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· Fachbeitrag · Demenzerkrankung

Heirat/Scheidung/Umgangsrecht: Demente können partiell geschäftsfähig sein

von RA Thomas Stein, FA Erbrecht und Familienrecht, Limburg/Lahn

| Wer an Demenz erkrankt ist, ist keineswegs automatisch geschäftsunfähig. Selbst eine stärkere Erkrankung ist nur ein erstes Indiz. Es gibt keine sicheren Verfahren oder Erkenntnisquellen, um die Geschäftsunfähigkeit bei Demenz sicher und absolut zuverlässig zu klären. Entscheidend ist immer die Gesamtbetrachtung des Einzelfalls. |

1. Demenz und Heirat

Auf den ersten Blick scheint eine Demenz einer Eheschließung entgegen zu stehen, sagt doch § 1304 BGB: „Wer geschäftsunfähig ist, kann eine Ehe nicht eingehen.“ Dies leuchtet auf den ersten Blick ein, hat jedoch bereits das BVerfG auf den Plan gerufen, das die Eheschließungsfreiheit durch Art. 6 Abs. 1 GG besonders geschützt sieht (BVerfG NJW 03, 1382). Selbst wenn in anderen Bereichen ein Demenzkranker als geschäftsunfähig zu beurteilen ist, kann für die Eheschließung eine partielle Geschäftsfähigkeit angenommen werden, wenn er nur einen diesbezüglichen natürlichen Willen bilden kann. Es soll genügen, wenn er die Ehe nicht mit all ihren Auswirkungen erfassen, wohl aber noch Vorstellungen vom „Wesen der Ehe“ entwickeln kann.

 

Diese Rechtsprechung ist natürlich im Einzelfall problematisch und ihre Ergebnisse sind kaum vorhersehbar. Jeder Familienrechtler weiß, dass oft nicht einmal Gesunde das „Wesen der Ehe“ begreifen. Ob Ehegeschäftsfähigkeit in diesem Sinne vorliegt, wird vom Standesbeamten oder im Streitfall vom Gericht geklärt. Bei der Beweisaufnahme sind behandelnde Ärzte wichtige Zeugen, im Zweifel ist ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Hierbei ist der Demenzkranke dann eingehender zu befragen, wird am Ende Ehegeschäftsfähigkeit attestiert, darf er heiraten. Ob Betreuer oder Bevollmächtigte mit der Heirat einverstanden sind, ist unerheblich. Eine ohne Ehegeschäftsfähigkeit eingegangene Ehe ist auf Antrag der zuständigen Behörde, eines Betreuers oder Bevollmächtigten aufzuheben. Es bedarf einer familiengerichtlichen Genehmigung (§ 125 Abs. 2 FamFG).

2. Demenz und Scheidung

Für Demenzkranke ist eine Ehescheidung grundsätzlich möglich, wobei Besonderheiten zu beachten sind. Der Demenzkranke gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 FamFG als nicht verhandlungsfähig, für ihn handeln die gesetzlich dazu befugten Personen, in der Regel ein Betreuer mit entsprechendem Aufgabenkreis, nicht aber ein Bevollmächtigter. Der Scheidungsantrag bedarf der Genehmigung durch das Betreuungsgericht (§ 125 Abs. 2 FamFG).

 

Materiell-rechtlich ist Voraussetzung für eine Scheidung grundsätzlich der Ablauf eines Trennungsjahres. Ob das dazu erforderliche Getrenntleben vorliegt oder nicht, ist anhand der Verhältnisse der betroffenen Eheleute zu prüfen. Hierbei gibt es objektive wie subjektive Momente.

 

Kann der an Demenz erkrankte Ehegatte keinen natürlichen Willen mehr bilden und äußern, dann ist die Einstellung des gesunden Ehegatten maßgeblich. Will er die Ehe fortsetzen und ist dies als ernsthaft und glaubwürdig einzustufen, wird die Ehe nicht geschieden. Will der gesunde Ehegatte die Scheidung, so kommt es nur auf seinen Willen an, wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, wird die Ehe geschieden. Wenn der demenzkranke Ehegatte noch seinen natürlichen Willen äußern kann, ist dieser zu bewerten, egal in welche Richtung.

 

Die Behandlung der Scheidungsfolgesachen erfolgt nach den allgemeinen Regeln, was bedeutet, der Betreuer hat sich verfahrensmäßig um diese zu kümmern. Er benötigt dabei keine Genehmigung des Betreuungsgerichts.

3. Demenz und Umgangsrecht

Aus der Praxis und den Medien ist bekannt, dass immer häufiger Fälle vorkommen, bei denen Bevollmächtigte für eine völlige Abkapselung ihrer oft kranken Vollmachtgeber sorgen und alle Kontakte zu Angehörigen, Bekannten etc. erfolgreich unterbinden. Diese Fälle richten das Augenmerk auf die Frage, wie steht es um ein Umgangs- oder Besuchsrecht dieser Personenkreise mit dem Demenzkranken. Mit wem der Demenzkranke zusammenkommt, hängt in erster Linie von seinem natürlichen Willen ab, soweit dieser noch gebildet und ermittelt werden kann. Ist dies nicht der Fall, entscheidet sein Betreuer oder sein Bevollmächtigter. Entscheidungsmaßstab sollte der mutmaßliche Wille des Demenzkranken sein. Es hat in diesem Zusammenhang sogar schon Verfahren wegen des Aufenthalts von betroffenen Demenzkranken gegeben. Dies gibt es z.B. in der Gestaltung, dass ein Ehepartner oder eine verwandte Person gegen den Willen des Betreuers einen Demenzkranken zu sich nimmt. Hier müssen dann die Gerichte über die Herausgabe des Betreuten (so wörtlich OLG Frankfurt in FamRZ 03, 964) entscheiden. Hierbei ist nach der genannten Entscheidung die betreute Person vom Gericht anzuhören.

 

FAZIT | Bei der Beurteilung der Rechtslage muss immer im Fokus bleiben, dass sie in diesem Bereich von großen Unwägbarkeiten und Ermessensspielräumen geprägt ist. Sowohl der Gesetzgeber als auch die Gerichte und die beteiligten Personen stoßen schnell an ihre Grenzen. Freiräume, die leider nicht selten auch nachteilig genutzt werden, sind unvermeidbar. Fälle von Missbrauch durch Bevollmächtigte, aber auch Betreuer, nehmen zu. Für die an Demenz Erkrankten ist zu hoffen, dass die Rechtsprechung dem mit der gebotenen Entschiedenheit entgegentritt, gerade die Schwächsten verdienen unseren Schutz.

 

Weiterführender Hinweis

  • Zur Problematik s.a. Schäfer, NZFam 14, 676
  • Zum Missbrauch einer Vorsorgevollmacht, Meier, SR 14, 170
Quelle: Ausgabe 02 / 2015 | Seite 28 | ID 43185656