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· Fachbeitrag · Patientenverfügung

Patientenverfügung für den Corona-Fall

von RA Thomas Stein, FA Familien- und Erbrecht, Limburg an der Lahn

| Die Corona-Krise hat uns alle fest im Griff. In den bisherigen Patientenverfügungen ist das die Krise auslösende Virus mit all seinen Konsequenzen logischerweise noch nicht bedacht. Der Beitrag beantwortet die Frage, ob eine entsprechende Ergänzung der Patientenverfügung möglich und sinnvoll ist und, wenn ja, wie sie umgesetzt werden kann |

1. Die gesundheitlichen Auswirkungen von Corona

Es gibt vier typische Lebens- und Behandlungssituationen, für die Patientenverfügungen gedacht sind. In der Regel sind dies der Sterbeprozess, das Endstadium einer tödlich verlaufenden Krankheit, die fortgeschrittene Demenz und das sogenannte Wachkoma (Kurze in: Vorsorgerecht 2017, § 1901a BGB Rn. 27). Eine Corona-Infektion ist nicht dabei.

 

Bei ihr führt eine Entzündung und Schwellung des Gewebes zwischen den Lungenbläschen zur Erkrankung. Dadurch wird der Gasaustausch von Sauerstoff und Kohlendioxid erschwert oder kommt zum Erliegen. Befallen weitere Bakterien die Lunge, können zusätzlich die Lungenbläschen selbst von der Entzündung betroffen sein. All dies führt dann zum Lungenversagen.

 

Wenn man daran denkt, in die Patientenverfügung eine Art Corona-Klausel einzubauen, muss man sich vergegenwärtigen, wie die Beatmung verläuft:

 

  • Zunächst kommt die eigenständige Nasenbeatmung.
  • Dann kommt die eigenständige Maskenbeatmung.
  • Wenn all dies nicht hilft, werden die Patienten ins künstliche Koma gelegt, ein Schlauch wird in die Luftröhre eingeführt, so erfolgt dann die sogenannte invasive Beatmung. Angeblich soll der Patient davon nichts mitbekommen, wirklich sicher ist dies jedoch nicht. Auf jeden Fall wird der Patient in diesem Stadium rundum versorgt und bedarf ständiger Überwachung.

 

Die letzte Phase der sogenannten maschinellen Beatmung mittels Intubation dauert meist etwa zwei bis drei Wochen, kann aber auch länger dauern. Sie erfolgt zumindest teilweise in nach Schilderung von Medizinern äußerst vorsichtig vorzunehmender Bauchlagerung im Wechsel mit der Rückenlagerung. Dadurch soll der Gasaustausch in den Lungen, also das Verhältnis von Ventilation und Durchblutung, verbessert werden.

 

Ca. 50 % der Patienten sollen diese dritte und letzte Phase der Beatmung nicht überleben. Von den übrigen 50 sollen ungefähr 90 % durch die Beatmung bleibende Schäden davontragen. Nach einem Bericht der Illustrierten „stern“ überleben in New York sogar bis zu 80 % der Patienten die dritte Beatmungsphase nicht. Die Gründe hierfür sind noch völlig offen. Offenbar hängt sehr viel vom jeweils individuellen Zustand des Patienten ab.

2. Ist eine Patientenverfügung sinnvoll?

Für hochbetagte und körperlich bereits geschädigte Menschen muss der Gedanke erlaubt sein, bei einer Corona-Erkrankung die dritte Beatmungsphase, also die maschinelle Beatmung per Intubation, zu untersagen. Dies passt zur jüngst ergangenen Entscheidung des BVerfG für die Sterbebegleitung (SR 20, 49) ebenso, wie für das mit einer Patientenverfügung in der Regel verfolgte generelle Ziel, selbstbestimmt und möglichst in Würde aus dem Leben zu scheiden.

 

Der Facharzt, Hospizgründer und Buchautor Dr. de Ridder hat in einem Interview sinngemäß erklärt, dass ein 92-jähriger Patient mit schlechter Prognose nicht mehr auf die Intensivstation gehört. Er muss auch nicht über Wochen künstlich beatmet werden. Dies ist nach Ansicht von de Ridder leidvolle Sterbeverzögerung statt sinnvoller Lebensverlängerung. Solche Sterbeverzögerung bezeichnet er ausdrücklich als unethisch. Stattdessen verlangt er eine gute palliative Versorgung unter besonderer Beachtung der Lebensqualität („stern“ Ausgabe vom 8.4.20, S. 48 f.).

3. Wie lässt sich all dies in der Praxis umsetzen?

Als Formulierung kommt in Betracht:

 

Musterformulierung / Patientenverfügung Corona

Sollte ich am Corona-Virus erkranken und künstlich beatmet werden müssen, gilt Folgendes:

 

  • 1. Ich verlange bei entsprechender Indikation die Durchführung einer Nasen- und Maskenbeatmung.
  • 2. Eine maschinelle Beatmung mittels Intubation untersage ich ausdrücklich. Stattdessen will ich dann palliativ bestmöglich versorgt werden.
 

Um diese Formulierung in die Patientenverfügung einzubauen, muss diese nicht komplett neu geschrieben werden. Bei bestehender Patientenverfügung genügt es, die vorstehende Formulierung als eigenständige Ergänzung zu verwenden und an die Patientenverfügung anzuheften. Sie muss unterzeichnet werden. Eine Unterschriftsbeglaubigung ist nicht erforderlich.

 

In manchen Fällen kann der Betroffene aber wegen seines Krankheitszustands eine Patientenverfügung oder auch nur eine Ergänzung nicht mehr bewerkstelligen. Daher sollten sich Angehörige und insbesondere auch Vorsorgebevollmächtigte rechtzeitig intensiv mit der Frage auseinandersetzen, was denn der mutmaßliche Wille des Betroffenen in dieser speziellen, vom Corona-Virus ausgelösten Situation ist. Ohne eine solche Vorbereitung besteht anderenfalls in der konkreten Situation die Gefahr, dass allein wegen der Unsicherheit und Unentschlossenheit der Angehörigen und/oder Vorsorgebevollmächtigten noch Behandlungen durchgeführt werden, die der Betroffene strikt abgelehnt hätte.

Quelle: Ausgabe 05 / 2020 | Seite 89 | ID 46519749