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· Fachbeitrag · Vorzeitig in Rente (Teil 1)

Rentenabschläge aufgrund vorzeitiger Rente: Rentenbeiträge geschickt auffüllen

| Viele Arbeitnehmer überlegen, ob sie nach einem langen Berufsleben vorzeitig die gesetzliche Altersrente beantragen sollen. Vorzeitig bedeutet, dass sie nicht über 45 Beitragsjahre verfügen und daher bei ihrer Altersrente Abschläge in Kauf nehmen müssten. Diese Rentenabschläge kann der Arbeitnehmer, aber auch der Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer steuer- und beitragsmindernd ausgleichen. Wie das geht, erläutert SR in einer Beitragsserie. Im ersten Teil erfahren Sie, wie sich der Beitrag zum Ausgleich der vollständigen Rentenminderung berechnet. |

1. Flexi-Rentengesetz und Ausgleich von Rentenabschlägen

Das Flexi-Rentengesetz ist am 1.1.17 in Kraft getreten. Seither können Versicherte früher und flexibler als bisher Beiträge bei einer geplanten vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente zahlen, um Rentenabschläge auszugleichen. Damit der Ausstieg aus dem Erwerbsleben besser geplant und die finanziellen Folgen des vorgezogenen Rentenbeginns verringert werden können, ist die Zahlung von Beiträgen bis zu 2 Mal im Kalenderjahr ab dem 50. Lebensjahr möglich (vor dem 1.1.17: 55. Lebensjahr).

 

a) Vorzeitiger Rentenbezug ab 63 mit Rentenabschlägen

Die Altersrente kann ab 63 mit Abschlägen bezogen werden. Für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme mindert sich die Rente um 0,3 Prozent. Die Rentenabschläge sollen die Kosten der längeren Rentenbezugszeiten bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme ausgleichen. Die abschlagsbedingten Rentenminderungen können durch zusätzliche Beitragszahlungen ganz oder teilweise vermieden werden (§ 187a SGB VI).

 

b) Besondere Rentenauskunft kann angefordert werden

Versicherte, die wissen möchten, wie sich die Abschläge auswirken und wie hoch die monatlichen Beiträge wären, um die Abschläge auszugleichen, können eine besondere Rentenauskunft bei ihrem Rentenversicherungsträger beantragen (Formular V0210). Die Auskunft enthält

  • die voraussichtliche Höhe der Rente wegen Alters (abgestellt auf den beabsichtigten voraussichtlichen Rentenbeginn),
  • die Rentenminderung wegen der beabsichtigten vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente und
  • den Beitragsaufwand, der zum Ausgleich der Rentenminderung maximal gezahlt werden kann.

2. Voraussetzung für die Zahlung von Ausgleichsbeiträgen

Ein Versicherter kann Beiträge nach § 187a SGB VI unter den folgenden Voraussetzungen zahlen:

 

  • Der Versicherte beantragt die Beitragszahlung. Seinen Antrag kann er frühestens mit Vollendung des 50. Lebensjahrs stellen.
  • Der Versicherte muss erklären, dass er später eine Rente wegen Alters beanspruchen will, die durch die beabsichtigte vorzeitige Inanspruchnahme gemindert ist.
  • Nicht möglich ist dagegen eine vorzeitige Inanspruchnahme bei der Regelaltersrente oder bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
  • Die Erklärung wird unterstellt, wenn der Versicherte mit dem Formular V0210 die besondere Rentenauskunft beantragt.
  • Der Versicherte kann die Erklärung aber auch formlos oder im Zusammenhang mit einem Antrag auf Altersrente abgeben.

3. Ermittlung der geminderten Altersrente

Die Altersrente ist eine beitragsbezogene Leistung. Wer länger als andere Beiträge einzahlt oder höhere Beiträge einzahlt, erhält später eine höhere Rente. Die Rentenformel lautet:

 

  • Rentenformel für die Altersrente

Monatliche Rentenhöhe  =  Entgeltpunkte  x  Zugangsfaktor  x  aktueller Rentenwert  x  Rentenartfaktor

 

Für die Ermittlung der Minderung ist zunächst die Summe aller Entgeltpunkte zu ermitteln. Ferner muss der gekürzte Zugangsfaktor berechnet werden.

 

a) Entgeltpunkte

Die Entgeltpunkte sind entscheidend für die individuelle Rentenhöhe. Sie errechnen sich aus dem versicherten Arbeitsentgelt (beitragspflichtiger Bruttolohn). Bei der Rentenberechnung wird dieses Entgelt Jahr für Jahr zu dem jeweiligen Durchschnittsentgelt aller Arbeitnehmer ins Verhältnis gesetzt. Dieser Wert wird als Entgeltpunktwert des entsprechenden Jahres bezeichnet. Damit ergibt sich genau ein Entgeltpunkt, wenn das persönliche Jahresentgelt dem durchschnittlichen Entgelt aller Arbeitnehmer entspricht.

 

Das vorläufige Durchschnittsentgelt wird jährlich angepasst. Es beträgt 37.873,00 EUR im Jahr 2018. Wer also 2018 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 37.873,00 EUR erhält, bekommt für dieses Jahr einen Entgeltpunkt.

 

  • Beispiel

Beträgt das versicherte Entgelt 18.936,50 EUR im Jahr 2018, erhält der Versicherte für dieses Jahr 0,5000 Entgeltpunkte (18.936,50 EUR : 37.873,00 EUR).

 

Hat ein Arbeitnehmer im Jahr 2018 einen beitragspflichtigen Jahresbruttolohn von 56.810,00 EUR, sind es 1,500 Entgeltpunkte (= 56.810 EUR : 37.873 EUR). Wer also 40 Jahre lang immer das 1,5-Fache des Durchschnittsentgelts verdient hat, bekommt für jedes Jahr 1,5 Entgeltpunkte. Bei 40 Jahren sind das insgesamt 60 Entgeltpunkte (40 Jahre x 1,5 Entgeltpunkte).

 

b) Zugangsfaktor

In einem zweiten Schritt sind dann die persönlichen Entgeltpunkte mit dem für den beabsichtigten vorzeitigen Rentenbeginn maßgebenden Zugangsfaktor zu berechnen. Bei vorgezogenen Altersrenten wird der Zugangsfaktor von 1,0 um einen Abschlag für die Monate des vorgezogenen Rentenbeginns gekürzt (je Monat um 0,003; entspricht einer Rentenkürzung um 0,3 Prozent).

 

Die Minderung an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz der nach Schritt 1 und Schritt 2 ermittelten persönlichen Entgeltpunkte. Dazu das folgende Beispiel:

 

  • Beispiel

Die alleinstehende Arbeitnehmerin A ist am 25.12.55 geboren. Sie arbeitet und wohnt in den alten Bundesländern. A hat Anspruch auf eine ungeminderte Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 1.10.21 (= Vollendung eines Lebensalters von 65 Jahren und 9 Monaten). A möchte ab dem 1.1.19 in Rente gehen, also 33 Monate früher. Die Summe aller Entgeltpunkte bis zum beabsichtigten Rentenbeginn am 1.1.19 beträgt 60,0000 Entgeltpunkte (einschließl. der prognostizierten Beitragszeiten bis 31.12.18). Der aktuelle Rentenwert beträgt im Januar 2019: 32,03 EUR (alte Bundesländer, seit 1.7.18).

 

Die Altersrente hat beim beabsichtigten Rentenbeginn einen Zugangsfaktor von 0,9010 (= 1,0 ./. 33 X 0,003). Die maximale Minderung an persönlichen Entgeltpunkten wird wie folgt ermittelt:

 

Minderung der persönlichen Entgeltpunkte

Entgeltpunkte der ungeminderten Altersrente

60,0000

Persönliche Entgeltpunkte bei vorgezogener geminderter Altersrente

(60,0000 Entgeltpunkte x 0,9010)

54,0600

Minderung an persönlichen Entgeltpunkten

(60,0000 Entgeltpunkte ./. 54,0600 persönliche Entgeltpunkte)

5,9400

 

Rentenminderung = Minderung an persönlichen Entgeltpunkten x Rentenartfaktor x aktueller Rentenwert

Minderung an persönlichen Entgeltpunkten

5,9400

Rentenartfaktor für die Altersrente

1,0

Rentenwert (alte Bundesländer zum 1.7.18)

32,03 EUR

Rentenminderung insgesamt (= 5,9400 x 1,0 x 32,03 EUR)

190,26 EUR

 

Die Rente mindert sich um 190,26 EUR.

 

4. Beitragsaufwand zum Ausgleich

Der Beitragsaufwand zum Ausgleich der vollständigen Rentenminderung berechnet sich basierend auf den Daten der Rentenauskunft wie folgt:

 

  • Fortsetzung des Beispiels

A stellt am 15.10.18 bei der Deutschen Rentenversicherung einen Antrag auf Erteilung einer besonderen Rentenauskunft zum Ausgleich der Rentenminderung. Der Rentenversicherungsträger erteilt die besondere Rentenauskunft am 29.10.18. Die Minderung der persönlichen Entgeltpunkte beträgt 5,9400. Der geminderte Zugangsfaktor ist 0,9010. Der allgemeine Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt 18,6 Prozent im Jahr 2018. Das vorläufige Durchschnittsentgelt aller Versicherungen im Jahr 2018: 37.873,00 EUR.

 

Der Beitragsaufwand zum Ausgleich der vollständigen Rentenminderung berechnet sich wie folgt:

Formel Beitragsaufwand =

Entgeltpunkte x Rentenabschlag in Prozent x vorläufiges Durchschnittsentgelt x Beitragssatz : Zugangsfaktor

Entgeltpunkte der ungeminderten Altersrente

60,0000

Rentenabschlag zum 1.1.19 (0,003 x 33)

9,9 %

Vorläufiges Durchschnittsentgelt

37.873,00 EUR

Beitragssatz 2018

18,6 %

Zugangsfaktor

0,9010

Beitragsaufwand (60,0000 x 9,9 % x 37.873,00 EUR x 0,186): 0,9010

46.441,30 EUR

 

Verkürzte Formel Beitragsaufwand =

(Entgeltpunkt-Minderung x Umrechnungsfaktor) : Zugangsfaktor

Entgeltpunkt-Minderung

5,94

Umrechnungsfaktor (37.873,00 EUR x 0,186)

7.044,378 EUR

Zugangsfaktor

0,9010

Beitragsaufwand (5,94 x 7.044,378 EUR): 0,9010

46.441,30 EUR

 

Der Beitragsaufwand für A zum vollständigen Ausgleich der Rentenminderung von 5,9400 persönlichen Entgeltpunkten beträgt 46.441,30 EUR, wenn A die Beiträge innerhalb einer angemessenen Frist (3 Monate bei Aufenthalt im Inland bzw. 6 Monate bei Aufenthalt im Ausland) nach Erteilung der besonderen Rentenauskunft zahlt.

 

Wichtig | Der Betrag nach § 187a SGB VI muss nicht zwingend in Form einer Einmalzahlung geleistet werden. Es sind auch Teilzahlungen möglich, maximal 2 Zahlungen jährlich; das führt zu keinem höheren Betrag.

5. Risiken einer Nachzahlung

Eine Rückerstattung von geleisteten Beiträgen ist ausgeschlossen (§ 187a Abs. 3 SGB VI), z. B. wenn

  • die Erklärung über die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente widerrufen wird,
  • die Altersrente doch nicht vorzeitig in Anspruch genommen wird oder
  • sich herausstellt, dass bei der Berechnung der erforderlichen Beitragszahlung von zu hohen geminderten persönlichen Entgeltpunkten ausgegangen wurde.

 

Der gezahlte Beitrag wird dann in allen 3 Fällen nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI im vollen Umfang als Zuschlag bei den Entgeltpunkten berücksichtigt.

 

Im Zusammenhang mit der Nachzahlung der Beiträge besteht ein Risiko: Zahlt ein alleinstehender Versicherter, der keine Hinterbliebenen hat, den Ausgleichsbetrag komplett ein und verstirbt z. B. 2 Wochen später, kann der Betrag nicht mehr an die Erben ausbezahlt werden. Gibt es Hinterbliebene, wie etwa eine Witwe, einen Witwer oder eine Waise oder mehrere Waisen, haben auch die etwas von den nachgezahlten Beiträgen.

 

Weiterführender Hinweis

  • Beitrag „Rentenabschläge aufgrund vorzeitiger Rente: Rentenbeiträge geschickt auffüllen ‒ Teil 2“ in SR 12/2018
Quelle: Ausgabe 11 / 2018 | Seite 195 | ID 45562719