· Fachbeitrag · Vorsorgerecht
Impfklausel in der Patientenverfügung
von RA Thomas Stein, FA Erb- und Familienrecht, Limburg an der Lahn
| Die Patientenverfügung ist das Mittel der Selbstbestimmung, um über das Ob und Wie sowie die Art und Weise ärztlicher und ggf. pflegerischer Maßnahmen und Eingriffe selbst entscheiden zu können. Der Betroffene hat damit die Kontrolle inne, wenn die Entscheidungsfähigkeit nicht mehr vorhanden ist. Bildhaft ausgedrückt ist sie das „imaginäre Gespräch mit dem Arzt der Zukunft“ (Doering-Striening in Horn, Anwaltformulare Vorsorgevollmachten, 2019, § 4 Rn. 33). |
1. Impffrage regeln
Die vorherrschende Pandemie und die mit ihr einhergehenden Impfmöglichkeiten legen es nahe, auch diesbezüglich eine Regelung in Patientenverfügungen aufzunehmen, ganz gleich wie die jeweils generelle Einstellung zur Impffrage aussieht. Der ganze Bogen spannt sich von völliger Ablehnung bis zur Wahrnehmung jeglicher Impfmöglichkeit.
Ohne eine Regelung zur Impffrage wird man in der Praxis davon ausgehen dürfen, dass Betreuer und Bevollmächtigte sich an einer Art mittlerer Lösung orientieren, es sei denn, die betreffende Person hat beispielsweise in besonders deutlicher Art und Weise ihren Willen zur Impffrage erklärt, so zum Beispiel, dass sie jegliche Impfung ablehnt oder umgekehrt jegliche Impfmöglichkeit wahrgenommen wissen möchte. Daher führt die Impfklausel für beide Beteiligte in einem Betreuungs- oder Bevollmächtigungsverhältnis zum Vorteil: Der Aussteller der Patientenverfügung wird nach seinen Wünschen behandelt und dem Betreuer oder Bevollmächtigten ist die Entscheidung zur Impffrage abgenommen. Neuhochdeutsch spricht man von einer Win-Win-Situation.
PRAXISTIPP | Interessanterweise hat das Bundesverfassungsgericht in einer ganz aktuellen Entscheidung eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Dabei ist es darum gegangen, dass ein Betreuer von den unteren Instanzen aus dem Amt entlassen worden ist, weil er in drei Betreuungsverfahren der Impfung der von ihm betreuten Personen entgegengewirkt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verhinderung der Impfung ausdrücklich als einen die Entlassung rechtfertigenden Pflichtenverstoß bezeichnet (Beschluss 30.5.21, I BvR 1211/21, FamRZ 21, 1146). |
2. Öffnungsklausel in Patientenverfügung
Damit bleibt die Frage, ob in der Patientenverfügung zur Impffrage eine Art Öffnungsklausel vorgesehen werden sollte. Diese Frage stellt sich schon deswegen, weil der Stand der Medizin ständig fortschreitet und es daher in dem Zeitpunkt der Anwendung der Patientenverfügung Möglichkeiten geben kann, die bei ihrer Errichtung noch gar nicht absehbar sind.
Gesetzgeber und Stimmen in der Literatur (Albrecht u. a., Die Patientenverfügung, 2. Aufl. 2018, Rn. 305) gehen zwar von Folgendem aus: Wenn die frühere Entscheidung und Festlegung von der aktuellen Lebenssituation abweicht, haben Betreuer oder Bevollmächtigte sogar die Pflicht, die frühere Festlegung außer Acht zu lassen und den mutmaßlichen Willen der betroffenen Person in der aktuellen Situation zu erforschen. Aber: Eine Öffnungsklausel kann hierbei die Entscheidung erleichtern, von einer sonst rigiden Festlegung abzuweichen und die aktuelle Situation angemessen zu berücksichtigen und zu bewältigen.
Bedenkt man, dass man auch mit einer noch so konkreten Patientenverfügung dem Schicksal sprichwörtlich nicht in die berühmten Speichen greifen kann, dann sollte man auf eine vorbeugende Öffnungsklausel nicht verzichten.
3. Impfklausel formulieren
Soweit ersichtlich, gibt es für eine Impfklausel in Patientenverfügungen noch keine Formulierungsvorschläge. Sie könnte in der Praxis aber wie folgt aussehen:
Musterformulierung / Impfklausel in Patientenverfügung |
Bezüglich zukünftiger Impfungen, speziell gegen Viren, bestimme ich Folgendes:
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Von der Form her bedeutet die Anreicherung der Patientenverfügung um eine Impfklausel nicht, dass die Patientenverfügung komplett neu errichtet werden muss. Es genügt vielmehr eine Ergänzung in Urkundenform und in Maschinenschrift, die unterzeichnet und an die bestehende Patientenverfügung angetackert werden sollte. Allerdings sollte die damit verbundene Beschäftigung mit der bereits bestehenden Patientenverfügung Anlass für eine Prüfung sein, ob die Patientenverfügung im Übrigen noch aktuell ist, ob sie beispielsweise eine Corona-Klausel enthält oder nicht.