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· Fachbeitrag · Leserforum

Private Grundstücksgeschäfte bei einer vermieteten Immobilie, Teil 1

von StB Christoph Wenhardt, Brühl

| Wann unterliegt die Veräußerung eines privat vermieteten Grundstücks der Besteuerung? Der Senior S, der mehrere privat vermietete Immobilien hat, stellt an Sie als Rechtsanwalt die folgenden Fragen. |

 

Frage 1: Ist der Verkauf einer privat genutzten Immobilie immer steuerpflichtig?

 

Antwort: Wird ein privat genutztes Grundstück innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren nach Anschaffung veräußert, liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor. Der Verkauf ist steuerpflichtig (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

 

  • Beispiel

S hat am 1.1.11 eine Immobilie erworben, die er bis zum 2.1.20 vermietet. Anschließend veräußert er die Immobilie an den Erwerber E.

 

Lösung: Es liegt ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vor, da der Verkauf der Immobilie innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG stattfindet.

 

Abwandlung: S wartet mit der Veräußerung und verkauft erst im Juni 2021.

 

Lösung: Da nunmehr die Zehnjahresfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG abgelaufen ist, unterliegt das Grundstück nicht der Besteuerung.

 

PRAXISTIPP | Ausnahmen gibt es bei Immobilien, die zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden (siehe Teil 2 des Beitrags).

 

Frage 2: Wie ermittelt sich die Zehnjahresfrist?

 

Antwort: Die Zehnjahresfrist erstreckt sich zwischen Anschaffung des Grundstücks und der Veräußerung. Hierbei sind für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung grundsätzlich die Zeitpunkte des Abschlusses der obligatorischen Verträge maßgebend. Wichtig ist daher die Frage, was unter Anschaffung und Veräußerung zu verstehen ist.

 

  • a) Anschaffung: Hierunter versteht man den entgeltlichen Erwerb des Grundstücks (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rz 31).

 

PRAXISTIPP | Eine Anschaffung liegt nicht vor, wenn das Grundstück unentgeltlich erworben wurde (z. B. durch Erbschaft, Vermächtnis oder durch Schenkung).

 

Frage 3: Wie ermittelt sich der Veräußerungsgewinn?

 

Antwort: Der Gewinn bzw. der Verlust ermittelt sich bei einem privaten Veräußerungsgeschäft, indem vom Veräußerungspreis die Anschaffungskosten oder Herstellungskosten und die Werbungskosten abgezogen werden (§ 23 Abs. 3 S. 1 EStG).

 

  • Beispiel

S hat am 1.7.12 eine Immobilie angeschafft. Bis zum 30.6.20 hat er diese vermietet. Am 1.7.20 veräußert er die Immobilie. Die Anschaffungskosten für die Immobilie haben 312.000 EUR betragen, die geltend gemachten Abschreibungen 24.800 EUR, der Veräußerungspreis beträgt 415.000 EUR. Werbungskosten sind in Höhe von 2.400 EUR angefallen.

 

Lösung: Es liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Der Veräußerungsgewinn für S errechnet sich wie folgt:

Veräußerungspreis

415.000 EUR

abzüglich Werbungskosten

./. 2.400 EUR

abzüglich Anschaffungskosten

./. 312.000 EUR

Zwischensumme

100.600 EUR

zuzüglich Abschreibungen

+ 24.800 EUR

steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn

125.400 EUR

 

PRAXISTIPP | Abschreibungen, die bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen worden sind, mindern nun die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. Im Ergebnis erhöhen diese den Veräußerungsgewinn.

 

Frage 4: Was ist, wenn S das Grundstück in seinen Betrieb einlegt?

 

Antwort: Legt der Steuerpflichtige ein Grundstück in sein Betriebsvermögen ein, wird das nicht als Veräußerung angesehen. Infolgedessen kommt es auch zu keiner Besteuerung.

 

PRAXISTIPP | Wird das Grundstück jedoch innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung aus dem Betriebsvermögen veräußert, dann wird die Einlage nachträglich als Veräußerung gewertet. Sie führt dann zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäft (§ 23 Abs. 1 S. 5 EStG).

 
  • Beispiel

S hat ein Einzelunternehmen. Im August 2017 legt er in dieses ein Grundstück ein, das er im Januar 2013 gekauft hat. Im Februar 2020 veräußert er das Grundstück.

 

Lösung

  • a) Einlage in das Einzelunternehmen:
  • Die Einlage hat keine Konsequenzen im Rahmen des § 23 EStG.
  • b) Verkauf des Grundstücks aus dem Einzelunternehmen:
  • Der Verkauf des Grundstücks unterliegt nun der Besteuerung.
 

PRAXISTIPP | Zur Ermittlung des Gewinns bzw. Verlusts aus dem Veräußerungsgeschäft ist anstelle eines Veräußerungspreises der Wert zugrunde zu legen, mit dem die Einlage angesetzt wurde.

 

Frage 5: Gibt es einen Freibetrag oder eine Freigrenze für den Veräußerungsgewinn?

 

Antwort: Nach § 23 Abs. 3 S. 5 EStG bleiben Gewinne steuerfrei, wenn der aus den privaten Veräußerungsgeschäften erzielte Gesamtgewinn im Kalenderjahr weniger als 600 EUR betragen hat. Hierbei ist die Grenze als Freigrenze zu verstehen. Dies hat zur Konsequenz, dass ab dieser Grenze der gesamte Gewinn steuerpflichtig ist ‒ und nicht nur der übersteigende Betrag ‒ wie bei einem Freibetrag.

 

PRAXISTIPP | Haben beide zusammen veranlagten Ehegatten Veräußerungsgewinne erzielt, steht jedem Ehegatten die Freigrenze des § 23 Abs. 3 EStG zu; jedoch höchstens bis zur Höhe seines Gesamtgewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften (H 23 EStH 2019).

 

Frage 6: Wie werden Veräußerungsverluste behandelt?

 

Antwort: Für die Berücksichtigung von Verlusten im Rahmen des § 23 EStG gilt Folgendes (§ 23 Abs. 3 S. 7 und 8 EStG):

 

  • a) Ein Ausgleich von Verlusten ist nur möglich bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat.
  • b) Ein Abzug nach § 10d EStG (allgemeiner Verlustrücktrag oder Verlustvortrag) ist nicht möglich.
  • c) Der Steuerpflichtige kann jedoch einen einjährigen Verlustrücktrag vornehmen. Ferner ist ein Verlustvortrag möglich.
  •  

PRAXISTIPP | Die Verluste mindern beim einjährigen Verlustrücktrag bzw. Verlustvortrag nur Veräußerungsgewinne, die im Rahmen des § 23 Abs. 1 EStG erzielt wurden.

 
  • Beispiel

Aufgrund eines Grundstücksverkaufs in 2019 besteht ein Verlust nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. H. v. 2.000 EUR. Gewinne nach § 23 Abs. 1 EStG hat S in 2019 nicht erzielt, nur noch Einkünfte aus seiner Rente i. H. v. 30.000 EUR. Dagegen erzielt S in 2018 durch Grundstücksverkauf einen Gewinn i. S. d. § 23 Abs. 1 EStG i. H. v. 1.000 EUR.

 

Lösung: Zur Berücksichtigung des Verlusts gilt folgende Vorgehensweise:

  • a) In 2019: Mangels anderer Gewinne aus § 23 Abs. 1 EStG kann kein Ausgleich vorgenommen werden. Ein Ausgleich mit den Renteneinkünften scheidet aus.
  • b) In 2018: Da in 2018 ein Gewinn i. S. d. § 23 Abs. 1 EStG i. H. v. 1.000 EUR erzielt wurde, kann der Verlust aus 2019 i. H. v. 1.000 EUR zurückgetragen und mit dem Gewinn verrechnet werden. Damit ergibt sich in 2018 kein steuerpflichtiger Gewinn nach § 23 Abs. 1 EStG.
  • c) In 2020: Der verbleibende Verlust aus 2019 i. H. v. 1.000 EUR kann in die folgenden Jahre vorgetragen werden und mindert dann Gewinne nach § 23 Abs. 1 EStG.
 
Quelle: Ausgabe 10 / 2020 | Seite 178 | ID 46799985