· Fachbeitrag · Prozessrecht
Befangenheit eines Gutachters wird stets im Einzelfall geprüft
| In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen ärztliche Sachverständige in sozialgerichtlichen Verfahren als befangen abgelehnt werden können, beschäftigt Bevollmächtigte immer wieder. Das Bayerische LSG hat jüngst betont: Ob ein Gutachter befangen ist, ist anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen (2.4.19, L 3 SF 160/18 AB, Abruf-Nr. 208322 ). Ob bei dem Gutachter früher schon in anderen Verfahren eine Befangenheit angenommen wurde, spielt dabei keine Rolle. |
Der Kläger hatte eine Verletztenrente eingeklagt. In seinem Ablehnungsgesuch bezog er sich im Wesentlichen darauf, dass bei dem Gutachter schon in anderen Verfahren einmal die Besorgnis der Befangenheit angenommen wurde. Hieraus aber, so das LSG, würden sich keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit auch im hiesigen Verfahren ergeben, das sich auch gegen eine völlig andere Berufsgenossenschaft richtete. Solche Bezüge waren weder ersichtlich noch konkret vorgetragen.
Zwar legte der Kläger auch Unterlagen vor, nachdem der Gutachter in anderen Verfahren von Gutachtensaufträgen entbunden worden war. Hinweise auf eine Besorgnis der Befangenheit gab es insoweit aber nicht. Vielmehr handelte es sich um gerichtliche Einzelfallentscheidungen. So formulierte das Gericht u. a. in einem Schreiben: „Unabhängig davon, ob ein Befangenheitsgrund vorliegt oder nicht, dürfen wir Sie von dem erteilten Gutachtensauftrag entbinden, da eine vertrauensvolle Untersuchung hier nicht möglich erscheint.“
MERKE | Auch eine hohe Arbeitsauslastung ist kein Grund für eine Ablehnung. Der Kläger argumentierte u. a., der Sachverständige habe aufgrund der Zahl seiner jährlichen Gutachten keine Zeit, sich ausführlich mit der Materie zu beschäftigen. Dies stelle jedoch eine bloße Mutmaßung dar, so das LSG, die durch nichts belegt sei. Insoweit würde der fachliche Mangel eines noch zu erstellenden Gutachtens vorweggenommen. Eine solche Rüge sei kein Ablehnungsgrund.
In Arzthaftungssachen kann es geschehen, dass der Gutachter die beklagte Partei kennt. Allein, dass beruflich oder fachlich bedingte Erfahrungsaustausche sowie berufliche Kontakte zwischen Ärzten und Wissenschaftlern bestehen, rechtfertigt die Sorge der Befangenheit jedoch nicht (OLG Dresden 2.1.19, 4 W 1108/18). Dies gilt auch, wenn der Gutachter und die Prozesspartei auch als Referenten auf Fortbildungsveranstaltungen tätig sind.
Die Sorge ist jedoch berechtigt, wenn zwischen Gutachter und Prozesspartei ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis besteht, da solche engen Bindungen Interessenkonflikte bergen oder hieraus besondere Rücksichtnahmen resultieren können. |
Weiterführender Hinweis
- Ergänzende Befragung des Gutachters muss gut begründet werden, SR 19, 8