aufgabenkreis angeordnet, u. a. Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Heimplatzangelegenheiten, Postverkehr, Vermögensangelegenheiten sowie die Vertretung gegenüber Behörden. Die Betroffene legte Beschwerde ein, die das LG zurückwies.
Der BGH wies die Sache an das LG zurück (11.9.19, XII ZB 537/18, Abruf-Nr. 211854). Er machte deutlich, dass ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Dies ist gem. § 276 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 FamFG in der Regel der Fall, wenn ein Betreuer für alle Angelegenheiten bestellt bzw. der Aufgabenkreis entsprechend erweitert werden soll. Hiervon ist abzusehen, wenn offensichtlich kein Interesse des Betroffenen besteht, dass ein Verfahrenspfleger bestellt wird. Das Rechtsbeschwerdegericht muss prüfen, ob die den Tatsacheninstanzen obliegende Entscheidung ermessensfehlerfrei getroffen wurde.
Regelmäßig muss bereits ein Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn es als möglich erscheint, dass eine Betreuung in allen Angelegenheiten angeordnet wird. Hierfür spricht, wenn der angeordnete Aufgabenkreis ‒ wie hier ‒ alle wesentlichen Bereiche der Lebensgestaltung des Betroffenen umfasst. Das LG hatte entgegen § 276 Abs. 2 S. 2 FamFG nicht begründet, warum es keinen Verfahrenspfleger bestellt hatte. Daher konnte der BGH weder prüfen, ob das Gericht von seinem Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht hat, noch ob die Entscheidung ermessensfehlerfrei ergangen ist.
Relevanz für die Praxis
Auch wenn „alle wesentlichen Lebensbereiche“ angesprochen sind, können Ihren Mandanten einige restliche Bereiche verbleiben, in denen sie autonom handeln. Wird jedoch beinahe für alle Angelegenheiten Betreuungsbedarf angenommen, ist ein Verfahrenspfleger zu bestellen. Denn etwaig vorhandene Restbereiche, in denen eigenverantwortlich gehandelt werden kann, bedeuten dann keinen nennenswerten Handlungsspielraum (BGH 25.4.18, XII ZB 528/17). Vertreten Sie Ihren Mandanten im Betreuungsverfahren, oder wird er durch einen anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten, ist kein Verfahrenspfleger zu bestellen (§ 276 Abs. 4 FamFG).
Weiterführende Hinweise
- Gericht muss Vorwürfen gegen den potenziellen Betreuer nachgehen, SR 19, 57
- Geschulte Verfahrenspfleger: Werdenfelser Weg vermeidet freiheitsentziehende Maßnahmen, SR 18, 15