· Fachbeitrag · Leserforum
Private Grundstücksgeschäfte bei einem selbstgenutzten Haus
von StB Christoph Wenhardt, Brühl
| Wann ist der Verkauf eines selbstgenutzten Hauses einkommensteuerpflichtig? Der Senior S, der u. a. eine selbstgenutzte Immobilie hat, stellt an Sie als Rechtsanwalt die folgenden Fragen: |
Frage 1: Ist der Verkauf einer selbstgenutzten Immobilie (begünstigtes Wirtschaftsgut) innerhalb eines Zehnjahreszeitraums einkommensteuerpflichtig?
Antwort: Hat der Grundstücksübergeber selbst in der Immobilie gewohnt und ist die zehnjährige Frist für ein privates Veräußerungsgeschäft noch nicht abgelaufen (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG), liegt keine steuerpflichtige Veräußerung vor, wenn das Grundstück
- a) im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder
- b) im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde.
Darüber hinaus unterliegt auch der Grund und Boden, der zu einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude gehört, nicht der Veräußerungsgewinnbesteuerung.
PRAXISTIPP | Begünstigte Wirtschaftsgüter i. d. S. sind insbesondere Gebäude, selbstständige Gebäudeteile, Eigentumswohnungen und in Teileigentum stehende Räume. |
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Der Senior S hat sich in 2012 ein Einfamilienhaus gekauft, in dem er bis zu dessen Verkauf im März 2020 gewohnt hat.
Lösung Der Verkauf des selbstgenutzten Einfamilienhauses ist nicht einkommensteuerpflichtig.
Im Falle eines unentgeltlichen Erwerbs wird die Nutzung des Wirtschaftsguts zu eigenen Wohnzwecken durch den Rechtsvorgänger dem Rechtsnachfolger zugerechnet. Hierunter fällt die Gesamtrechtsnachfolge und die unentgeltliche Einzelrechtsnachfolge (siehe BMF-Schreiben 5.10.00, IV C3 ‒ S 2256 ‒ 263/00, BStBl. I 2000, S. 1383, Tz 26). |
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Der Senior S hat sich in 2014 ein Einfamilienhaus gekauft. Im Mai 2019 verstirbt S und wird von der Tochter T als Alleinerbin beerbt. Diese zieht zunächst in dasEinfamilienhaus. Im Juni 2020 verkauft T das geerbte Haus an den Erwerber E. Es ergibt sich für T ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 105.000 EUR.
Lösung Der bei dem Verkauf des Einfamilienhauses erzielte Veräußerungsgewinn ist von der Besteuerung ausgenommen, da zwischen Anschaffung und Veräußerung eine ununterbrochene Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gegeben ist. Die Nutzung des S wird hier der Tochter T zugerechnet. |
PRAXISTIPP | Aus erbschaftsteuerlicher Sicht bleibt der Erwerb steuerfrei, sofern die Voraussetzungen für ein Familienheim gegeben sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG). Wird das Familienheim jedoch innerhalb eines Zehnjahreszeitraumsverkauft, dann kommt es zur rückwirkenden Nachversteuerung. |
Frage 2: Kann auch ein unbebautes Grundstück ein begünstigtes Wirtschaftsgut sein?
Antwort: Handelt es sich um ein unbebautes Grundstück, welches innerhalb der Zehnjahresfrist veräußert wird, dann liegt kein begünstigtes Wirtschaftsgut vor. Daher wird ein erzielter Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG besteuert.
Frage 3: Wann liegt die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor?
Antwort: Es wird verlangt, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.
- a) Wohnzwecke: Ein Wirtschaftsgut dient Wohnzwecken, wenn es dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu ermöglichen.
- Dagegen dient das Wirtschaftsgut nicht zu Wohnzwecken, wenn es sich um eine Ferienwohnung handelt; gleiches gilt für ein Arbeitszimmer.
- b) Nutzung zu eigenen Wohnzwecken: Das Wirtschaftsgut muss vom Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sein. Diese Voraussetzung ist immer dann erfüllt, wenn er das Wirtschaftsgut allein, mit seinen Familienangehörigen oder gemeinsam mit einem Dritten bewohnt hat. Auch eine unentgeltliche Überlassung zu Wohnzwecken kann begünstigt sein, sofern diese an ein Kind erfolgt, für das der Steuerpflichtige entweder Kindergeld oder den Kinderfreibetrag erhält. Die Überlassung an andere Angehörige ist dagegen nicht begünstigt (siehe BMF-Schreiben 5.10.00, IV C3 ‒ S 2256 ‒ 263/00, BStBl. I 2000, S. 1383, Tz 23).
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Der Senior S verkauft eine Immobilie, die er an seinen Bruder unentgeltlich überlassen hat. Erworben hat S die Immobilie im Februar 2014, die Veräußerung erfolgt im April 2020.
Lösung Es liegt keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor. Damit ist von einem steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG auszugehen. |
Frage 4: Was bedeutet eigene Nutzung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren?
Antwort: Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken muss über einen zusammenhängenden Zeitraum vorliegen, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt.
Es genügt hierbei, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut im Jahr der Veräußerung zumindest am 1. Januar, im Vorjahr der Veräußerung durchgehend sowie im zweiten Jahr vor der Veräußerung mindestens am 31. Dezember zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.
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Der Senior S hat am 1.7.18 eine Immobilie angeschafft. Bis zum 30.12.18 hat er diese vermietet. Ab dem 31.12.18 ist er in die Immobilie eingezogen und bewohnt diese bis zum 1.1.20 ununterbrochen. Danach veräußert er die Immobilie an den Erwerber E.
Lösung Der Grundstücksverkauf führt zu keiner steuerpflichtigen Veräußerung. Denn der S hat das Grundstück drei Jahre ununterbrochen selbst genutzt. |
Frage 5: Wie wirkt sich in der Frage 4 eine Vermietung zwischen Selbstnutzung und Veräußerung aus?
Antwort: Eine ab der Selbstnutzung erfolgende Vermietung wird von der Finanzverwaltung als unschädlich eingestuft, daher liegt auch hier kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vor (siehe BMF-Schreiben 17.6.20, IV C 1 ‒ S 2256/08/100006 und BFH 3.9.19, IX R 10/19).
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Ergänzung des Beispiels in Frage 4: Zwischen dem 2.1.20 und dem 30.6.20 vermietet S die Immobilie, am 1.7.20 verkauft er diese.
Lösung Die Vermietung hat keine steuerschädliche Konsequenz; die Veräußerung ist demnach nicht einkommensteuerpflichtig. |
Frage 6: Was ist, wenn die Immobilie innerhalb der dreijährigen Selbstnutzung (Frage 1) vorübergehend vermietet wird?
Antwort: Wird die selbstgenutzte Immobilie dagegen im Vorjahr der Veräußerung kurzfristig vermietet, dann muss der Veräußerungsgewinn versteuert werden (siehe BMF-Schreiben 17.6.20, IV C 1 ‒ S 2256/08/100006 und BFH 3.9.19, IX R 10/19).
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Der Senior S hat am 1.7.17 eine Immobilie angeschafft. Bis zum 30.12.17 hat er diese vermietet. Ab dem 31.12.17 ist er in die Immobilie eingezogen. S bewohnt die Immobilie bis zum 31.3.18 selbst, danach vermietet er die Wohnung bis zum 30.6.18. Nach Beendigung des Mietverhältnisses bewohnt er die Wohnung bis zum 1.3.19. Anschließend veräußert er die Immobilie an den Erwerber E. Die Anschaffungskosten für die Immobilie haben 210.000 EUR betragen, die in Anspruch genommenen Abschreibungen 20.000 EUR, der Veräußerungspreis beträgt 250.000 EUR. Die Veräußerungskosten betragen 4.300 EUR.
Lösung In diesem Fall nimmt die Finanzverwaltung eine schädliche Veräußerung an. Es liegt somit ein Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor. Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 2. Alt. EStG greift nicht.
Der Veräußerungsgewinn für S errechnet sich wie folgt: | |
Veräußerungspreis | 250.000 EUR |
abzüglich Veräußerungskosten | ./. 4.200 EUR |
abzüglich Anschaffungskosten | ./. 210.000 EUR |
Zwischensumme | 35.800 EUR |
zuzüglich Abschreibungen | + 20.000 EUR |
Veräußerungsgewinn | 55.800 EUR |
Dieser Gewinn in Höhe von 55.800 EUR ist voll einkommensteuerpflichtig. |
PRAXISTIPP | Aber auch ein Leerstand im Vorjahr wird von der Finanzverwaltung als steuerschädlich eingestuft. |